„Nur gut auszusehen war mir immer zu wenig”
Model, Coach und Future-Fashion-Aktivistin Martina Gleissenebner-Teskey

© Martina Gleissenebner-Teskey
© Martina Gleissenebner-Teskey
Diese Frau hat offensichtlich viele Talente. Und sie setzt sie vor allem für zukunftsweisende Projekte ein. Martina Gleissenebner-Teskey studierte Kommunikation in Verbindung mit Ökologie und Psychologie, spricht vier Sprachen, hat in den 90er Jahren gemodelt, jetzt tut sie das wieder, sie vertrat österreichische NGOs beim UN-Weltgipfel Rio+5, hat die nachhaltige Lifestyle-Messe OEKOSTYLE 1998 in Österreich organisiert, das Charisma-Konzept entwickelt und sie war 2022 die erste Best-Ager-Finalistin bei Germany‘s Next Top Model by Heidi Klum. Martina wird heuer 54, ich habe sie vor kurzem beim GREENSTYLE Pop-up auf der Internationalen Handwerksmesse in München kennengelernt. Mit ihrem neuesten Projekt walk4future möchte sie u. a. Lust darauf machen, sich für eine nachhaltigere Zukunft der Mode einzusetzen. Wie, das erzählt sie im folgenden Interview. Jedoch gleich vorweg: Martina Gleissenebner-Teskey wird zu Fashion For Future Bolzano kommen. Im Rahmen unserer Abschlussveranstaltung am 16. April spricht sie über ihre Aktivitäten und ihr neues Projekt.

Einige Dinge sind da zusammengekommen. Zunächst, ich gehe schon mein ganzes Leben sehr gerne, Gehen – im realen und übertragenen Sinne – macht mich aus. Das zweite ist, dass ich durch GNTM (Germany’s Next Topmodel) ziemliche Bekanntheit erreicht habe und mir daraufhin Marken ständig etwas zuschickten, das ich nicht gebraucht habe. Sie erwarteten von mir als Influencerin, ihre Produkte in die Kamera zu halten und etwas darüber sagen. Mir ging das auf die Nerven, ich bin ja kein Warenlager. Und so habe ich mir überlegt, was ich nun Sinnvolles machen kann mit dieser Bekanntheit. Es ist ja Wahnsinn, was wir alles brauchen sollen, um uns gut fühlen. Die Industrie sagt uns ständig, dass wir nicht gut oder schön oder jung genug sind und dafür ihre Produkte kaufen sollen. Und plötzlich war dieses Projekt da, mit dem Anliegen, hier mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein zu schaffen.
Mehr Aufmerksamkeit in Richtung Industrie oder in Richtung Konsument*innen bessere Entscheidungen zu treffen?
Grundsätzlich müssen die Lösungen von der Industrie kommen, man kann das nicht auf Konsument*innen abschieben. Aber wir haben Möglichkeiten, auf die Industrie einzuwirken, zum Beispiel, weil wir dies oder jenes nicht mehr kaufen. Natürlich geht’s vor allem um Mode bei mir, das ist der Bereich, aus dem ich komme und in dem ich auch bekannt bin.

Der erste Walk ging letztes Jahr nach Paris zur Haute Couture Fashion Week, der zweite startet nun am 1. Mai in Amsterdam …
Ende April bin ich in Amsterdam zur Sustainable Apparel and Textiles Conference eingeladen. Von dort starte ich dann und gehe ca. bis Frankfurt, nehme einen Bus und fahre nach Łódź, wo ich auf der Urban Future Conference eine Session leite. Diese Veranstaltung wird am 20. Mai mit einer Sustainable Fashion Show eröffnet, wo ich auch dabei bin. Spätestens am 23. Mai bin ich wieder zurück, da findet ein Shoot statt. Die gesamte walk4future-Aktion dauert aber den ganzen Mai über, um möglichst viele zu motivieren, mitzumachen. Das Motto heuer lautet „Walk MORE, Spend LESS, Invest BETTER!”. Ich möchte dazu anregen, sich mehr zu bewegen und einen Monat darauf zu verzichten, neue Kleidung zu kaufen. Unter denen, die dabei sind und das schaffen, werden am Ende Gutscheine verlost von nachhaltigen Bekleidungsunternehmen. Auf der Website kann man sich für diese Challenge anmelden.

