Italy & Moda

Roberta Redaelli habe ich über Instagram kennengelernt. Auf ihrem Account „Made in Como“ schreibt sie über ihre Region, mit einem Schwerpunkt auf Textilproduktion und Nachhaltigkeit. In diesem Rahmen setzt sie sich auch für mehr Transparenz der dahinterstehenden Lieferketten ein. Como ist nach wie vor bekannt für seine Seidenproduktion, auch für seine Bemühungen, zirkuläre Prozesse in diesem Bereich zu fördern. Die Region produziert in etwa 85 % der italienischen und 70 % der europäischen Seidenstoffe. Vor drei Jahren habe ich hier über Roberta und ihr Projekt „Made in Como“ berichtet. Ein Jahr später kam sie spontan zur Messe Biolife nach Bozen und habe, wie sie meinte, viele Ideen mitgenommen. Mode und Nachhaltigkeit beschäftigen Roberta auch weiterhin, ebenso wie die Entwicklung ihres Territoriums. Derzeit ist sie vor allem als „Key Advisor nella Governance territoriale di Como Città Creativa UNESCO“ aktiv. Und hat vor kurzem ein Buch veröffentlicht, wo sie vieles von dem, was ihr wichtig ist, verbindet: „Italy & Moda. Creatività, Bellezza e Sostenibilità”, erschienen bei Koinè Nuove Edizioni.
In ihrer Feldforschung verbindet Roberta Analysen und Interviews mit Protagonist*innen entlang der textilen Lieferkette. Die Designerin Marina Spadafora ist zum Beispiel dabei, Fashion-Revolution-Co-Gründerin Orsola de Castro, der Südtiroler Designer Roland Kathrein und auch ich mit einem Gespräch darüber, welche Rolle Kommuniktaion dabei spielt, dass sich in diesem Bereich auch wirklich etwas verändert und nicht nur grüne Claims verbreitet werden, die höchstens zu mehr Profit, aber nicht zu einer besseren Modeindustrie und zu einem verantwortungsvolleren Konsumverhalten führen. Das Buch richtet sich an alle, betont Roberta, „die sich der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Verantwortung bewusst sind und sich dafür interessieren.”Bellezza, Schönheit darf in Italien im Zusammenhang mit Mode nicht fehlen. Auch in Robertas Buch nicht. Dabei ist die Definition von Schönheit, die sie wählt, durchaus nicht konventionell, denn schön ist hier das, was auch gut ist: „Bello è buono”. Schönheit, bellezza, ist zum Beispiel auch ein wichtiger Aspekt bei Slow Fiber, in meinen Augen die derzeit interessanteste und wichtigste Initiative in Italien zum Thema Nachhaltigkeit und Fairness in der Textilindustrie. Slow-Fiber-Gründer Dario Casalini hat im Gespräch mit mir dazu u. a. gesagt: „Auch wenn Schönheit subjektiv ist, wir sie nicht für alle definieren können, gilt für uns nur als schön, was auch gesund, fair und langlebig ist.”
