Keine Lust auf teures Neues

08.01.2025
Keine Lust auf teures Neues

© Susanne Barta

Vor kurzem beim Frühstück, ich weiß nicht mehr genau, worüber wir gesprochen haben, ist mir der Gedanke gekommen, dass ich eigentlich überhaupt keine Lust (mehr) habe, viel Geld für neue Kleidungsstücke auszugeben. Ich setze seit vielen Jahren vor allem auf Secondhand, aber auch da möchte ich nicht allzu viel ausgeben. Natürlich sehe ich immer wieder sehr schöne Sachen. Auch von Designer*innen, die ich kenne. Und widerstehe bei weitem nicht immer. Ich scrolle mich durch jede Menge Newsletter, viele Feeds und Modeblogs, das macht auch Lust auf Neues. Nun hat ein gutes Stück natürlich seinen Preis. Vor allem wenn es fair und nachhaltiger produziert wurde. Bei Luxusmarken ist das wieder eine andere Sache, da geht der Großteil ins Marketing und in den Profit. Algorithmen und das ständige Bombardement mit Werbung schaffen ständiges Begehren und verführen uns viel mehr zu wollen und zu kaufen als notwendig – Lustkäufe miteingerechnet. Manchmal frage ich mich, ob wir heute überhaupt noch herausfinden können, wer wir wirklich sind – stylewise –, da die Infos via Algorithmus mehr und mehr unsere Leben gestalten. Interessant dazu Daria Andronescus Video „Wieso Social Media unseren Stil zerstört“.

Die Camou-Hose ist einer meiner besten Secondhand-Käufe. Sie ist warm, sehr bequem, ich mag den Style und sie hat 5 Dollar gekostet. Die Birkenstocks trage ich seit vielen Jahren rauf und runter und bis zum bitteren Ende, das Leder ist leider auf einer Seite schon etwas aufgebrochen. Die Steppjacke ist von Ecoalf und das Gilet drunter wohl über 15 Jahre alt, die Mütze hat Dave, der Partner meiner Schwester, für American Giants designt, die Tasche ist secondhand und die Handschuhe hat mir eine Freundin weitergegeben, die sind wohl über 20 Jahre alt. © Susanne Barta
About the authorSusanne BartaJe nach Lebensphase und Stimmung beschreibe ich mich anders. Wenn es so etwas wie einen roten Faden gibt, [...] More
Neu kann wirklich neu sein oder auch secondhand „neu“. Ich liebe Abwechslung zu sehr, als dass ich mich auf nur wenige Kleidungsstücke beschränken möchte. Daher habe ich im Laufe der Jahre einige Strategien entwickelt, um zumindest keine Schrankleichen anzusammeln. Ab und zu kommt das natürlich vor und wenn alle Styling-Anstrengungen nix helfen, gebe ich die Stücke weiter. Wenn ich neu kaufe, dann sind es meist gute Basics, die so zeitlos sind, dass ich sie mindestens die nächsten zehn Jahre anziehen möchte und kann. Einen toll geschnittenen schwarzen Blazer zum Beispiel oder wie letztes Jahr einen klassischen schwarzen, weiten Wintermantel. Ich habe lange secondhand gesucht, aber nichts Passendes gefunden. Die Stücke, die mir gefallen, haben oft einen ansehnlichen Preis. Das ein oder andere finde ich mit Geduld secondhand, manche Wünsche vergehen auch wieder. Daher habe ich mir angewöhnt zu warten, denn meist löst sich der Wunsch in Luft auf. Ich finde es absurd, hunderte von Euros für ein Kleidungsstück auszugeben, das meist gar nicht so oft getragen wird. Die Welt ist voll mit Klamotten, wir können einige Generationen nach uns mit dem einkleiden, was schon hier ist. Daher liegt es auf der Hand, erstmal zu schauen, was bereits herumschwirrt. Meine besten Stücke habe ich secondhand gefunden, meist zu sehr erschwinglichen Preisen. Man muss nur lange genug suchen. Lokal oder auf guten Online-Plattformen. Also: secondhand first. Wenn neu, möglichst zeitlos, am besten von besser produzierenden Brands. Dabei zu wissen, was einem gefällt und steht, ist Voraussetzung dafür, im Laufe der Jahre eine Garderobe zusammenzustellen, die mit einem selbst zu tun hat.

