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June 5, 2024

Global Fashion Summit – Reshaping the Fashion Industry

Susanne Barta

Um die Industrie wirklich zu verändern, braucht es vor allem Aktion. Nicht irgendwann, nicht morgen, sondern heute. Es geht zu langsam. Das lässt sich – in meinen Worten zusammengefasst – als gemeinsamer Nenner eigentlich aller Panels formulieren. Die Herausforderungen und Probleme der Modeindustrie sind vielfältig, vor allem aber komplex. Einfache Lösungen gibt es nicht. Fashion Pact Co-Chair Pol Polman, den ich schon im letzten Artikel erwähnte, stellte in seiner Keynote fest: „progress is still outplaced by the problems.“ Aber es führe nichts darum herum, von einer linearen, abfallintensiven Industrie, zu einer zirkulären zu kommen, von Fast zu Slow Fashion. Leichter gesagt, als getan. Die großen Player haben nicht unbedingt großes Interesse daran, das System, das ihnen satte Profite beschert, zu verändern. Nachhaltigkeit und Fairness kosten Geld. Dennoch kommt immer mehr Bewegung in Sache, das war auch bei einigen Gesprächen auf dem Summit zu beobachten. Der Druck sich zu bewegen steigt offensichtlich.Global Fashion Summit_2_1 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Auch wenn die Schalthebel der Industrie immer noch überwiegend von Old School Managern besetzt sind, stimmte die Präsenz vieler junger Professionals auf dem Summit hoffnungsvoll. Die Global Fashion Agenda hat eine eigene Next Gen Assembly ins Leben gerufen, „um talentierte Student*innen und junge Professionals in einem Lobbyprogramm zusammenzubringen, das der nächsten Generation nicht nur Zugang zur Branche, sondern auch Gehör verschafft und dabei ihre Ideen fördert“. Global Fashion Summit_2_3-4 (c) Susanne BartaDie Auswirkungen der Modeindustrie auf das Klima waren natürlich immer wieder Thema. Interessant wäre es dazu auch einmal einen ausgewiesenen Klimaforscher aufs Podium zu bringen. Theoretisch ist man sich zwar mehr oder weniger einig, dass, um den Impact zu verringern und Veränderungen voranzutreiben, die mehr als Kosmetik sind, es vor allem die möglichst durchgängige Transparenz der meist globalen Lieferketten braucht. Davon ist die Industrie aber nach wie vor weit entfernt. Das Panel „Decarbonisation Data: Fashions Emissions“, u. a. mit Payal Luthra, WWF Global Apparel & Textiles Lead und Nicolaj Reffstrup, Co-Gründer des dänischen Erfolgslabels Ganni, thematisierte etwa, dass es kollektives Handeln brauche zur Schließung der Datenlücken in der Modebranche und es darum gehe, einen verbindlichen Rahmen zu setzen und Methoden bereitzustellen, um den branchenweiten Impact zu quantifizieren. Die Emissionen der Modebranche sollten ja bis 2030 halbiert werden – wie überhaupt der weltweite Ausstoß –, das Apparel Impact Institut hat jedoch vorgerechnet, dass die Emissionen in dieser Zeit voraussichtlich um 40 % steigen.Global Fashion Summit_2_5 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Die Modeindustrie ist eine globale Industrie. Egal in welchem Land CO2 ausgestoßen wird, die Auswirkungen sind immer global. Die internationale Zusammenarbeit ist jedoch schwierig. Und wird offensichtlich immer schwieriger, da nationale Interessen zunehmend im Vordergrund stehen. Optimistischer stimmt da, wenn man sich im Konkreten umschaut. Labels, die umsichtig produzieren, neue Business-Modelle, die auf den Weg gebracht werden, immer neue Advocacy-Plattformen, die entstehen, Aktivist*innen, die sich zu Wort melden, engagierte Journalist*innen, die das Thema weitertragen und die Öffentlichkeit sensibilisieren (da zähle ich mich dazu), Forschung und Innovationen, die Veränderungen möglich machen und so weiter und so fort. Die GFA entwickelte zum Beispiel das Trailblazer Programme, wo vielversprechende Early-Stage-Innovator*innen der Modebranche Unterstützung bekommen. Und deshalb gab es auch ein Innovationsforum auf dem Summit, wo Neues aus der Branche präsentiert wurde. Zum Beispiel die Plattform Reverse Ressources, die globales Textil-zu-Textil Recycling digitalisiert, skaliert und Player miteinander verbindet. Einer der Projektpartner ist Closed Loop Fashion, die Gründerin Marina Chahboune hat auf dem Summit verschiedene Leadership-Panels moderiert und die Initiative (mit-) präsentiert. Über Marinas Arbeit gibt’s bereits zwei Blog-Artikel – hier und hier – ein weiterer folgt in den nächsten Wochen.Global Fashion Summit_2_6 (c) Susanne BartaSpannend auch das italienische Projekt Eso Recycling, wo (Textil-) Abfall zur Ressource wird und aus Sport- und Plastikabfällen ein neues Material entsteht, das sich zum Beispiel