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April 3, 2024

251 Artikel und der Aufruf: Think before you shop

Susanne Barta

Da ist ganz schön was zusammengekommen in den letzen Jahren. In der Zwischenzeit kann man gut und gerne sagen ist eine Art Archiv entstanden zu verschiedenen Themen rund um Slow Fashion, überhaupt zu Fashionthemen. Dass die Textil- und Modeindustrie nicht nur ein großer Klimasünder ist, sondern auch ausbeutende Geschäftsmodelle verfolgt – sowohl in sozialer als auch ökologischer Hinsicht –, zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Blog. Immer aber ist es mir ein Anliegen, auch andere Wege aufzuzeigen, Labels und Leute vorzustellen, die es bereits besser machen. Es geht nicht darum, euch mit schlechtem Gewissen vollzupacken, sondern darum, euch anzuregen, mehr über die eigenen Konsumgewohnheiten nachzudenken, auch das ein oder andere auszuprobieren, und vor allem darum, euch zu insprieren. 

Über 100 Milliarden Kleidungssstücke werden pro Jahr produziert. Es ist leider eine traurige Tatsache, dass ca. 93 % der Textilarbeiter*innen, die all diese Teile produzieren, keinen existenzsichernden Lohn bekommen, und die meisten auch bedenklichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. (Quelle Re/make) Wusstet ihr, dass jede Sekunde ein Lastwagen voll mit Textilabfällen irgendwo auf der Welt – meist im Globalen Süden –  abgeladen wird? Meist sind es noch gut tragbare Kleidungsstücke. Wohin das führt, könnt ihr euch sicher vorstellen. Überquellende Müllhalden, Umweltverschmutzung, Ressourcenverschleuderung, mehr Konsum, mehr Ausbeutung und immer mehr Abfall. Vor allem Fast-Fashion-Billig-Teile landen schnell im Müll oder in Containern. Sie sind nach kurzer Zeit schon nicht mehr trendy, wurden mehr schlecht als recht produziert und sind meist von minderer Material-Qualität. Das heißt nicht, dass die Luxusindustrie viel besser produziert, vor allem nicht in ethischer Hinsicht, aber ein Chanel-Kostüm entsorgt man eher selten einfach so. Und nur 1 % unserer gebrauchten Kleidungsstücke wird zu neuer Kleidung recycelt.Think before you shop 2+3 (c) susanne bartaAuch wenn die letzten Tage wettermäßig ziemlich trist, weil fast komplett verregnet waren, liegt der Frühling doch schon in der Luft. Ich habe drei Frühlingsblusen herausgeholt und mit meiner Lieblingsjeans für diesen Artikel getsylt. Hier: die Bluse ist von Arket, ebenso die Jeans. Hellblaue Bluse zur hellblauen Jeans ist sehr klassisch, zu klassisch für mich. Daher dazu ein neonrosa Nietengürtel, den ich vor über 20 Jahren in Brooklyn gekauft habe, silberne (ziemlich alte) Slingbacks, eine silberne Clutch und zum Rausgehen meine secondhand Military-Jacke. 

Vor kurzem hat die französische Nationalversammlung einstimmig einen Gesetzentwurf verabschiedet, der den Verkauf von Fast-Fashion-Produkten auf der Grundlage ihrer Umweltauswirkungen mit hohen Strafen belegen soll. Das Vorhaben muss zwar noch den französischen Senat passieren, aber wenn es angenommen wird, könnten Brands mit einer Gebühr von bis zu 10 Euro pro Artikel, die als besonders umweltschädlich eingestuft werden, belangt werden. Das wäre mehr oder weniger das Aus oder zumindest ein empfindlicher Dämpfer für die meisten Fast-Fashion-Geschäftsmodelle. Leider geht’s mit unternehmerischer Selbstverpflichtung kaum weiter. Es braucht also Rahmenbedingungen. Immer noch kann in der Textilindustrie zum Beispiel ohne Mengen-Obergrenzen produziert werden. Im Durchschnitt kaufen die Europäer jedes Jahr fast 26 Kilogramm Textilien und werfen etwa elf Kilogramm davon weg. Altkleider können in Länder außerhalb der EU exportiert werden, werden aber größtenteils (87 %) verbrannt oder landen auf Deponien. (Quelle: Europäisches Parlament) Und Schätzungen zufolge wird ein durchschnittliches Kleidungsstück nur 10 Mal getragen, bevor es entsorgt wird. Dies geht aus dem Bericht „Pulse of the Fashion Industry 2018“ der Global Fashion Agenda und der Boston Consulting Group hervor. 

