Das (Fashion-)Rad dreht sich immer schneller

Und was macht das mit uns?

26.02.2025

© Susanne Barta

Das Designer*innen-Karussell der Luxusmodeindustrie dreht sich so schnell wie nie zuvor. Der eine geht, die andere kommt. Sabato de Sarno wurde nach nur zwei Jahren als Kreativdirektor bei Gucci wieder entlassen, zuvor musste Alessandro Michele weichen, er ist jetzt bei Valentino. Vor kurzem verließ Kim Jones Dior Homme, auch Maria Grazia Chiuri, so wird gemutmaßt, ist nicht mehr lange bei Dior. Da könnte Jonathan Anderson anrücken. Matthieu Blazy kommt im Herbst zu Chanel, nachdem er erst 2021 bei Bottega Veneta anfing. Glenn Martens geht zu Margiela, Marco Gobbetti verlässt Ferragamo, nachdem es ihm nicht gelang, die Brand schnell wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Sarah Burton geht zu Givenchy, Claire Wright Keller war dort nur drei Jahre, sie ist jetzt Chefdesignerin beim japanischen Fast Fashion-Anbieter Uniqlo.

 Die Fotostrecke featured einige meiner ältesten Teile. Sozusagen als Gegenansage zum rasanten Tempo der Fashion-Industrie.

Vintage-Rock, umgeändert aus einem Vintage-Kleid. Lederblouson, eine (Dauer-)Leihgabe meiner Schwester Ulli. © Susanne Barta
 
About the authorSusanne BartaJe nach Lebensphase und Stimmung beschreibe ich mich anders. Wenn es so etwas wie einen roten Faden gibt, [...] More
Wenn die Quartalszahlen nicht passen, dann geht’s schnell wieder hinaus zur Tür. Oder man erwartet sich mit einer neuen Design-Handschrift noch bessere Zahlen. Wobei das mit der Handschrift so eine Sache ist. Gefragt ist, was die Verkaufszahlen pusht, sich jedoch nicht zu weit vom Mainstream entfernt. Die Luxusindustrie geht kaum mehr kreative Risiken ein und orientiert sich daran, was Begehrlichkeiten bei möglichst vielen weckt. Mode wird heute vor allem in den Vorstandsetagen der Aktiengesellschaften gemacht. Erfolgreich ist nur, wer signifikantes Wachstum vorweisen kann. Und zwar schnell. Dabei knirscht es ordentlich im Getriebe der Industrie. Viel wird gerade darüber geschrieben, dass die Luxusindustrie in der Krise stecke. „Now, as we step into 2025, the luxury industry is facing a significant slowdown that has hit even top brands hard. For the first time since 2016 (excluding 2020), luxury value creation declined“ (BoF). Die Gründe sind vielfältig. Mit spielt jedoch, dass steigende Preise (bei oftmals sinkender Qualität) auch für relativ gut situierte Kund*innen nicht mehr zu bezahlen sind. Beziehungsweise sie diese Preise nicht mehr zahlen wollen. Auch bisherige Wachstumsmärkte wie China schwächeln. Ein anderer Aspekt, der in Zukunft immer dringlicher wird, ist die Vulnerabilität der komplexen Lieferketten. Das letzte Jahr war so heiß wie nie zuvor. In einigen Ländern des Globalen Südens hatte das vielfältige Auswirkungen auf die Produktion gehabt, vor allem auf die Menschen, die unsere Kleidung herstellen. Tendenz hier klarerweise nicht abnehmend. Sehr interessant dazu der BoF Podcast „What happens when it is too hot to make Fashion“. Anstatt jedoch die gravierenden sozialen und ökologischen Themen der Industrie anzugehen, ist es vermutlich einfacher den/die Kreativdirektorin oder den CEO (wie etwa letztes Jahr bei H&M) auszutauschen. Es liegt auf der Hand, dass das langfristig nicht funktionieren wird.
Der Trench ist über 25 Jahre bei mir, das Jeansblouson über 10 Jahre. © Susanne Barta
 
 

Bei einigen Brands läuft es gerade (wieder) „gut“, heißt, die Zahlen stimmen, wie bei Prada oder Miu Miu, bei anderen geht’s abwärts, wie bei Gucci und Dior. Dabei steigt der Druck auf die Designer*innen ständig. Die Zahl der Kollektionen und Kollaborationen, die in den Markt hinein zu quetschen sind, nimmt zu. Dazu Accessoire-Linien und am besten auch Kosmetik.

Und wie schaut es am anderen Ende des Spektrums aus? Da wird richtig Kohle gemacht. Chinesische Online-Händler steigern ihre Verkaufszahlen rasant. Social Media befeuert das Tempo, ständig werden neue Styles gepusht. Ultra-Fast Fashion flutet den Markt. 12 Millionen Pakete werden täglich in die EU importiert, das sind viermal so viele wie 2022. Mehr als 90 Prozent davon stammen aus China. „Onlinehändler wie Temu, Shein, aber auch Amazon ermöglichen es chinesischen Herstellern, ihre Waren direkt an europäische Haushalte zu versenden.“ 90 Prozent dieser Waren sollen dabei nicht EU-Angaben entsprechen. (Quelle). Die EU bemüht sich gegenzusteuern, was nicht einfach wird, denn Ungarn fungiert als Einfallstor für die chinesischen Giganten.

Und wie schauts in der Mitte aus? Da gibt es ein Gerangel um Kund*innen wie nie zuvor. Leider kommen dabei nachhaltigere und fairer produzierende Brands immer mehr unter Druck. Nicht wenige müssen aufgeben. Nachhaltigkeit kostet und sie ist offensichtlich noch seltener als bisher zu finanzieren. Kund*innen entscheiden sich nach wie vor überwiegend für Billigmode.

Diese Blazer-Jacke ist auch an die 20 Jahre bei mir. © Susanne Barta
 

Was macht das mit uns? Dem Tempo unserer Zeit kann sich fast niemand mehr entziehen. Der Druck nimmt spürbar zu. Wie umgehen damit? Ich weiß es auch nicht, aber ich versuche es mit einigen kleinen Veränderungen. Ich habe zum Beispiel wieder begonnen 15 Minuten zu meditieren in der Früh. Ob sich individuell längerfristig überhaupt etwas entgegensetzen lässt? Wie weit lässt sich diese Beschleunigung noch treiben? Welche Kosten bringt das mit sich und für wen? Fragen über Fragen. Vielleicht ist ein kleines Mosaikstückchen darin zu finden, zumindest auf (Mode-)Trends nicht mehr zu achten? Selbstbewusst sein Eigenes zu behaupten? Sein Gesicht nicht hinzuhalten und sich ohne kosmetische Groß- und Kleinangriffe auf den eigenen Körper dem Leben zu stellen? Kann älter werden dabei vielleicht helfen? Es erlaubt jedenfalls mehr Distanz zum ständigen Performen-Müssen. Wem es gelingt, das Alter nicht abzuwehren, sondern die Möglichkeiten darin zu sehen, kann einiges an Freiheit gewinnen oder sich zurückholen. Und darum geht’s dann doch am Ende: Freiheit von etwas. Freiheit für etwas. Und immer wieder raus aus dem Hamsterrad.

Lederrock und Blazer sind über 20 Jahre in meinem Kleiderschrank. © Susanne Barta
 

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