als Boden für Spiel- und Sportplätze ideal eignet. Gründer Nicolas Meletiou hat sich nicht damit abgefunden, dass Abfall vielfach immer noch gedankenlos entsorgt wird, und hat schon früh seine eigene Recycling-Cycle-Philosophie entwickelt.Global Fashion Summit_2_7-8 (c) Susanne BartaÜberrascht hat mich, dass OVS, das führende Unternehmen auf dem italienischen Markt für Damen-, Herren- und Kinderbekleidung, sehr intensiv an seinem Nachhaltigkeitsprogramm arbeitet. Simone Colombo war Speaker beim Panel „Tackling Transparency: From Farms to Fabric”. Er leitet seit 2016 den Bereich Corporate Sustainability bei OVS. Das Unternehmen wurde im Fashion Transparency Index 2022 von Fashion Revolution bereits zum dritten Mal als die transparenteste Marke unter 250 Marken eingestuft. Auch auf dem Transparency Podium vertreten waren der US-Baumwollproduzent Mead Hartwick und U.S. Cotton Trust Protocol Stakeholder Engagement Managerin Tara Luckman, die über die Herausforderungen sprachen, nachhaltige und transparente Baumwoll-Produktion in den USA voranzutreiben.Global Fashion Summit_2_9 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Immer wieder Thema war die unfaire Gewichtung in den globalen Lieferketten in Bezug auf faire Entlohnung. Hier sind wir ja eher Bad News gewohnt, im Panel „Towards Binding Agreements on Wages“, gab es dazu aber auch mal Good News: Der US-amerikanische Bekleidungskonzern PVH, H&M und Asos haben mit der globalen Gewerkschaft IndustriALL verbindliche Verpflichtungen unterzeichnet, um sicherzustellen, dass endlich ein Tarifvertrag zur Anhebung der Löhne in Kambodscha zustande kommt. Die Vereinbarung gilt zwar nur für die Fabriken, die sich zur Unterzeichnung entschlossen haben, nicht für die gesamte Branche, aber immerhin stehe eine Vereinbarung nun kurz vor dem Abschluss. Was sich immer mehr herauskristallisiert, ist, dass sich das Thema faire Löhne von Freiwilligkeit auf gesetzlich bindende Vereinbarungen zubewegt. Gut so.Global Fashion Summit_2_10-11 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Nur 3,5 % der globalen Fashion Industrie ist bisher zirkulär, das ist eine der Zahlen, die zum Thema Circular Fashion die Runde machte.  „Redesigning and reshaping the process” sei daher auf allen relevanten Ebenen wichtig. Das Panel „Elevating the Consumer-Citizen Role” hat sich mit den komplexen Beziehungen zwischen Fashion Brands und Konsument*innen, besser Bürger*innen, beschäftigt. Dabei ging es um die gemeinsame Verantwortung beider Akteure für den wirtschaftlichen Kreislauf, mit einem Schwerpunkt auf verbindliche Kriterien und entsprechende Ansätze für Design, Styling und das Tragen von Kleidung. Shona Quinn, zuständig für Social Consciousness bei der New Yorker Brand Eileen Fisher hat gleich zu Beginn festgestellt: „Wir tragen 20 % unseres Kleiderschranks 80 % der Zeit.“ Um Überproduktion und Überkonsum entgegenzuhalten, brauche es ein neues Mindset, das Consumer-Mindset sei in dieser Form nicht zukunftsfähig. Mit dabei war auch die dänische Designerin Cecilie Bahnsen, die verstärkt auf Upcycling setzt und im neu eingeführten Made-to-Order-Programm ausschließlich Designs aus Stoffresten herstellt. Für besser produzierende Brands ist es ja gerade gar nicht leicht. Vor kurzem hat Mara Hoffman, eine Pionierin nachhaltiger, hochwertiger Mode, angekündigt, ihre Aktivitäten einzustellen.Global Fashion Summit_2_12-13 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Es waren, wie gesagt, spannende und intensive Tage. Weitere Artikel mit Teilnehmer*innen und Speaker*innen des Summit folgen in den nächsten Wochen und Monaten. GFS-Gründerin Eva Kruse, die auf 15 Jahre Fashion Summit zurückblickte, resümierte: „The conversation is out there, but there is still not enough action.“ Die Industrie wird sich wohl nur dann verändern, wenn sich die Politik dazu aufmacht, entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen und die Grundlagen dafür schafft, dass Menschenrechte und Nachhaltigkeit nicht mehr optional, sondern verbindlich sind. Dass ein Summit alleine keine Systemveränderung leisten kann, liegt auf der Hand. Die Gespräche und Begegnungen, die dort stattfinden, die Initiativen, die auf den Weg gebracht werden, weisen jedoch in die richtige Richtung. Ob das Vorhaben für diese Ausgabe „Unlocking the Next Level“ gelungen ist, werden die nächsten Monate zeigen. Denn ohne Umsetzung bleibt jedes auch noch so gute Gespräch in der Luft hängen. 

Fotos: (1, 2, 5, 9–13) © Global Fashion Agenda/Global Fashion Summit 2024; (3, 4, 6–8) © Susanne Barta

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