
© Susanne Barta
Das Designer*innen-Karussell der Luxusmodeindustrie dreht sich so schnell wie nie zuvor. Der eine geht, die andere kommt. Sabato de Sarno wurde nach nur zwei Jahren als Kreativdirektor bei Gucci wieder entlassen, zuvor musste Alessandro Michele weichen, er ist jetzt bei Valentino. Vor kurzem verließ Kim Jones Dior Homme, auch Maria Grazia Chiuri, so wird gemutmaßt, ist nicht mehr lange bei Dior. Da könnte Jonathan Anderson anrücken. Matthieu Blazy kommt im Herbst zu Chanel, nachdem er erst 2021 bei Bottega Veneta anfing. Glenn Martens geht zu Margiela, Marco Gobbetti verlässt Ferragamo, nachdem es ihm nicht gelang, die Brand schnell wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Sarah Burton geht zu Givenchy, Claire Wright Keller war dort nur drei Jahre, sie ist jetzt Chefdesignerin beim japanischen Fast Fashion-Anbieter Uniqlo.
Die Fotostrecke featured einige meiner ältesten Teile. Sozusagen als Gegenansage zum rasanten Tempo der Fashion-Industrie.





Bei einigen Brands läuft es gerade (wieder) „gut“, heißt, die Zahlen stimmen, wie bei Prada oder Miu Miu, bei anderen geht’s abwärts, wie bei Gucci und Dior. Dabei steigt der Druck auf die Designer*innen ständig. Die Zahl der Kollektionen und Kollaborationen, die in den Markt hinein zu quetschen sind, nimmt zu. Dazu Accessoire-Linien und am besten auch Kosmetik.
Und wie schaut es am anderen Ende des Spektrums aus? Da wird richtig Kohle gemacht. Chinesische Online-Händler steigern ihre Verkaufszahlen rasant. Social Media befeuert das Tempo, ständig werden neue Styles gepusht. Ultra-Fast Fashion flutet den Markt. 12 Millionen Pakete werden täglich in die EU importiert, das sind viermal so viele wie 2022. Mehr als 90 Prozent davon stammen aus China. „Onlinehändler wie Temu, Shein, aber auch Amazon ermöglichen es chinesischen Herstellern, ihre Waren direkt an europäische Haushalte zu versenden.“ 90 Prozent dieser Waren sollen dabei nicht EU-Angaben entsprechen. (Quelle). Die EU bemüht sich gegenzusteuern, was nicht einfach wird, denn Ungarn fungiert als Einfallstor für die chinesischen Giganten.
Und wie schauts in der Mitte aus? Da gibt es ein Gerangel um Kund*innen wie nie zuvor. Leider kommen dabei nachhaltigere und fairer produzierende Brands immer mehr unter Druck. Nicht wenige müssen aufgeben. Nachhaltigkeit kostet und sie ist offensichtlich noch seltener als bisher zu finanzieren. Kund*innen entscheiden sich nach wie vor überwiegend für Billigmode.


Was macht das mit uns? Dem Tempo unserer Zeit kann sich fast niemand mehr entziehen. Der Druck nimmt spürbar zu. Wie umgehen damit? Ich weiß es auch nicht, aber ich versuche es mit einigen kleinen Veränderungen. Ich habe zum Beispiel wieder begonnen 15 Minuten zu meditieren in der Früh. Ob sich individuell längerfristig überhaupt etwas entgegensetzen lässt? Wie weit lässt sich diese Beschleunigung noch treiben? Welche Kosten bringt das mit sich und für wen? Fragen über Fragen. Vielleicht ist ein kleines Mosaikstückchen darin zu finden, zumindest auf (Mode-)Trends nicht mehr zu achten? Selbstbewusst sein Eigenes zu behaupten? Sein Gesicht nicht hinzuhalten und sich ohne kosmetische Groß- und Kleinangriffe auf den eigenen Körper dem Leben zu stellen? Kann älter werden dabei vielleicht helfen? Es erlaubt jedenfalls mehr Distanz zum ständigen Performen-Müssen. Wem es gelingt, das Alter nicht abzuwehren, sondern die Möglichkeiten darin zu sehen, kann einiges an Freiheit gewinnen oder sich zurückholen. Und darum geht’s dann doch am Ende: Freiheit von etwas. Freiheit für etwas. Und immer wieder raus aus dem Hamsterrad.


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