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September 28, 2012

Nähmaschinen-Blues und libysche Bomben bei Transart

Maximilian Lösch

Gestern Abend hat es mich an die fernen Grenzen Südtirols zu Transart getrieben, dort, wo man dem Horizont nahe ist, so weit weg, wo in einem eleganten Giganten, dem Gebäude der Rotho-Blaas, sich Nähmaschinen mit Bomben aus Libyen trafen und den Abend in eine Geräusch- und Rhythmus-Symphonie verwandelten.

Hunderte von Klängen erfüllten die riesigen Lagerhallen, roh inszenierte, wie Cyborg verkabelte Nähmaschinen erschienen vor einem weißen Hintergrund, wie Zeithybride gaben sie die verschiedensten Klänge von sich. Vom klassischen Geräusch bis zu militärischen Salven, das Marschieren von Soldaten, die sich aus einem chaotischen Grund-Noise erheben, dicke Ketten, die am Boden entlang rasseln, der Wahnsinn einer Kultur in Hybris, die mechanische Perfektion des immer gleichen Rhythmus und das schmutzige Rauschen nicht definierter Klänge, das Spiel zwischen Licht und Dunkelheit, Schatten, die verschiedenste Formen an die weiße Wand zeichnen, fast chorale Gesänge einer technologischen Theo-Mantie, die ihr Evangelium im gnadenlosen Rhythmus und dem Klang elektrischer Gitarren beim Drehen an mechanischen Kurbeln und Zäpfchen erschafft. Welten von William Kentridge, die in einem Gongschlag verklingen…

Dann nach einer kurzen Pause ging es weiter in einen anderen Teil der Lagerhalle.
Der englische Künstler verwendete das Geräusch eines Bombeneinschlages in Libyen und verwandelte es in eine unglaublich faszinierende, grausam-groteske Noisekulisse… meine Augen waren müde von einem langen Tag und ließ mich von den starken Strömen und dem manchmal auftauchenden unbeugsamen Rhythmus treiben… ich verlor mich auf dem Wegen meiner Gedanken und kann nicht mehr viel davon erzählen… für das kollektive Unterbewusste war es eine unglaublich wichtige kreative Verwandlung, aber das war eine andere Geschichte.

Wo ich war: Kurtatsch
ROTHOBLAAS > Etschweg 2/1
> 21.00 Uhr

Martin Messier > The Sewing Machine Orchestra
> 20 min.
> Italienische Erstaufführung

Matthew Herbert > The End of Silence
> 60 min.
> Uraufführung

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There are 2 comments for this article.
  • Georg Vescoli · 

    …meine Besuche bei Transart werden von Jahr zu Jahr seltener, und das hat seine Gründe…
    Transart ist das Festival, das seit 12 Jahren ungewöhnliche Projekte in die Region bringt und so zu einer Auseinandersetzung mit zeitgenössischem künstlerischem Schaffen hierzulande einlädt. Transart ist auch das Festival, das der zeitgenössischen Kunst neue Orte erschlossen hat, vor 12 Jahren sicherlich eine innovative Idee. Zudem lässt sich eine Choreographie für Betonmischfahrzeuge schlecht auf die Bühne des Stadttheaters bringen und Lisa Ds senkrechter Laufsteg für ihre avantgardistische Modenschau wohl auch nur unter erschwerten Umständen in den Guckkasten – sagen wir mal – des Waltherhauses zwängen.
    Neue Formate benötigen neue Örtlichkeiten…. und Plattformen, auf denen künstlerisches Schaffen gezeigt werden kann, wohl auch privates Sponsoring… Wenn allerdings Konzerte, Performances oder was auch immer zu einem PR-Posten von Unternehmen werden – mit den obligaten Freikarten für die Belegschaft – und zudem das Ganze noch mit der weniger obligaten Cocktail-Bar zu einem netten Abend unter Bekannten umfunktioniert werden soll, dann bleibt einiges auf der Strecke: Vielleicht nicht die Musik, wenn sie laut genug ist, die „Hallo Renate!!-Begrüßungen“, die „Fesch deine neue Jacke von Burberry-Komplimente“ und die „Ganz fein dieser Lagrein-Urteile“ zu übertönen, aber sicherlich der Musikgenuss, wenn man als – wohlgemerkt Eintritt zahlender – Zuhörer mitten in der lärmend sich begrüßenden und die Neuigkeiten austauschenden Menge zu stehen kommt. Und bei jedem noch so lauten Konzert gibt es ruhige Passagen, spätestens da merken dann wohl auch die Musiker, dass sie auf einer Art „Firmen-Aperitiv“ gelandet sind.
    Transart ist es in 12 Jahren sicherlich gelungen, Menschen für neue Formen der Kunst zu interessieren, Transart hat aber auch dazu geführt, dass Menschen zeitgenössische Kunst als Plattform für das eigene Distinktionsbedürfnis – Ich war dabei – nutzen und als Beiwerk zu irgendwas, als beiläufige Nebensächlichkeit erleben, auf die man einen kurzen Blick wirft/ der man kurz ein Ohr schenkt, um dann das zu tun, was man am Abend mit Freunden und Bekannten häufig tut, nämlich ein Glas Wein zu trinken und sich den Alltag zu erzählen.
    Ich will jedenfalls wieder Konzerte in – auch etwas verstaubt riechenden – Konzertsälen, wo ich sicher sein kann, dass keine während des Konzerts sich zu zuprostenden und die Musik überschreienden Menschen meine auf die Musik gerichtete Aufmerksamkeit stören.
    Georg Vescoli – Auer