Music
October 25, 2018
“Dschäss” ist anders: Neues von Matthias Schriefl
Florian Rabatscher
Da liegt eine neue Scheibe auf meinem Tisch. „Keine angst voR… ShreefpunK“ steht in großen, grünen Buchstaben auf dem Teil, das am 26.10.2018 veröffentlicht wird. Dazu ist es auch noch… naja, ziemlich gelb. Nicht zu vergessen den Typ, der aus einem verdammten Comic-Ei blickt. Was zum Teufel? Eine Kinder-CD? Soll ich mir jetzt allen Ernstes Lieder übers Zähneputzen und Arschabwischen anhören? Nein danke. Aber da steht ja auch noch ein Name: Matthias Schriefl. Der Name also zum Kopf im Ei. Dieser Name steht jedoch für etwas völlig anderes und nicht für einen höchst sonderbaren Kindermusik-Star. Oh, wie ich euch verfluche. Wie kann man bloß mit Liedern über Pupse und alle sonst erdenklichen körperlichen Ausflüsse Geld verdienen? Mit den Ballermann tauglichen Arrangements fangen wir gar nicht erst an … Aber genug jetzt von diesem Schwachsinn, bevor ich zu kotzen anfange und damit neuen Stoff für ein Kinderlied liefere. In dieser CD steckt ja etwas ganz anderes.
„Shreefpunk“ nennt sich nämlich das musikalische Projekt von Matthias Schriefl, dem deutschen Jazzkomponist, Bandleader und Multiinstrumentalist. Auf Allgäuerisch übrigens: „Dschäss-Mächlar, wo in gar os Bleach neiblost.“ Auf seiner Homepage wird Allgäuerisch als Sprachoption angeboten, solltet ihr dieser mächtig sein, empfehle ich euch seine Biographie in dieser orientalischen Sprache zu lesen. Ja, nicht umsonst gilt er als großer Spaßvogel der Jazzszene. Nicht dass ihr jetzt denkt, ich spreche hier von irgendeinem Klamauk-Künstler. Oh nein, natürlich ist er ein begnadeter Musiker, aber halt sehr eigenwillig. Seine Person, sein Kleidungsstil und sogar die Art, wie er seine Instrumente spielt. Oft hat man fast das Gefühl, eine junge Version von Helge Schneider zu beobachten.
Schon seit 2003 attackiert die von Schriefl gegründete Working Band „Shreefpunk“ eure eingefahrenen Hörgewohnheiten. Genau diese gilt es zu kurieren. Würdet ihr euch wohler fühlen, wenn ich euch irgendeine Richtung gebe? Man könnte jetzt einfach sagen, dass es ein Jazz-Album ist. Doch so leicht lasse ich euch dieses Mal nicht davonkommen. Beruhigt euch erst mal und steckt eure Etikettierpistole zurück in den Holster. Verdammt nochmal, warum muss man immer alles in irgend welche Schubladen stecken? Reißt euch mal am Riemen und genießt die Vielfalt. Wie soll man auch diese anarchische, verrückte und bunte Welt von Matthias Schriefl beschreiben? Dazu müsste man schon eine Reise in seinen Kopf veranstalten, um es zu studieren. Was wahrscheinlich keine gute Idee wäre, da ein normaler Mensch, einen so immensen Ansturm von Einflüssen gar nicht verarbeiten könnte. Ihr würdet einfach hängen bleiben, wie nach übermäßigem Konsum von LSD und könntet gleich euer Zimmer im Korbflechter-Hotel buchen. Doch so weit lassen wir es nicht kommen.
Keine Angst vor Shreefpunk. Matthias Schriefl nimmt euch hier mit auf eine musikalische Reise. Angefangen beim Frust einer Steuererklärung, den man übrigens inmitten dieses musikalischen Chaos am eigenen Leib spürt. Weiter geht’s dann nach Hamburg, Luxemburg, Athen, Barcelona, Brüssel … er befördert euch, nur mit Klängen, an diese Orte. Großes Kopfkino. Auch hier bei uns macht er kurz Halt. Worum es sich aber genau im Stück „Südtiroler Rundungen“ handelt, sei jedem selbst überlassen. Der Fantasie, ist sie auch noch so versaut, sei keine Grenze gesetzt. Wer jetzt immer noch wissen will, um welche Musikart es sich hier handelt: Naja, ihr trefft hier auf Punk, Jazz, Blues, Rock, Funk … Diese Liste würde kein Ende nehmen. Zusammenfassend: Große Gegensätze zu einem Werk vereint. Für mich persönlich klingt es manchmal so, als würde sich die Musik einer psychedelischen Serie aus den 60er Jahren (z. B. Mit Schirm, Charme und Melone) mit der einer traditionellen Musikkapelle vermischen und von Johnny Rotten dirigiert werden. Ja, ein gewisser Witz steckt sogar in seinen Klängen. So zieht er dem Jazz den Stock aus dem Arsch und bringt ihn weit weg von seinem biederen Ruf. Wie Frank Zappa schon sagte: „What ever happened to the fun in the world?“ Weg von beklemmenden Traditionen oder Regeln. Shreefpunk ist mehr als nur ein Bandname, es ist totale musikalische Freiheit. Also lasst es einfach passieren und habt keine Angst. Keine Angst vor Einfachem, keine Angst vor Komplexität und vor allem: Keine angst voR … ShreefpunK.
Fotos: Matthias Schriefl
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