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January 15, 2013

Alles renkt sich wieder ein?! – Greenwich Bye Bye in der Carambolage in Bozen

Kunigunde Weissenegger

Vier Menschen: Eine arrogante Nerz-Tussi, die immer alles besser weiss (manchmal hat sie auch recht), rum schreit, rum gockelt, mit ihren hochhackigen Schuhen – oh, wie elegant, neidisch ist, einsam ist… Ein Zugewanderter oder Außerirdischer oder jedenfalls nicht ein Hieriger – das habe ich gleich gesehen und gehört – wie der rum rennt und angezogen oder nicht angezogen ist (aber immerhin versucht er sich auch ein bisschen anzupassen), nachdenklich, bedacht und weise… Eine Kraxlerin oder Wandrerin, emsig und wendig, jedenfalls nicht so betucht und nicht so tussig, freigeistig und auch geerdet, lacht gern, singt viel, tanzt, liebt, lässt sich nicht unterkriegen… Und ein Musiker oder kreativer Mensch, den niemand oder wenige verstehen, in sich versunken, aufmerksam, nicht gerade reaktionsfreudig, aber mitteilungsbedürftig, aber es versteht ihn, wie gesagt, eh niemand… Und dann sind da noch wir. Wir halten den Mund, sagen nix oder wenig, lachen manchmal, schmunzeln, zucken zusammen, wiegen uns im Takt der Melodien, schaukeln mit den Wellen, erinnern uns, wundern uns. Ja, hauptsächlich wundern wir uns. Zumindest ich. Wo sind wir hier? – In der Zukunft, in der Vergangenheit, in einer Parallelwelt…? Ja, wo? Manchmal hab’ ich das Gefühl, auf einer winzigen, schwimmenden Floß-Insel zu sitzen, die entweder gleich von einem Tsunami fortgeschwemmt oder von einem Ur-Wal mit einem Schwanzschlag ins Jenseits verfördert oder von Etwas ins Nichts geholt wird. Viel Platz ist hier tatsächlich nicht. Deshalb treten wir uns auch gegenseitig auf die Pfoten und Füße und Hände und Gesichter, aber wir haben etwas zum Sitzen – nix Luxuriöses, was halt so übrig blieb vom Fest, das wir seit Jahrtausenden veranstalten, aber notfalls könnten wir auch stehen. Und ja, manchmal wird’s laut, alles geht durcheinander, Geschichten, Erlebnisse, Stimmen, fremde Stimmen, viele Sprachen, unverständlich verständlich. Zuviel. Bis jemand schreit „Halt’s Maul!“ Dann zuck ich zusammen. Und manchmal wird’s dunkel, ich kann meine Hand nicht sehen und deine nicht und niemanden. Und immer und immer wieder suchen sie ein Mädchen, das seine Eltern (Rabeneltern?!) verloren hat. – Aus dem Nichts diese (costaconcordische?) Stimme, die einmal sucht (das Mädchen), dann gscheit erklärt und in die Vogel- oder was weiß ich welche -Kunde einführt, uns an wichtigste Dinge, wie die dichiarazione dei redditi, erinnert. Und Musik! Es gibt auch Musik (Gustav, Manu Chao, Leonard Cohen reloaded). Traurig schöne, lustig wahre Musik. Es wird getanzt und getrunken. Viel getrunken. Vor allem Wasser. Aber auch Schnaps – logisch auf ex. Und es wird gelacht und geliebt und gekämpft und gehasst. In der Reihenfolge und rückwärts und quer und wieder von vorn. Und am Ende, ja am Ende sind wir uns alle irgendwie ein wenig näher. Die noble Dame, der Migrant, die Lebenslustige, der Künstler. Und wir. Uns.

Ich kann euch nur eins sagen, ihr da draußen, zum Schluss: Wenn ihr – hierzulande – einmal etwas anderes erleben wollt, hier in eine wirklich andere Welt reisen wollt ohne ein Raumschiff oder einen Beam-Apparat zu besteigen, dann macht euch auf in die Carambolage. Bis kommenden Samstag habt ihr Zeit. Dann ist’s zu spät, weil am Sonntag Greenwich Bye Bye nicht mehr läuft oder weil die Welt untergegangen ist oder weil die Füße allein weg gegangen sind oder weil euch der Nachbar in den Keller gesperrt hat oder weil euer Pferd Bronchitis hat oder weil… Und beim Rausgehen und auf dem Heimweg frag ich mich, was wird sich die Kuen da wohl gedacht haben, als sie das zusammen geschrieben hat… Und dann gehen mir noch tausend andere Fragen durch den Kopf – keine Angst! Auch jetzt…

Eva Kuen, Ildiko Babos,  Matteo Facchin, Ahmet Avkiran

Eva Kuen, Ildiko Babos,  Matteo Facchin, Ahmet Avkiran

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