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December 27, 2018

Ejaculation: Essi Rossi und Julia Rosa Peer bringen ein Tabuthema auf die Bühne

Sophie Huber

Ein Sprudeln der Gefühle, ein Ausstoß der Lust, ein Freudenfluss – die weibliche Ejakulation. Die Frauen des 21. Jahrhunderts haben beim Thema Gleichberechtigung viel erreicht, so sagt man zumindest. Doch auch heute noch scheint es so, als hätte die weibliche Lust nur Platz in feuchten Männerträumen und Pornos. Andererseits berichteten schon die Vertreter der Hippokratischen Schule sowie der Philosoph Aristoteles über dieses Phänomen.

Ejaculation Innsbruck (c) Kansallisteatteri 45511607832_b4a6451d8d_oAuch in der arabischen Medizin und im Kamasutra ist die weibliche Ejakulation schon lange Thema. Das Unwissen darüber ist jedoch immer noch groß. Sogar einige Gynäkologen sind der Meinung, dass es sich dabei nur um einen Mythos handelt. Jeder kennt zwar die männliche Ejakulation, doch nicht alle die weibliche. Weder im Sexualkundeunterricht und auch selten unter Freundinnen wird darüber gesprochen. Das Problem: Das Verschweigen schafft Unsicherheit unter jungen Mädchen und Frauen. Sie verstehen nicht, was mit ihrem Körper passiert, schämen sich dafür und können sich ihrer Lust nicht ungehemmt hingeben. Ejaculation Innsbruck (c) Kansallisteatteri 45511608132_7e8a8f2e6a_o

Das wollen die österreichische Schauspielerin und Autorin Julia Rosa Peer und die finnische Regisseurin Essi Rossi mit ihrer Theaterperformance „Ejaculation“ ändern. Der Titel ihres Stückes (aufgeführt Ende November/Anfang Dezember 2018 im Brux Freies Theater Innsbruck) kann zweideutig gelesen werden: einerseits die weibliche Ejakulation als sexuelles Lusterlebnis und andererseits bedeutet „to ejaculate“ im Englischen auch so viel wie „seine Stimme erheben“. Es geht darum, das zu sagen, was man will und als Frau über die eigene Sexualität zu bestimmen. Die beiden Regisseurinnen konkretisieren diese Gedanken mit dem Satz: Do you know what you want and say it out loud? (Weißt du, was du willst und sprichst du es auch laut aus?)

Ejaculation Innsbruck (c) Kansallisteatteri 45511608332_ae1e8012c8_oDas Stück ist eine dokumentarische Performance und basiert auf Interviews, die Julia Rosa Peer lieber als Begegnungen bezeichnet. Im Stück werden die Originalstimmen der Sprecherinnen eingespielt und Schauspielerin Julia Rosa Peer tritt in eine Art Dialog beziehungsweise Begegnung mit den Frauen. Sie stellt ihnen Fragen, nimmt Bezug und fragt sich auch immer wieder selbst. Dem Stück liegt eine zwei Jahre lange Recherche zu Grunde. Es war nicht einfach, Frauen zu finden, die offen und ehrlich über ihre Sexualität sprechen. Außerdem war es den Regisseurinnen wichtig, dass möglichst Frauen aus verschiedenen Kulturen ihre Stimme erheben (to ejaculate also). Dabei geht es nicht darum, kulturelle Unterschiede hervorzuheben, sondern Gemeinsamkeiten aufzuzeigen und sich zu fragen, was man voneinander lernen kann. Die Unsicherheit, was die weibliche Sinnlichkeit betrifft, ist ein weltweites Problem. Im Stück geht es um mehr als das Sekret, das beim weiblichen Orgasmus freigesetzt wird und Spuren im Bettlacken hinterlässt; es geht darum, Spuren in den Köpfen der Menschen zu hinterlassen, damit die weibliche Sexualität nicht länger als Tabu gelten muss.

Fotos: Ejaculation Innsbruck (c) Kansallisteatteri  

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