Meine ersten Secondhand-Teile habe ich während meiner Studienzeit in Wien am Flohmarkt erworben, dann punktuell bei meinen Schwester-Besuchen in NYC. Da gab es damals schon mehr als nur Flohmärkte und Charity, Secondhand war zwar noch lange nicht so groß wie heute, aber es gab etliche Thrift Shops und Vintage Boutiquen zu entdecken. Secondhand hatte dort bereits einen anderen Stellenwert. Heute hat sich das auch bei uns verändert. Secondhand und Vintage ist Teil eines zeitgemäßen und individuellen Kleidungsstils, vor allem auch für junge Leute eine Möglichkeit, gute Sachen, halbwegs erschwinglich zu finden.
Finden ist eines der Schlüsselwörter. Auch wenn es in der Zwischenzeit real und digital viele Möglichkeiten gibt, das, was man möchte/braucht secondhand zu erwerben, ist es doch meist mit mehr Aufwand und Recherche verbunden und nicht immer findet man dann das entsprechende Teil. Wir sind heute daran gewöhnt, mit wenigen Klicks oder einem schnellen Besuch im Geschäft einzukaufen, die entsprechende Größe, Farbe eines Teils vorzufinden. Das läuft bei Secondhand natürlich anders. Da braucht es Zeit, Glück und auch einiges an Erfahrung, um die passenden Stücke zu finden. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, eine Wishlist auf meinem Telefon zu führen und wenn ich unterwegs bin, danach Ausschau zu halten. Oft ist es so, dass mir in den darauffolgenden Monaten, manchmal dauert es auch länger, etwas Entsprechendes begegnet. Das Gute daran ist: Manches möchte oder brauche ich dann gar nicht mehr.


Worauf achte ich bei einem Secondhand-Kauf? Vorab muss ich sagen, dass mir die Suche, die „Jagd“ nach schönen Stücken sehr großen Spaß macht. Da ich viel in Secondhand und Vintage Stores unterwegs bin, finde ich auch öfters etwas, nach dem ich gar nicht gesucht habe. Das aber so gut sind, dass ich es, wenn es passt und preislich ok ist, nehme. Ich schaue vor allem nach besonderen Stücken. Basics wie T-Shirts, Jeans, Hemden, Sneakers, natürlich auch Unterwäsche und Socken, kaufe ich nur selten secondhand, da schaue ich bei besser produzierenden Brands oder kaufe ein Stück, von dem ich weiß, dass ich es sehr lange tragen kann.


Ich achte auf Materialien, möglichst kein Poly und zu windige Fasermischungen. Übrigens etwas, worauf auch beim Neukauf zu achten ist, da Fasermischungen ein großes Problem sind, weil bisher kaum zu recyclen. Ich schaue mir die Verarbeitung an, drehe ein Kleidungsstück (in der Zwischenzeit) immer um, lese die kleingedruckten Infos und halte Ausschau nach Flecken, Löchern etc. Hab das einige Mal übersehen und bin da jetzt sehr genau. Am besten auch einen Blick im Freien drauf werfen. Kleine Beschädigungen und Tragespuren machen mir nichts, ich mag getragene Stücke, mag es nicht, wenn alles so neu aussieht. Auch habe ich nichts dagegen zum Beispiel einen Stöckel oder eine Sohle oder eine Länge vom Schuster oder Schneider*in richten oder anpassen zu lassen.
Ich achte also auf Qualität, sowohl beim Material als auch bei der Verarbeitung. Und ich schaue auf die Marke. Über (Vintage-) Fundstücke von Marken, die ich vom Stil her mag, freue ich mich. Aber es braucht doch einiges an Übung, um die guten Stücke zu finden, habe ich gemerkt. Meist ist das Angebot groß und man muss sich durchsuchen. Ich habe jedenfalls immer wieder unglaubliche Stücke sehr erschwinglich gefunden. Einige auch geschenkt bekommen. Vermutlich ist das eine Lebensregel: Alles, was mit mehr Aufwand verbunden ist, wo nicht die schnelle Bedürfnisbefriedigung im Vordergrund steht, halten Freude und Nutzen viel länger an.
Auch unser Konsumverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Gerade habe ich bei Vestiaire Collective (Online Plattform Luxury Secondhand) gelesen, dass wir „200 % mehr Kleidung kaufen, als noch vor 20 Jahren. Wir kaufen mehr und tragen das, was wir haben, weniger“. Vestiaire empfiehlt, „sich für Preloved zu entscheiden, das, was man nicht mehr möchte, zu verkaufen, sich eine Capsule Wardrobe zusammenzustellen und möglichst wenig trendgesteuert einzukaufen“. Über 100 Milliarden Kleidungsstücke werden pro Jahr produziert. Stücke, die eigentlich niemand mehr braucht. Der Druck von unten wächst, dass Unternehmen endlich ihre Produktionsvolumina kommunizieren. Die Textilindustrie ist ja eine der am wenigsten geregelten Industrien. Bisher kann jeder produzieren wie er will. Was mit dem Überschuss passiert, bleibt im Dunkeln, ab und zu wirft ein Skandal etwas Licht auf die Praktiken. Hier geht’s zu einer Petition der OR Foundation – die wir mit unserem Charity Secondhand Marketanlässlich 5 Jahre Slow Fashion Blog unterstützt haben.


