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September 26, 2023

„Einfach weitermachen” – Arad Dabiri, Tumler-Literaturpreis-Nominierter und auf der Shortlist Debüt des Österreichischen Buchpreises

Lena Pernthaler

„Ich möchte heute nicht in Wien sein, doch diese Stadt will mich. Zieht mich zu sich. Und am Ende ist es wie eine sehr toxische Beziehung. Heute werfe ich mich unbedarft in dieses große offene Raubtiermaul. Und ich habe Angst, schreckliche Angst. Beinahe täglich sucht mich diese Stadt in meinen Träumen heim. Jetzt bin ich gleich wieder da. Da, wo alles angefangen hat.”
[Auszug aus „DRAMA“ von Arad Dabiri]

Der Wiener Arad Dabiri ist 26 Jahre alt und schreibt in seinem Debütroman „DRAMA“ über Jugend, Rausch, Liebe, Identität und die Großstadt. Er war der jüngste Nominierte des Franz-Tumler-Literaturpreises, deshalb wollte ich ihn interviewen und habe ihn, ganz millennial-like, über Instagram angefragt: „ur gerne”, schrieb er zurück. 

Arad, die Hauptperson in deinem Buch ist ein junger Wiener mit iranischen Wurzeln, der es in Wien nicht mehr aushält und aus der verhassten Stadt nach Berlin zieht. Nur für eine Dinner-Einladung kehrt er in die Stadt seines Dramas zurück. Wie viel von dir steckt in „DRAMA”?

Arad Dabiri: Das ist die Frage, die immer kommt, und am Anfang hat sie mich auch jedes Mal geärgert. Ich gebe zu, das Buch ist so geschrieben, als würde ich grad mein Leben niederschreiben. Das ist aber nicht so. Einige Sachen sind wahr, aber ich würde nie sagen, welche. Am Ende bleibt es Literatur, that’s it. Ich habe mir überlegt, im zweiten Buch mache ich einen Disclaimer davor: Das ist Fiktion, alles kann wahr sein und alles kann falsch sein. Aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es ist nicht mein Drama, das ich da irgendwie geschrieben habe.

Du widmest dein Buch den „Kindern meiner Generation“, wie du auf der ersten Seite deines Buches schreibst – und tatsächlich habe ich auch Nuancen meines Dramas in den Seiten wiedergefunden.

Danke, dass du das sagst! Aktuelles Beispiel: Zwei 18-jährige Schüler sind in Laas zu mir gekommen und haben mir erzählt, dass sie viel im Buch aus ihrem eigenen Leben kennen. Das ist das schönste Kompliment! 

Du wirfst eben Fragen auf, die wir uns in unseren 20ern stellen. Etwa: Wie kann man sich zuhause fühlen? Die Antwort im Buch kommt von einer Berliner Wirtin: Nicht nachdenken. Fühlen. Nicht nachfragen. Fühlen. Fühlt sich Wien für dich wie zuhause an? 

Wien ist meine Heimat, auch wenn das ein schwieriges Wort ist. Ich bin hier geboren und aufgewachsen, wenn ich mal weg bin und dann wieder einen Fuß auf eine Straße setze, die ich kenne, dann bin ich wieder normal. Ich glaub nicht, dass ich irgendwann mal wirklich wegziehen werde. 

Durch dein Buch zieht sich eine Hassliebe zu Wien, die von den schönen Fassaden über das kratzige Korsett bis hin zu überteuerten Kaffeehäusern reicht. Fühlst du auch Hassliebe zur Stadt? 

Ich glaube, das ist automatisch so. Wenn’s dir gut geht, ist es die schönste Stadt. Wenn’s dir nicht gut geht, bleib lieber zuhause. Gerhard Ruiss, ein Tumler-Literaturpreis-Jurymitglied, sagte beim Abendessen in Laas etwas sehr Treffendes: „Wien kann man nicht lieben, nicht hassen, Wien kann man nur leben.“ 

Dein Buch nimmt ein wirklich dramatisches Ende: Das Dinner unter den wiedervereinten Freunden in Wien endet in einem Massensuizid. Ist es eine Warnung oder eine Konsequenz einer Generation, die nach Identität sucht? 

Weil du das Wort verwendest, finde ich es eigentlich eh passend: eine Warnung für alle anderen, dass man genauer hinschauen sollte, was die Kinder der Stadt so machen, und warum sie es machen. Auch ein Appell, auf sich selber zu achten, auch wenn man oft nicht weiß, wie. 

War Schriftsteller schon immer dein Traumberuf? 

Es war, ehrlich gesagt, keine Option. Ich habe in der Schule gemerkt, dass ich schreiben kann: im Deutschunterricht, ohne dass ich mir irgendwas angeschaut habe, habe ich Einsen geschrieben. Dann wollte ich eine Zeit lang Journalist werden, hab verschiedene Praktika gemacht. Vorletztes Jahr gab es dann so einen notgedrungenen Punkt der Entscheidung: und ich habe dieses Buch geschrieben. Und genau dann, als ich gesagt hab, ich mach das jetzt, hat auf einmal alles funktioniert. In einer misslichen Lage bin ich eben All-in gegangen und heute passt das auch so.

Auch wenn wir Millenials das Wort „Zukunft“ nicht so gerne in den Mund nehmen: Was soll sie bringen? 

Die Zukunft bleibt auf jeden Fall schreiben. Mein Theaterstück geht jetzt ins Lektorat. Ich habe innerhalb der letzten vier Monate mein zweites Buch fertig geschrieben, Anfang Oktober gebe ich es meiner Agentin. Danach aber schreibe ich bis Ende des Jahres erstmal gar nichts mehr. 

Was wir auch noch erwähnen sollten: „DRAMA“ ist für den Österreichischen Buchpreis der Shortlist Debüt 2023 nominiert! Gratuliere dazu! 

Danke, ich pack’s noch immer nicht.

Hast du zum Schluss noch eine Message an die Jugend? An die, die das Verlorensein, die Identitätssuche, den Rausch, die Liebe, das Drama, gerade durchleben? 

Einfach weitermachen.

Arad Dabiri, 1997 in Wien geboren und lebend, schreibt Prosa, schreibt fürs Theater, schreibt über das junge Leben in der Großstadt: über Rausch, Liebe und Identität. Da, wo es eben wehtut, oder auch schmeckt. Aus Wien wird er niemals verschwinden. Die Hoffnung bleibt ja, Literatur wieder dreckig zu machen. Irgendetwas zu ändern, zu hinterlassen. Akademischer Zwang treibt ihn zusätzlich in das Studium der (Vergleichenden) Literaturwissenschaft. Bisherige prosaische Veröffentlichungen in Anthologien und Literaturmagazinen. „DRAMA“, erschienen im Septime Verlag ist sein Debütroman.

Foto: Arad Dabiri (c) Anna Radaschütz

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