 

Die Strümpfe hole ich seit vielen Jahren immer wieder hervor, die Sling-Backs hat mir eine Bekannte weitergegeben, der Rolli ist von Oscalito – kein Winter ohne Oscalito-Rollis – die Bermuda ist so eine Ausnahme: hab sie mit Rabatt zusammen mit einem dazu passenden Blazer beim nachhaltigen Label Lotta Ludwigson gekauft – und der dunkelgrüne Vintage-Prada-Blazer ist ein Geschenk von Eva @pezzidiperla. © Susanne Barta

Eine weitere Strategie habe ich vor kurzem entdeckt. Auch die ist nicht neu, aber ich wende sie ab nun etwas anders an. Kleidungsstücke saisonal wegzuräumen finde ich eine sehr gute Sache. Es macht jedes Mal Freude, die mehrere Monate verstauten Stücke wiederzuentdecken. Im Dezember war ich zwei Wochen in Uganda und habe dort natürlich Sommersachen getragen. Als ich zurückkam, war ich sehr angetan davon, was so alles im Schrank hängt. Nur zwei Wochen haben ausgereicht, um mich wieder mit viel Enthusiasmus meinen Wintersachen zuzuwenden. Nun kann man nicht alle paar Wochen in eine andere Jahreszeit fliegen, daher mache ich es jetzt so: Ich räume auch einen Teil der Wintersachen für einige Zeit weg und hole sie erst später wieder hervor. Wenn nur ganz wenige Teile im Schrank hängen funktioniert das natürlich nicht. Aber ich kenne ehrlich gesagt niemanden, die so minimal unterwegs ist.

Der neonpinke Wollpulli ist von Best Secondhand Riffian, die Isabel Marant Jeans von Kleopatra, Rolli Oscalito und Wollmantel Arket. © Susanne Barta

Ganz ohne Style-Vorsätze bin ich nicht ins neue Jahr gestartet. Ich habe mir vorgenommen, wöchentlich zwei bis drei Stunden Zeit zu nehmen, um das, was ich habe anders als bisher zu kombinieren. Styling over Shopping  ist nix Neues, aber man muss es dann eben auch tun. Darin, denke ich, liegt der größte Spielraum: immer wieder Freude an dem zu haben, was bereits im Schrank hängt. Etwas anders ausgedrückt: „Fashion is what you buy, sauce is how you wear it”. 

Sachen, die ich schon habe, upzucyclen, ein wenig zu verändern, mag ich auch gerne. Zum Beispiel Fransen an ein geswapptes weißes Hemd nähen. Die Fransen lagen schon seit längerer Zeit in einer Schublade, ich wollte sie an die Hosenbeine einer alten Jeans nähen. Hab es dann aber doch nicht gemacht, weil ich nicht sicher war, ob ich das wirklich anziehen möchte. Dann sah ich meine Schwester, die Fransen an einen Hemdkragen genäht hat und hab es mit ihrer Erlaubnis nachgemacht. Super! Das Hemd werde ich jetzt viel lieber anziehen. Fotos dazu in einer nächsten Styling-Stories.

Dann gibt es natürlich Ausnahmen, dass ich etwas mehr ausgebe für Kleidungsstücke. Aber in letzter Zeit kommt mir auch dazu die Lust abhanden. Vielleicht hat es mit meiner Afrika-Reise zu tun, gesehen zu haben, mit wie wenig sich die Frauen dort cool und individuell kleiden. Guter Stil hat erstaunlich wenig mit Geld zu tun. Das war mir noch nie so klar wie in Uganda. Habt ihr die bisher erschienenen Artikel dazu schon gelesen? Eins und zwei. Um interessante und erschwingliche Secondhand Pieces mache ich wohl auch in Zukunft keinen Bogen, um anderes, so nehme ich mir vor, schon.

Zur Camou-Hose eine Vintage YSL-Jacke, true and trusted Birkenstocks und meine neon-orange Catskill-Outpost-Mütze. © Susanne Barta

Supported by Kauri Store (M), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin. Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt’s hier alle Infos.

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