Less Is More schließt

Das ist keine gute Nachricht. Als ich davon gehört habe, war ich bedrückt. Brigitte Frank hat ihr Geschäft für faire Mode „Less Is More“ nicht nur mit Herz und Seele geführt, sie muss auch bereits zum zweiten Mal schließen. Das erste Geschäft in Meran hat den Corona-Konsequenzen nicht standgehalten, das war im Januar 2021. In Naturns hat sie dann nach einem Zwischenspiel im Nord Concept Store das Secondhand-Geschäft ihrer Freundin Lisa übernommen (ihr erinnert euch an Lila Secondhand?), ist jedoch nach einigen Monaten zu ihrem Less-Is-More-Konzept zurückgekehrt: einige gute, fair und nachhaltig produzierende Marken, die einzeln funktionieren, aber auch als Basis für eine Capsule Wardrobe ideal sind, weil gut kombinierbar und man damit immer gut angezogen ist.
Leider reiht sich Less Is More in eine länger werdende Reihe an nachhaltigen Geschäften und Brands, die schließen müssen. Wieso das so ist? Weil viele zwar von Nachhaltigkeit reden, aber dann doch konventionell kaufen. Entweder weil billig oder weil Status-Marke oder weil eben schneller verfügbar. Eine nachhaltige Modeunternehmerin sagte im Interview mit Business of Fashion u. a., sie sei mit dem unerschütterlichen Glauben vieler Konsument*innen konfrontiert, dass Kleidung billig sein sollte, selbst wenn das bedeutet, dass Arbeitskräfte unterbezahlt sind. „Ein großes Thema ist, wenn Leute versuchen, mit nachhaltigen Marken wegen ihrer Preisgestaltung zu diskutieren”, sagt sie und antwortet darauf: „Sie sollten nicht wütend auf mich sein, weil ich ein ethischer Arbeitgeber bin, sondern auf ihren Arbeitgeber, weil er sie nicht gut genug bezahlt, damit sie sich Kleidung leisten können, die keine Ausbeutung mit sich bringt.”Brigitte, du hast den Mut gehabt, Less Is More ein zweites Mal zu starten …
Die Schließung des ersten Geschäfts hat nach wie vor an mir genagt, vor allem aber, dass Corona das entschieden hat. Auch das Thema Selbstständigkeit hat mich nicht losgelassen. Als sich mir die Möglichkeit bot, ein Secondhand-Geschäft in Naturns zu übernehmen, dachte ich mir „das probiere ich“. Relativ schnell aber wurde mir klar, dass secondhand zu verkaufen nicht so ganz meines ist, auch wenn ich selbst durchaus secondhand kaufe. Daher mein Entschluss, Less Is More wieder aufzubauen.
Was war dir bei der Auswahl der Marken wichtig?
Ich weiß genau, welcher Stil mir gefällt: schlicht und ein bisschen oversized. Mir ist wichtig, dass man alles mit allem kombinieren kann und nicht lange überlegen muss. Auch ich bin jemand, die in der Früh nicht darüber nachdenken möchte, was anziehen heute. Danach habe ich auch die Brands ausgesucht und bin mehr oder weniger bei denen von Meran geblieben: Knowledge Cotton Apparel, JAN ‘N JUNE – diese Marke kann ich sehr empfehlen, sie hat ein wirklich sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, ich trage die Teile fast täglich, wasche sie regelmäßig und sie sind immer noch gut in Form, dann habe ich noch Makia, Mud Jeans und Dawn Denim.Was hat dich dazu bewogen, nun zu schließen?
Der Hauptgrund ist, dass es zu wenigen Leute wert ist, für nachhaltige und faire Mode Geld auszugeben. Die meisten kaufen immer noch konventionelle Marken. Und Touristen suchen in Italien vor allem nach italienischer Mode, meine Brands kennen sie nicht. Hier in Naturns ist die Saison kurz, der Winter sehr schwierig. Immer wieder durchhalten und mich neu motivieren zu müssen, hat an meinen Nerven gezehrt. Jetzt habe ich die Entscheidung getroffen, dass es genug ist, aber diesmal habe ich die Entscheidung getroffen.
Derzeit müssen etliche Brands ihre Aktivitäten einstellen, die Gründe sind sicher vielfältig, aber meist sind es wie bei dir mangelnde Nachfrage und Unterstützung …
Es ist eine schwierige Zeit. Die Leute wollen ihren Standard halten, gleichzeitig regelmäßig etwas Neues kaufen. Durch die wirtschaftliche Situation ist weniger Geld zur Verfügung und sie geben es offensichtlich nicht oder jedenfalls weniger für nachhaltige und faire Produkte aus. Das ist meine Einschätzung. Auch wird viel online gekauft, da gibt es immer wieder gute Sales, da kann ich als Geschäft nicht mithalten.Weniger, dafür besser einzukaufen, scheint also bis heute nicht wirklich zu greifen?
Es gibt welche, die es tun, aber wenige. Die meisten wollen viel kaufen, das hat man uns auch lange genug eingetrichtert. Das ist nicht leicht zu verändern. Wünschen würde ich mir, dass sich mehr Leute darüber Gedanken machen, wie ihre Kleidung produziert wird und wie sie einkaufen. Will man wirklich die großen Ketten unterstützen?
Welche Pläne hast du?
Das steht alles noch in den Sternen. Ich für mich werde mich weiterhin nachhaltig und fair kleiden, aber erstmal bin ich draußen aus diesem Bereich und werde etwas ganz Neues ausprobieren. Was genau, wird sich zeigen.Wirklich ernüchternd ist für mich, dass zwar immer mehr Verbraucher*innen erwarten, dass Marken ökologisch und sozial verantwortlich produzieren und handeln. Doch gleichzeitig verlangen sie, dass Marken mit den neuesten Trends Schritt halten, ständige Verfügbarkeit gewährleisten und dabei auch noch preiswert sind. Das geht sich nicht aus. Wer für einen nachhaltigen Wandel in der Mode eintritt, darf das nicht nur fordern, sondern muss seine Kleidung so lange als möglich im Kreislauf halten, entsprechend einkaufen und nachhaltige und faire Marken und Geschäfte unterstützen. Anders geht’s nicht.
Brigitte schließt ihr Geschäft am 24. August 2024. Seit 19. Juli ist offiziell Ausverkauf, eine Woche vor dem endgültigen Ende von Less Is More wird das, was übrig ist, nochmals reduziert abverkauft.
Fotos: (1, 2, 3, 6, 8, 9) © Susanne Barta; (4, 5, 7) © Brigitte Frank/Less Is More.
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