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June 8, 2017

Literatur im Ohr, Kerner auf der Zunge: Anna Weidenholzer beim Literaturfestival WeinLesen

Christine Kofler

„Im Trockenen kann der Geist nicht wohnen,“ wusste schon der Hl. Aurelius Augustinus. Mit der zweiten Ausgabe des Literaturfestivals WeinLesen kommt nun erneut zusammen, was zusammengehört: Der Wein und die Literatur. Und zwar dort, wo der edle Rebensaft und die reich geschmückten Bücher seit jeher zuhause sind: Im Kloster. Vom 8. bis zum 11. Juni treffen sich Weinkenner und Bücherfreunde, einen Kerner auf der Zunge und Literatur im Ohr, in den ehrwürdigen Gemäuern von Kloster Neustift. Wein und Programm sind hochkarätig, so lesen etwa Sabine Gruber, Katja Lange-Müller, Jaroslav Rudiš und Pedro Lenz aus ihren Werken. Mit dabei ist auch die 1984 geborene, oberösterreichische Autorin Anna Weidenholzer. Im Gepäck ihr neuer Roman „Weshalb die Herren Seesterne tragen“ (Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2016). Wir haben vorab mit der Autorin über ihr neues Buch gesprochen.

Karl, die Hauptfigur in deinem Buch, ist ein pensionierter Lehrer und reist als selbsternannter Soziologe in ein schneeloses Alpendorf. Im Gepäck Forschungsfragen zum Glück, inspiriert von der tatsächlich erfolgten Erhebung des Bruttonationalglücks vom König von Bhutan. Eine ziemlich ungewöhnliche Geschichte. Wo hast du Karl gefunden?

Zuerst hatte ich die Idee, etwas zur Well-Being-Forschung, zur Glücksforschung zu machen. Ich habe mich in das Thema eingelesen und wusste relativ bald, dass die Geschichte an einem Ort spielen soll, den man auf den ersten Blick nicht unbedingt als Glücksort bezeichnen würde. Irgendwann stand dann Karl da und mir war klar: Das ist mein Protagonist, mit ihm möchte ich versuchen, mich der Geschichte anzunähern.

„Und alle Fenster finster und hier draußen ich,“ – so beginnt dein Roman.  Eines der Leitmotive klingt dabei schon an, die Unbehaustheit des Menschen und seine ewige Suche nach Geborgenheit und einem Zuhause. Karl zieht es in ein Bergdorf. Doch am Ende reist er enttäuscht ab, als ihm Gerüchte zu seiner Person zu Ohren kommen. Ist das wohlige Landleben nur eine Illusion?

Das wohlige Stadtleben kann genauso eine Illusion sein. Mit dem idyllischen Leben, wie es uns in all den Landmagazinen gezeigt wird, die derzeit so beliebt sind, hat das Leben am Land aber oft wenig zu tun. Ortskerne sterben aus, weil Einkaufszentren an Bundesstraßen gebaut werden, junge Leute, die anderswo eine Ausbildung machen, kommen oft nicht mehr zurück, vor allem Frauen, es fehlt an Infrastruktur. Und für kleine Skiorte wie O1, die nicht in Schneekanonen und Liftanlagen investieren konnten, wird es mit dem Klimawandel ohnehin schwierig.

Eine Figur im Buch ist dauernd präsent, aber doch nie da: Karls Frau Margit. Karl ist in dauerndem inneren Zwiegespräch mit ihr und doch sagt er: „Du bist nicht ich, darauf muss man in der Liebe achten“. Kann Karl erkennen, aber nichts ändern?

Im Erkennen liegt der Beginn vom Ändern, insofern kommt Karl schon einen großen Schritt weiter.

In einem Artikel in der Zeit schreibt Ursula März: „Ihre Literatur erblüht eindeutig unter österreichischer Sonne.“ Was ist an deinen Büchern „österreichisch“ bzw. in welcher Schreibtradition siehst du dich?

Wahrscheinlich die Sprache, vielleicht die Berge, ehrlich gesagt, denke ich darüber wenig nach.

Du lässt die Interpunktion der direkten Rede weg, baust Zeitsprünge ein und lässt viele Leerstellen. Dürfen es die Leser nicht zu einfach haben?

Klaus Merz hat einmal so schön gesagt, dass er so lange an einem Text schreibt, bis der Text bei sich selbst angekommen ist. Genau darum geht es. Daran, wer diesen Text später einmal wie lesen wird, denke ich beim Schreiben nicht, auch, weil es etwas ist, das ich als Autorin ohnehin nur begrenzt steuern kann.

Welche sechs oder sieben Dinge sind deiner Meinung nach ausschlaggebend für ein glückliches und zufriedenes Leben (Zitat aus dem Buch, S. 147)?

Gute zwischenmenschliche Beziehungen, das politische und gesellschaftliche Umfeld, in dem ich lebe, mit offenen Augen durch das Leben gehen, Kaffee, Musik, Literatur.

 Foto: O. Reiter

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