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June 7, 2012

Punk in Africa am 21. Internationalen Filmfestival Innsbruck IFFI

Haimo Perkmann

Im Fokus der Dokumentarfilme am „21. Internationalen Film Festival Innsbruck“ steht in diesem Jahr auch Afrika. Von Jean-Marie Tenos „Lieux Saints“ (Burkina Faso) bis „Ahimsa“ (Mozambique) und „The Lion Escaped“ (RSA) wird der afrikanische Kontinent, der dem Neoliberalismus am stärksten von allen ausgesetzt ist, dokumentarisch durchforstet. Zahlreiche Geschichten von Kreativität und Widerstand zeugen vom Potential der Länder der Subsahara.

So stehen Südafrika und seine Nachbarstaaten auch im Mittelpunkt des Musik-Dokumentarfilms Punk in Africa von Keith Jones[1] und Deon Maas[2]. Der Film wird gemeinsam mit „Freies Radio Innsbruck 105.9 FM“ am Freitag, 8. Juni 2012 im Leokino präsentiert, mit anschließendem Clubbing.

Die Dokumentation der beiden Filmemacher aus New York bzw. Johannesburg rollt die komplexe Geschichte einer verfolgten und verbannten Untergrundbewegung in Südafrika auf. Während die Punkbewegung in Europa und den USA zum Ausdruck einer neuen, teilweise destruktiven Illusionslosigkeit nach den idealistischen 1960er Jahren wurde, war Südafrika geprägt vom institutionalisierten Rassismus der Apartheid. Hier nahm eine ganze Generation mit dem Aufkommen des Punkrock Mitte der 1970er Jahre die Gelegenheit wahr, zum ersten Mal eine eigene Jugendkultur zu entwickeln und sich damit der Unterdrückung und der Rassentrennung zu widersetzen. In dem Film kommt auch Steve Moni zu Wort, ein nach Südafrika emigrierter Italiener mit Bozner Wurzeln und einer der wichtigsten Exponenten der Südafrikanischen Punkdissidenten. 7 Fragen an Filmemacher Keith Jones. 

Erste Frage: Wovon handelt der Film?

Keith Jones: „Punk in Africa“ ist die Geschichte der Punk- und Undergroundbewegung der 70er und 80er Jahre im südlichen Afrika. In diesen Ländern führte Punk als Subkultur mit einem radikalen politischen Impuls zu politischen und sozialen Aufständen, begleitet von harten politischen, auch gewalttätigen Auseinandersetzungen, die am Rande eines Bürgerkrieges verliefen. Punk in Africa verfolgt die Spur dieser Bewegung bis hin zu ihrer Entstehung im Umfeld der Underground-Rockszene Anfang der 1970er Jahre in Johannesburg. Plötzlich tauchten im rassistischen Apartheid-Regime Südafrikas Punkbands auf, die sich im Gefolge der Soweto-Aufstände aus weißen und schwarzen Bandmitgliedern formiert hatten, was absolut verboten war. Die politisierten Hardcorebands der 1980er führten schließlich zu den afrikanischen Ska-Gruppen der 1990er Jahre. Bis heute ist die Musikszene in Südafrika sehr politisch. Und musikalisch war immer schon ein großer Austausch mit den Entwicklungen in Amerika und Lateinamerika gegeben.

Neben Südafrika wird in deinem Film auch die musikalisch interessante Punkrockszene der 70er und 80er Jahre in Zimbabwe und Mozambique untersucht. Doch diese Länder haben eine ganz andere Geschichte als Südafrika. Warum hast du diese drei Staaten gemeinsam unter die Lupe genommen?

Diese drei Länder haben einerseits eine unterschiedliche Geschichte, andererseits haben sie aber auch starke Parallelen. Diese Länder waren zum Beispiel die letzten Bastionen des Kolonialismus. Mozambique, Zimbabwe und Südafrika erlangten erst Jahrzehnte nach den anderen afrikanischen Staaten ihre Unabhängigkeit. Darum weist die Geschichte dieser Länder noch in den 1970ern und 1980ern viele Gemeinsamkeiten auf. Das spiegelt sich auch in der musikalischen Entwicklung der Subkulturen wider. Von daher bot es sich an, alle drei Länder in einem Film zu untersuchen.

Geht es in dem Film um die Kraft der Musik? Darum, dass Musik die Welt verändern kann, oder war die Situation in dem Apartheidregime von RSA unvergleichlich?

