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September 13, 2023

We are all copycats

Susanne Barta

Wir lassen uns inspirieren, wir kopieren und folgen (dem ein oder anderen) Trends. Fast alle tun wir das in irgendeiner Form. Es wäre erstaunlich, wenn wir es nicht täten. Denn wir Menschen sind nun mal neugierig, schauen gerne, was die anderen tun und auch wie sie es tun. Viele Stylist*innen/Influencer*innen empfehlen Pinterest, wenn es darum geht, sich Style-Inspirationen zu holen. Fast alles war ja in irgendeiner Form schon da, wurde schon von jemandem getragen und kombiniert. Man sehe sich nur Fotos der kürzlich verstorbenen Stil-Ikone Jane Birkin auf Pinterest an und schon sieht man Styles, die einem nicht nur historisch bekannt vorkommen, sondern die man zum Beispiel an Alexa Chung, Leandra Medine Cohen, Jeanne Damas oder den Scandi-Damen gesehen hat oder sieht. Contemporary und individuell angepasst. copycats_3 (c) Susanne BartaFür die Looks habe ich einen Blick in mein Pinterest Moodboard geworfen, mich von drei Outfits inspirieren lassen und sie auf meine Art und Weise nachgestylt. Den Anfang macht Alexa Chung. Latzhosen habe ich schon als Mädchen geliebt. Nach langer Latzhosen-Pause hängen nun wieder zwei aus Jeans in meinem Kleiderschrank. Die eine vor einigen Jahren Secondhand erworben, diese hier im Bild von The Bad Seeds Company bekommen. Sie ist aus Hanf und sehr angenehm zu tragen. Dazu eine Secondhand-Seidenbluse, die ich schon viele Jahre gerne trage, und Sneakers von Everlane.

Sich in der ganzen und vor allem ständigen Bilderflut soweit zurechtzufinden, dass man sich darin nicht gänzlich verliert – oder überhaupt erst findet – ist gar nicht so einfach. Wer kennt sich schon gut genug und ist entsprechend selbstbewusst, das zu tragen, worin man sich wirklich wohl und nicht verkleidet fühlt? Mir passiert das immer wieder: Ich sehe was, denke „oh cool“ und möchte es an mir ausprobieren. In der Zwischenzeit bin ich schlau genug, erst mal zu warten und zu versuchen zu verstehen, ob ein Teil (oder Look) überhaupt zu mir passt, wie ich es kombinieren könnte, ob es wirklich einen Unterschied in meinem Kleiderschrank machen würde, bevor ich mir (Secondhand) etwas kaufe. Oder ob ich den Look mit dem, was ich schon habe, zusammenstellen kann.

Jedenfalls probiere ich gerne einiges aus, scrolle mich durch viele Feeds und Fotos und schaue mir verschiedenste YouTube-Videos an. Manchmal finde ich belanglos, was ich sehe, manches ist schlichtweg schauerlich, manches inspiriert mich. Ab und zu scrolle ich mich auch durch die Kommentare unter Fashion-Tutorial-Videos. Das kann recht erhellend sein. Offensichtlich sind viele Leute sehr unsicher in ihrem Ausdruck und sehr dankbar für jeden Tipp. copycats_5 (c) Susanne BartaWas Leandra Medine Cohen gelingt, gelingt wenigen finde ich. Nicht nur hat sie einen exzellenten Geschmack, sie hat auch Humor und schreibt mit viel Esprit und Klugheit über Mode. Mein Samtanzug ist von Violeta Nevenova, sie hat ihn mir geschenkt, da sie ihn selbst nicht mehr anzieht. Dazu ein Männerhemd, das ich bei einem Kleidertausch mitgenommen habe, und alte Mary Janes. Der Gürtel ist von Bogner und Secondhand. 