Soll der Walk jedes Jahr stattfinden?
Das wäre schön! Beim ersten Mal war es so, dass zwar viel in den Medien berichtet wurde, ich aber nicht so viele Leute mitnehmen konnte, wie ich mir erhofft hatte. Es braucht einfach Zeit, bis sich etwas etabliert. Mir ist wichtig, etwas Sinnvolles zu tun, für mich und für andere. Nur Glamour interessiert mich nicht.
Wie hat sich dein Engagament für eine bessere Mode entwickelt?
Fashion war schon immer ein Thema für mich. Wobei es weniger um Marken ging, als darum, mich mit Kleidung auszudrücken. Kleidung als persönliches Ausdrucksmittel ist essentiell. Dazu kam, dass ich schon immer sehr umweltinteressiert war, gerne wäre ich in die Umweltpolitik gegangen, gleichzeitig wollte ich auch Model werden. Es war also immer beides. Nur gut auszusehen war mir immer zu wenig. Es ist Mittel zum Zweck, aber nie der Zweck an sich.

Ist Slow Fashion deiner Meinung nach immer noch ein Nischenprogramm?
Ich bin ein sehr positiver Mensch, sehe das aber recht fatalistisch. Wenn wir den Menschen von der Psyche her so nehmen, wie er gestrickt ist, ist er auf Energieoptimierung ausgelegt und macht daher das, was am einfachsten geht. Deswegen ist es auch ganz logisch, warum Fast Fashion boomt. Ich glaube daher, dass Slow Fashion immer nur ein Minderheitenprogramm sein wird. In den 1990er Jahren habe ich die erste Messe für nachhaltigen Lebensstil organisiert und, wenn ich zurückschaue, was damals im Messeheft stand, war es genau dasselbe, was wir auch heute sagen. Fast all die Lösungen waren schon da, es hat sich also kaum etwas verändert. Warum das so ist? Weil wir in einem System leben, das Effizienz bedient, das immer günstiger und immer mehr und immer schneller bedient. Wir werden ja auch immer mehr. Das ist nicht zurückzuschrauben, denke ich.
Heißt das, wir müssen mit den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, einfach leben lernen müssen?
Ich bin immer wieder fasziniert, welche Lösungen wir finden, was Menschen alles einfällt. Da habe ich auch Hoffnung. Ich glaube, sicher nicht mit meinem Engagement die Welt retten zu können. Aber ich glaube, dass es für mich und auch für viele andere Sinn macht oder machen kann. Ich bin überzeugt davon, dass die, die etwas tun, auch ein besseres, für sie persönlich sinnvolleres Leben leben. Aber solange wir dieses kapitalistische System haben, wird sich im Großen und Ganzen wenig ändern.

Gibt es etwas, von dem du gesehen hast, dass es funktioniert, etwas, das die Leute mitnimmt, sie inspiriert? Belehrung hilft ja bekanntlich wenig …
Ich habe gesehen, dass sich die meisten Menschen inspirieren lassen von Leuten, von denen sie glauben, dass sie Erfolg haben, denen es gut geht und die Spaß haben. Das habe ich bei Germany’s Next Top Model erfahren. Jahrzehntelang habe ich mich mit großer Hingabe und auch großem Einsatz in Training und Coaching darum bemüht, Menschen in ihrer Selbstentwicklung zu unterstützen – aber was war das dann für ein Hebel, sich bei so einer Sendung zu zeigen, soviele Menschen zu erreichen und auch zum eigenen Handeln zu inspirieren. Ich beobachte, dass viele nachhaltige Fashion Brands viel zu elitär kommunizieren, viel zu ausschließend unterwegs sind. Die große Masse ist nicht schlecht oder blöd, aber die meisten bevorzugen Leichtigkeit oder haben Angst, durch große Veränderungen sich selbst und dem eigenen Lebenstil zu schaden. Dessen bin ich mir bewusst und deshalb ist mein Projekt einfach das Angebot, den nächstmöglichen Schritt zu machen. Viele kleine Schritte von vielen Menschen bringen uns sehr weit. Das möchte ich zeigen.

Hinter Leichtigkeit steckt aber doch meist viel Arbeit?
Ja, das macht es auch nicht immer einfach, denn es ist ja nicht immer leicht. Gleichzeitig wollen das die Leute nicht wissen. Sie möchten das Resultat haben. Diese Schwere will niemand, auch ich nicht. Ich muss auch nicht unbedingt hören, wie sehr jemand für etwas gelitten hat. Wir brauchen diese Leichtigkeit für eine gute Zukunftsvision. Wir brauchen die Hoffnung der Machbarkeit.

Was wünscht du dir für diesen Walk?
Ich wünsche mir, dass ich das Gehen noch mehr genießen kann als beim letzten Mal. Und ich hoffe, dass viele Menschen mitmachen, sich der Challenge stellen, einen Monat lang mehr Bewegung zu machen, darauf verzichten, neue Sachen einzukaufen und sich stattdessen mit dem beschäftigen, was sie schon haben.
Martina Gleissenebner-Teskey spricht am 16. April um 18 Uhr beim Abschlussevent von Fashion For Future Bolzano im Waag Café über ihre Aktivitäten und ihr neues Projekt. Wir freuen uns, wenn ihr dabei seid.

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