Im Wesentlichen spürt der Film der Geschichte und Bedeutung einer Szene nach,  die eine Subkultur importierte, aber auf ihre Weise – sowohl politisch wie sozial – zu einem einzigartigen, rein afrikanischen Ausdruck fand. Der Film zeigt aber auch Parallelen zur Punkszene in den osteuropäischen Ländern auf, wo die Menschen zur selben Zeit gegen kommunistischen Regime kämpften. Ob Musik die Welt verändern kann? Ich denke, sie spielt eine große Rolle überall dort, wo Machthaber versuchen, die politische Freiheit und alle Subkulturen zu verbieten. Da radikalisiert sich eine jede Szene, damals etwa in der CSSR, in Polen und Brasilien. Oder heute in Zimbabwe oder Weißrussland.

Wie wurde der Film bislang vom Publikum aufgenommen?

Der Film wurde bereits auf zahlreichen Festivals in Afrika, Brasilien, Europa und den Vereinigten Staaten gespielt. Die Premiere in Großbritannien findet in zwei Wochen, gleich nach Innsbruck statt. Die Reaktionen des Publikums waren durchwegs positiv. Kurioserweise waren sehr viele Leute darüber erstaunt, dass es im südlichen Afrika überhaupt eine Punkszene gab, und ebenso erstaunt über die Musik. Der Film wurde bereits auf großen Festivals, wie Durban und Rotterdam, aber auch auf kleinen Musikfilmfestivals, wie in Linz und Berlin, gezeigt.

In Innsbruck, habe ich gehört, wird dein Film von einem Radiosender gehostet, was ist darunter zu verstehen?

Ja, in Innsbruck wird der Film von dem Radiosender Freies Radio Innsbruck 105.9 FM gehostet. Der Radio wird live von der Premiere senden und Musik bringen, die in unserem Film vorkommt. Nach der Vorführung findet ein Clubbing statt, eine Afterparty mit einem DJ Mr. DNA: Das alles wird von dem Freien Radio Innsbruck organisiert. Wir werden auch ein paar Stücke des Berliner DJs Zhao spielen, der gerade auf US-Tournee ist…

… und der ja in den letzten Jahren bereits in Südtirol aufgelegt hat, bei [un]defined 2010 und 2011 im Sketch Club in Meran. Apropos, in dem Film kommt auch Steve Moni vor, ein Südafrikaner mit Bozner Wurzeln. Was hat es damit auf sich?

Ja, Steve Moni war der Gründer der ersten New-Wave-Band in Kapstadt, die „Safari Suits“, später war er Mitglied der schwarz-weiß gemischten Punk-Reggae-Band „National Wake“ in Johannesburg. Steve hatte daraufhin große politische Probleme und floh nach Italien, wo er im Exil lebte, aber sehr aktiv gegen die Apartheid kämpfte, er musizierte, drehte Filme und schrieb Artikel. Seine Experimentalfilme waren in den 80er Jahren sehr bekannt. Steve Moni’s Familie stammt aus Bozen, aber auch aus Rom, wo er aufgewachsen ist. Doch seine Familie besitzt noch immer ein Haus in Bozen. Ich glaube, Steve besucht Bozen jedes Jahr.

Du kennst Europa sehr gut, auch Italien und Südtirol. Unsere Provinz gibt sich ja gerne als Paradebeispiel einer gut funktionierenden Autonomie. Dennoch gibt es noch immer eine große Trennung. Können Länder mit einer Minderheitenproblematik von der Entwicklung Südafrikas lernen?

Was mich diese Situation in Südafrika gelehrt hat ist, dass alle Minderheiten in gewisser Weise eine gemeinsame Erfahrung besitzen und voneinander immer etwas lernen können. Unser Film handelt ja nicht nur von der radikalen Anti-Apartheid-Szene, sondern geht der Frage nach den Möglichkeiten einer multikulturellen Identität nach. Es geht dabei um die Gesellschaft nach einem Konflikt, nach einem Bürgerkrieg, aber auch um sprachpolitischen Folgen. All dies ist auch in Europa immer noch und immer wieder ein Thema.

PUNK IN AFRICA
8. Juni 2012, H 22.00
Film + Aftershow-Party
Leokino, Anichstr. 36, Innsbruck


[1] Filmemacher Keith Jones hat schon früher an einigen musikbezogenen Film- und Medienprojekten in Europa und Afrika gearbeitet und war von 2005 bis 2007 Programmdirektor des „Music on Film – Film on Music“-Festival in Prag. Er führte Co-Regie bei DURBAN POISON (2008), einem musikalisch-politischen Roadmovie über die erste kulturelle Institution Südafrikas, die Schwarzen gehörte.

[2] Regisseur Deon Maas ist ein Urgestein der südafrikanischen Medienszene. Er arbeitet als Regisseur, Produzent, Fotograf, Journalist, Radiosprecher und Fernsehmoderator. Bisherige Dokumentarfilme von Maas: WHO KILLED JOHANNES KERKORREL? und MY BIG FAT AFRIKANER WEDDING. Er ist zudem Autor des Bestsellers „Witboy in Africa“, ein Reiseführer durch Afrika.

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