Für Roberta geht es in ihrem 280 Seiten umfassenden Buch vor allem darum, das Thema Verantwortung in den Mittelpunkt zu stellen. Verantwortung für die Umwelt und die Menschen, die unsere Textilien herstellen. Verantwortung für unseren Planeten. Und zwar von allen Beteiligten, ob das nun Gesetzgeber, Unternehmen oder Konsument*innen sind. Ausgehend von der Analyse der (textilen) Entwicklung von Como und Umgebung, spannt sie Querverbindungen zu Problemen und Herausforderungen der (globalen) Lieferketten der Textil- und Modeindustrie. Die europäischen Richtlinien und strategischen Vorhaben werden vorgestellt, Made in Italy in den Zusammenhang mit Nachhaltigkeit gestellt und einige konkrete Beispiele, was schon gut oder zumindest besser läuft, dargelegt. Die Möglichkeit, ein ehrliches Made in Italy zu gewährleisten, bestehe vor allem darin, die Strategien der Produktivität zu erneuern und sich den Herausforderungen der heutigen Welt zu stellen, schreibt sie.Mit ihrem Buch war Roberta vor kurzem eingeladen bei der Konferenz „La nuova legge sul Made in Italy: grandi opportunità per nuovi sviluppi”. Italien hat ja mit der neuen Regierung ein einschlägiges Ministerium bekommen: Ministero delle Imprese e del Made in Italy. Und seit heuer gibt es auch einen eigenen Tag, der den Herstellernachweis feiert: Giornata Nazionale del Made in Italy. Made in Italy ist seit langem eine sehr kontrovers diskutiuerte „Marke”, zuviele Skandale, zuviele Schwindeleien haben dazubeigetragen, dass Glaubwürdigkeit und Vertrauen verspielt wurden. Ob sich da etwas reparieren lässt? Mit Nationalismus alleine wird es jedenfalls nicht getan sein.
Gerade hat es ja wieder einen Skandal in der italienischen Luxusindustrie gegeben. Nach Armani muss sich nun LVMH verantworten. Dior ließ über Sub-Kontrakter in der Nähe von Mailand Taschen produzieren, für die in der Herstellung 53 Euro bezahlt wurden – verkauft werden sie um ca. 2.600 Euro –, in Verhältnissen, die nur als „moderne Sklaverei” bezeichnet werden können. „The investigation casts a spotlight on Italian supply chains that high-end brands have long used to burnish their image, using ’made in Italy’ as a short-hand for quality, craftsmanship and ethical manufacturing. But according to investigators, some of luxury’s biggest businesses are making thousand-dollar handbags in illegal sweatshops.“ Nachzulesen u .a. bei Business of Fashion.Vor allem die ethische Dimension der „Herstellung von Nachhaltigkeit” wird in „Italy & Moda” immer wieder aufgenommen. „Sie ist nicht etwas, sondern jemand, sie ist ein Wie”, schreibt Roberta und sie möchte mit ihrem Essay „eine lebendige Kultur schaffen“. Das Buch soll „keine Gebrauchsanweisung sein, sondern ein offener und kritischer Dialog mit denjenigen, die Nachhaltigkeit umsetzen oder zumindest begonnen haben, sie konkret zu verwirklichen, um das Bewusstsein zu schärfen und ein aktiver Teil des Wandels zu werden“. Sie schließt ihr Buch mit folgenden Worten, ich zitiere auf Italienisch, da die deutsche Übersetzung etwas zu blumig klingt: „Dunque la sostenibilità non è l’utopia contemporanea, un puro e semplice concetto disincarnato, ma è empatia con la realtà, le persone e le comunità. Da qui la necessità crescente – che questo libro suggerisce – di leggere il percorso del rispetto dell’ambiente, dei lavoratori e delle materie prime in un’ottica sistemica che metta in circolarità la dimensione del soggetto attivo nelle pratiche positive e virtuose di sostenibilità e i valori che continuamente si arricchiscono di nuovo potenziale sempre e soltanto attraverso le storie.“ „Italy & Moda. Creatività, Bellezza e Sostenibilità“ von Roberta Redaelli ist bei Koinè Nuove Edizioni erschienen.
Und wer auch noch gleich etwas tun möchte, hier ein Aufruf von Woolmark zu klaren Produktbeschreibungen für die Kleidung, die wir kaufen und verkaufen. Könnt/sollt ihr unterschrieben. Ich hab schon.
Fotos: (1, 4, 5, 6, 7) © Koiné Nuove Edizioni; (2, 3) © Susanne Barta, auf GREENSTYLE x Biolife 2021 in Bozen, (3) mit GREENSTYLE-Gründerin Mirjam Smend.
>> Supported by Kauri Store (M), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin <<
Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt‘s hier alle Infos.