Underconsumption Core

Fondazione Prada, Christoph Büchel – Monte di Pietà © Susanne Barta
Der Begriff ist euch vermutlich schon untergekommen. Er ging auf TikTok viral und zieht sich seit einigen Monaten durch die Socials. Wieder ein neuer Hashtag? Wieder ein neuer Trend? Ja, aber vielleicht auch nicht. Denn Underconsumption Core könnte sich mehr zu einem Lebensstil entwickeln als bloße Ästhetik bleiben. Denn eigentlich geht es darum, wieder normal zu konsumieren. Auch wenn es als Headline schick klingt: „The latest shopping trend? Not shopping”, ist es natürlich nicht realistisch, dass wir nicht mehr einkaufen. Aber weniger und vor allem besser, ist angesagt.
„Underconsumption Core“ stellt Minimalismus und Genügsamkeit ins Zentrum und die Ermunterung nur das zu kaufen, was wir wirklich brauchen. Auch nicht realistisch, denke ich, denn wir sind zu sehr verankert in einer Konsum-Kultur, die immer mehr, mehr, mehr ausruft. Auch haben wir gelernt, dass wir uns eine Freude machen dürfen, dass wir uns so ausdrücken können, wie es uns gefällt. Aber der Trend kann eine Richtung weisen und darauf aufmerksam machen, dass Über-Konsum nicht nur keine Lösung, sondern ein sehr großes Problem ist. Nicht nur für uns.


Die Socials sind voll mit Influencer*innen, die uns vollsabbern mit permanent neuen Outfits und Fashion-Trends, neuen Beauty-Produkten, Haarföns, bei Frau über 50 gerne mit Tipps zu Bauchfett und Krampfadern. Natürlich kann frau sagen, da mache ich nicht mit. Die Socials interessieren mich nicht. Ist aber gar nicht so einfach, sich da wirklich abzuschotten. Die Algorithmen sind gnadenlos. Ich kann von mir nicht behaupten, dass ich gegen diese Welle gefeit wäre. Vor allem nicht bei Leuten, deren Stil ich schätze, Brands, die ich mag und Marken, die ich gerne unterstütze. Das, was ich mir angewöhnt habe, ist zu warten. Die meisten virtuellen „Einkaufswägen“ schließe ich wieder. Auch bei Secondhand bin ich immer wieder verführt, wenn ich was richtig Tolles finde, greife ich zu.
Auch die Luxus-Industrie steht vor Veränderungen. Einige Player verzeichnen gerade empfindliche Umsatzrückgänge. Vor kurzem hat Imran Amed, Founder The Business of Fashion, über die zu Ende gegangenen Fashion Weeks und den Absatzrückgang in der Luxus-Fashion-Industrie geschrieben: „The combination of customer resistance to dramatic price increases amid declining quality and ongoing questions about industry ethics and sustainability have dented the perceived value of big brand luxury.”


Die Suchanfragen nach Underconsumption Core, habe ich gelesen, stiegen laut Google Trends in den letzten 12 Monaten um ca. 4.250 %. Experten sehen darin mehr als einen Trend, sondern eher eine Normalisierung, gewürzt vielleicht mit ein wenig Romantik. Es gehe nicht nur darum, das Budget zu schonen oder sich von Dingen zu trennen, viele Verbraucher*innen seien es einfach leid, das Gefühl zu haben, einem unerreichbaren Lebensstil nacheifern zu müssen. Gleichzeitig möchten viele auch ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern. „Unter dem Hashtag zeigen TikTok-User*innen vor allem, wie sie weniger und besser kaufen – sei es, dass sie seit acht Jahren dieselbe Sonnenbrille tragen oder jeden Tropfen eines Beauty-Produkts aufbrauchen“, lese ich bei Vogue. „Für mich bedeutet Underconsumption Core, das zu nutzen, was man bereits besitzt, nicht jeden Trend, den man in den sozialen Medien sieht, mitzumachen und mit einer nachhaltigen Einstellung zu leben“, erzählte eine Designerin und Verfechterin von Slow Fashion zum Thema dem Mode-Magazin.
Eigentlich sprechen wir hier vor allem von gesundem Menschenverstand, der in unserer Über-Konsum-Welt Schritt für Schritt verloren gegangen ist. Braucht es einen neuen Begriff, einen Hashtag dafür, dass wir eine Creme fertig aufbrauchen (ich schneide sie auch immer auf) oder Schuhe zum Schuster bringen? Offensichtlich ja. „Ich glaube, das Problem ist, dass die sozialen Medien, die Influencer-Kultur und die ständige Flut von Einkaufstouren unsere Wahrnehmung dessen, was normaler Konsum sein sollte, verzerrt haben“, sagt eine junge Frau auf den Socials, deren Beitrag viral ging.


Es geht darum, zu nutzen und zu schätzen, was man bereits besitzt. Und unser zum Teil maßloses Kaufverhalten zu hinterfragen. Underconsumption Core folgt auf die Bewegung des Deinfluencing. Auf Zeit Online war dazu folgender Kommentar zum Thema zu lesen: „Wenn man Underconsumption Core nicht als Ästhetik versteht, sondern als Lebensstil, dann ist es einer der authentischsten Trends, die es auf TikTok je gab. Einer, für den man ausnahmsweise wirklich kein Geld ausgeben muss und der dem Kapitalismus nichts bringt. Wenn man ihn ernst nimmt, legt man das Handy zur Seite und geht einfach in seinen ausgelatschten Sneakers spazieren.” Und in ihrem Substack Newsletter schreibt Sustainable Fashion Journalist Katie Robinson: „It makes sense that we have to glamourise underconsumption if we want it to compete with the cult of mindless buying. I call underconsumption core TikTok’s most meta trend yet.“


Wenn ihr mehr dazu sehen und hören möchtet, die dänische Youtuberin Gittemary Johanson hat dazu einiges und noch einiges und noch einiges zu sagen.
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