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April 13, 2014
Jenseits von Kreuz und Haube
Petra Götsch
Das Kloster gilt als Ort der Ruhe. Als gar nicht so still präsentiert sich aber das Kloster Maria Steinach in Algund im Dokumentarfilm “Wir können nicht den hellen Himmel träumen” der Latscher Filmemacherin Carmen Tartarotti. Einfühlsam portraitiert sie die letzten zwei Bewohnerinnen des Klosters. “Wir können nicht den hellen Himmel träumen” erhielt bei den 28. Bozner Filmtagen den Publikumspreis der Stadt Bozen.
Fast anrührend sitzen sie auf der Bank im Klostergarten, Schwester Benvenuta und Schwester Angelika, und zupfen ihre Gewänder zurecht. Schüchtern wirken sie, ihr Blick weicht der Kamera ständig aus. Mit einfachsten technischen Mitteln entstand dieser intime Einblick in eine Lebenswelt, die unserer ferner nicht sein könnte. Alles, was uns umtreibt, die Hetze, die vertanen Stunden, das neue Handy, scheint diese zwei Frauen nichts anzugehen. Mit minimalistischem Einsatz und Bildern voller Symbolkraft beweist Carmen Tartarotti ihren langen Atem und ihre Ausdauer beim Beobachten und hebt sich so mit ihren Filmen wohltuend von anderen Produktionen ab. Über mehrere Jahre hat die Latscher Filmemacherin die Nonnen begleitet und dabei amüsante und auch nachdenklich stimmende Momente einer Welt festgehalten, die sich unaufhaltsam ihrem Ende zu bewegt.
“Die Eingesperrten” nannte man die Klosterfrauen von Maria Steinach. Wer den Schritt in die Klausur wagte, machte nie wieder einen Schritt hinaus. Für den nötigsten Kontakt nach Außen wurde eine Schwester als Mittlerin ernannt, alle anderen verließen die wuchtigen Mauern von Maria Steinach höchstens für dringende Arztbesuche – oder um zu wählen.
28 Schwestern konnte das Kloster fassen und versorgen, meist gab es noch eine lange Warteliste – “nachrücken bei Ableben einer Schwester”. Doch auch hier hielt der Wandel Einzug, die Zahl der Klosterfrauen ging stetig zurück. Die Alten starben, Junge kamen keine nach. Schwester Benvenuta erzählt von einem jungen Mädchen in den 70er Jahren, das kurz vor dem Ordensgelübde nachts über die Klostermauern stieg und nimmer gesehen ward. Ein fast verständiges Lächeln huscht über ihr Gesicht, Schwester Angelika bestätigt: “Bis zur Profess arbeitet der Teufel am meisten.”
Heute, im Film, harren die zwei Frauen alleine hinter den Mauern aus. Selbstbewusst, lebensklug und voller Zuversicht stemmen sie die Pflichten und Aufgaben des Konvents. Das tägliche Gebet, der Gesang und die Kontemplation wechseln mit der Arbeit im Klostergarten, der Küche oder der Verwaltung der klostereigenen Güter. Und auch Nonnen bleiben von unseren Problemen nicht verschont: “Ein Zettel Einnahmen und zwei Zettel Ausgaben!” Die lebhaften Zwiegespräche, die Wattduelle – “geasch?!” – oder die persönlichen Einblicke, –”Die Legende will, dass ich aus Liebeskummer in das Kloster eingetreten bin” – machen diese Dokumentation so wertvoll und zeigen fast schon komödiantisches Potenzial an einem Ort, wo man es zuletzt vermuten würde.Carmen Tartarotti
Eine Ordensgemeinschaft definiert sich über das Gebet und das erhalten die Nonnen aufrecht. Das Kloster hat also seine Daseinsberechtigung und niemand solle auch nur zu denken wagen, dass sie zu zweit kein “richtiges” Kloster mehr wären. Und doch werden die Töne und Bilder des Films nachdenklicher, wenn es um das Thema Zukunft geht. Nichts täuscht darüber hinweg, dass Benvenuta und Angelika damit hadern, dass es sie treffen wird, das Kapitel Kloster Maria Steinach endgültig abzuschließen. Durchhalten! Weitermachen! Das ist ihr Schlachtruf. Auch wenn die tägliche Arbeit immer mühsamer wird. Knochenbrüche. Polyarthrose. Zuckerkrankheit. Sechs Wochen Krankenhaus. “Wir gehen hier nicht weg.”
Und doch hat einen die Illusion noch nie vor der Realität bewahrt: “Die heutige Jugend liebt die Freiheit, lässt sich nicht einengen. Wir sind mit der Wirklichkeit vertraut, träumen nicht.” Wenn sie von der Zukunft des Klosters reden, ähneln sie einem Altbauern, der keinen Nachfolger für seinen Hof hat.
Ihr sei das Kloster über die Jahrzehnte Heimat geworden, gesteht Schwester Angelika. Heimat, ein schönes Wort, wenn man es recht betrachtet. Und eine Heimat, die gibt man nicht einfach so auf. Nur Faule und Charakterlose täten das, klärte mich ein Bauer einmal auf. Vielleicht sind sich Kloster- und Bauernstand im Tiefsten gar nicht so unähnlich? Wie verabschiedet man sich schon auch von einer Aussicht oder dem gepflasterten Weg vor seiner Tür? Wie trennt man sich von einem Ort, mit dem man fast schon biologisch verwachsen ist? Es geht nicht. Und wenn man trotzdem muss, dann geht man am besten schnell und dreht sich nicht mehr um.
Nachtrag: Bereits im Oktober 2012 verstarb Schwester und Priorin Benvenuta. Heute lebt Schwester Angelika alleine im Kloster (zur Zeit ist sie im Krankenhaus); die Verantwortung trägt mittlerweile allerdings der Dominikanerorden in Bozen. Sie ist immer noch zuversichtlich: “Es war schon zweimal, dass nur mehr eine einzige Schwester in Steinach lebte. Und doch hat Kloster Steinach immer weitergelebt.”
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