Ich lasse mich gerne inspirieren. Aber ich möchte auch inspirieren. Und informieren. Sich wirklich mit dem zu beschäftigen, was Mode ist, was dahintersteckt und wie man sie besser machen kann. Und sich dabei nicht zu sehr in seinem eigenen Stil beirren zu lassen. Der sich natürlich immer wieder auch verändern und verschiedene Facetten haben kann. Stichwort Buffet Dressing. Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen, vor allem ältere Frauen in ihrem Selbstausdruck zu stärken. Ich bin 56 und klar, ich kleide ich mich nicht wie eine 20-Jährige. Aber sich als Frau abzumelden, immer unsichtbarer zu werden, nur weil man älter wird, nein, das sicher nicht. Spiel und Spaß im Selbstausdruck haben kein Ablaufdatum. Deshalb habe ich zu meiner journalistischen Slow-Fashion-Arbeit, wo ich auch visuell zeige, dass man Spaß an Mode haben und dennoch verantwortlich handeln kann, begonnen, meine Coaching-Arbeit mit persönlicher Stilberatung, mit Reflexions-, Selbstbewusstseins- und Präsenztraining zu verbinden. Wenn euch das interessiert, meldet euch.copycats_7 (c) Susanne BartaDie Designerin Jenna Lyons hat von 2010 bis 2017 das damals etwas verschlafene amerikanische Label J.Crew als Executive Creative Director zu ungeahnten Höhen gebracht. Ihr Style wurde und wird international gefeiert. Meine Bluse ist Secondhand und ein Geschenk meiner Schwester, ebenso die Loafer (nicht Secondhand, aber von J.Crew aus Jenna Lyons Zeit), die Hose ist von Violeta Nevenova, sie trägt sie nicht mehr und hat sie mir geschenkt. Das Samtband habe ich mir Anfang des Jahres mal in einem Stoffgeschäft gekauft.  

Zurück zum Thema Kopieren. Wie gesagt, wir tun es alle, nicht zuletzt Designer*innen. Ich möchte dazu die Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer zitieren, die im Interview für meinem Blog über Tracht und Identität u. a. gesagt hat: „Wenn heutige Designer*innen auf Muster, Farbkombinationen von kulturell und territorial lokal konzentrierten Stilen zurückgreifen, die von Wissenschaftlern des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts als spezifisch-ethnische Merkmale befunden wurden, zitieren sie, mehr nicht. Da die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts durchlässig ist, sich unentwegt weltumspannend im Austausch befindet, muss das Konzept der geschlossenen Homogenität eines Volksgeistes und seiner Entäußerung aufgegeben werden. Was vielleicht viele Jahre und Beschreibungen als „typisch“ galt – also lokal verortet werden konnte –, kann als stilistische Besonderheit zitiert wie weiterentwickelt werden. Das muss Designer*innen zugestanden werden. Wer Folklore oder Volkskultur als Kulturdiktat betreibt, sollte wissen, dass das Prinzip solcher Praktiken immer schon abschauen, kopieren und begehren der anderen war. Da hat eine talentierte Frau sich was geschneidert oder bestickt, die Nachbarin oder Tante, Base oder wer immer haben es gesehen, es hat ihnen gefallen und sie haben dem Begehren nachgegeben und Ähnliches geschaffen oder nachgemacht. So verbreiteten sich Muster, genau so entstanden Stile, Mode, Trends – damals wie heute.“ Das ganze Interview findet ihr hier.copycats_9 (c) Susanne BartaDas Foto zeigt einen Look von Isabel Marant aus ihrer Resort Kollektion 2024. Isabel Marant gefällt mir vom Stil her sehr gut. Sie arbeitet überwiegend konventionell, über erste Schritte Richtung Nachhaltigkeit spricht sie zum Beispiel in diesem Interview. Sie selbst empfiehlt: „Einfach nicht mehr konsumieren”. Meine Jeans-Shorts sind einige Jahre alt. Der Blazer ist Secondhand von The Kooples/Best Secondhand Riffian, den Body hat mir meine Schwester vor Jahren aufgeschwatzt, ist eigentlich ein Badeanzug, aber way too much für mich und mein Alter als Badeanzug (an den Seiten ist alles Spitze und einsichtig), Stiefletten Secondhand.

In diesem Sinne: Lasst euch inspirieren. Seid kreativ. Make it your own. Und shoppt vor allem euren eigenen Kleiderschrank. Slow Fashion rules.

Wo und wie lasst ihr euch inspirieren? Wie sicher fühlt ihr euch in eurem Ausdruck? Schreibt mir!

Fotos: (1, 3, 5, 7, 9) © Susanne Barta; (2) © Pinterest_Alexa Chung; (4) © Pinterest_Leandra Medine Cohen; (6) © Pinterest_Jenna Lyons; (8) © Pinterest_Isabel Marant_Resort_2024 

>> Supported by CORA happywear (M), Kauri Store (M), Oberalp Group (XL), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

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Comments

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There are 2 comments for this article.
    • Susanne Maria Barta · 

      Vielen Dank Elsbeth. Freue mich sehr über dein Feedback. Manchmal hab ich nämlich das Gefühl in das weite Universum hinaus zu schreiben. Die Südtiroler*innen sind offensichtlich nicht sehr kommentierfreudig. Thanxxxx

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