In ihrem  „Fashion Accountability Report 2024” u. a. zum Eregbnis „It remains clear that voluntary corporate social responsibility initiatives are failing both people and the planet.“ 
52 Modeunternehmen wurden anhand von 88 Kriterien bewertet, wie zum Beispiel die Rückverfolgbarkeit der Lieferketten, Löhne und das Wohlergehen der Arbeiter*innen, Handelspraktiken (wie Modeunternehmen ihre Zulieferer behandeln), Rohstoffe, Umweltgerechtigkeit und Unternehmensführung (wer trifft welche Entscheidungen und wie) … Die durchschnittliche Punktezahl lag bei 14 von insgesamt 150 Punkten. Und war damit genauso hoch wie im letzten Jahr. Das sei ziemlich enttäuschend, resümierte Remake. Dem kann ich zustimmen.Think before you shop 4+5 (c) susanne bartaZu Jeans und secondhand Bluse ein Leo-Haarreif, secondhand Pumps und ein Schlangenmuster-Gürtel, mal in einem Chinaladen gefunden. It’s all in the Accessories! Und mein Sezane Trenchcoat. Der beste, den ich je hatte. Nicht zu klein, nicht zu groß, großartiger Schnitt. 

Ich möchte euch hier nicht mit Reports und Zahlen zukleistern, aber sie machen eines deutlich klar: Es geht sehr langsam voran. Viel zu langsam. Worauf ich hinausmöchte: Unser Konsumverhalten hat viel damit zu tun, dass es so langsam vorangeht. Vor einiger Zeit habe ich hier über eine Studie geschrieben, wonach nur 5 Kleidungsstücke pro Jahr neu einziehen sollten in unseren Kleiderschrank, wenn das mit den Klimazielen noch was werden soll. Wir sprechen hier von neuen Stücken. Ich komme da nicht hin, ehrlich gesagt. Aber der Inhalt meines Schranks ist in der Zwischenzeit überwiegend secondhand bzw. sind viele Sachen schon viele Jahre alt. Daher ein erneuter Aufruf: Shop your Closet. Oder den deiner Eltern, Kinder, Geschwister, Freunde und Freundinnen. Oder kaufe Secondhand. Oder tausche. And think before you shop.

Und für alle, die hin und wieder von großen Ketten kaufen – auch ich ab und an von Arket und Cos, seit Jahren nicht mehr Zara und Co., Shein, Temu etc. sind absoluter no-go – gibt Jess Cartner-Morley im Guardian mit auf den Weg: „High-street fashion needn’t be landfill fodder – if you choose your clothes well.“ „Um langlebige High-Street-Stücke zu finden”, schreibt sie, „muss man wissen, wie man einkauft. Der Preiskampf in der Fast-Fashion-Branche hat die Produktionsstandards gesenkt und viele Kleidungsstücke sind nicht mehr gut durchdacht und konstruiert. Aber es gibt immer noch gute Stücke zu finden. Kauft ein in einem Geschäft, nicht online, denn nur wenn man den Stoff mit der Hand fühlt, kann man ihn wirklich beurteilen. Achtet auf das Gewicht und die Qualität der Verschlüsse: Fadenscheinige Reißverschlüsse oder abgebrochene Knöpfe sind ein Zeichen dafür, dass an allen Ecken und Enden gespart wurde.” Think before you shop 6+7 (c) susanne bartaDie sehr mädchenhafte Bluse hab ich vor einigen Jahren bei Humana in Turin gefunden. Ich mag diese Krägen sehr. Damit es aber nicht zu romatisch wird, Leo-Accessoires dazu und eine secondhand Motorradjacke.

Der Frühling ist da. Da wird gerne um- und aufgeräumt, die Frühlingsteile ziehen wieder ein. Ich habe mir vorgenommen, einen Nachmittag zu planen und mal alles, was ich habe, anzuprobieren. Zu schauen, was passt, was verräumt, was umgeändert werden kann, was repariert werden muss, was weitergegeben und was ich wie neu stylen könnte. Styling over Shopping soll die Devise sein. Und hier noch zwei Guides von Wonder-Wardrobe-Gründerin Daria Andronescu, die euch dabei unterstützen können:
Wardrobe Detox Checklist  
Sustainable Fashion Journey Tracker

Fotos © Susanne Barta  

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

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