Secondhand ist, trotz aller auch nicht so guten Seiten (siehe zum Beispiel Artikel hier und hier), (fast) immer besser als neu. Im empfehle zunächst lokale Angebote wahrzunehmen und so lokale Kreisläufe zu unterstützen. In der Zwischenzeit gibt es auch online viele Möglichkeiten. Ich habe einiges ausprobiert und durchwegs gute Erfahrungen gemacht. Kann natürlich auch nicht so gut klappen. Aber das gilt auch für Neuware. Das Thema Fake ist ein Thema für sich, auch da sollte man etwas Zeit investieren und sich kundiger machen. Bei Taschen empfehle ich ganz genau auf die Verarbeitung und die „Hardware” zu achten. Nicht gebrandete Verschlüsse, Reissverschlüsse, Knöpfe, komische Etiketten etc. sind oftmals ein Zeichen für Kopien.
Nochmals zusammengefasst:
Make secondhand your first choice.
Zuerst lokal auf die Suche gehen.
Achtet auf Materialien und Verarbeitung.
Haltet Ausschau nach Flecken und Löchern.
Ich rieche auch immer an den Teilen – wenn etwas muffig ist, gleich waschen oder putzen lassen, mit einem Wodka-Wasser-Spray besprühen oder einen Textil-Reinigungs-Spray verwenden.
Versucht vorab herauszufinden, was euch wirklich gefällt, passt und steht und kauft dementsprechend ein.
Trends kommen und gehen und kommen wieder. Vieles war schon da und findet sich Secondhand.
Übung macht die Meisterin. Lerne gut secondhand einzukaufen, dann braucht es kaum mehr Neues.
Pflegt eure Kleidungsstücke, egal ob teuer oder billig.
Gut gepflegte und hochwertige Kleidungsstücke lassen sich gut weiterverkaufen und weitergeben, auch wenn sie secondhand erworben wurden.
Wenn ein Secondhand-Marken-Kleidungsstück sehr teuer ist, schaut genau hin und/oder lasst es kontrollieren, einige Online-Portale haben Kontrollinstanzen eingebaut.


In unserer Slow Fashion Map South Tyrol sind u. a. lokale Secondhand-Shopping-Möglichkeiten aufgelistet, schaut euch auch um nach punktuellen Initiativen, Kleiderkammern, Swap Parties … Und kauft, wenn möglich, keine Fast und schon gar keine Ultra-Fast Fashion. Und zu guter Letzt: Have fun with your clothes. Es gilt: Styling over Shopping.
Supported by Kauri Store (M), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin.
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