Fashion + Design > Fashion

June 12, 2024

Lotta Ludwigson macht Business-Kleidung, die man – auch ohne Business – tragen möchte

Susanne Barta

Gut geschnitten, bequem und dennoch sophisticated sollte das Outfit sein. Auch wenn sich der Dresscode für den Arbeitsalltag gelockert hat seit der Pandemie, gibt es immer noch Branchen und Anlässe, wo frau entsprechend gekleidet sein möchte oder muss. Und wer mit der Zeit geht, legt auch Wert darauf, wie und wo die Kleidung hergestellt wurde. Fair und nachhaltig produzierte Businessmode ist jedoch nicht leicht zu finden. Es gibt einige nachhaltig(ere) High Fashion Labels, aber der Großteil ist Streetwear, easy peasy Bascicwear. Die junge Berliner Slow Luxury Brand Lotta Ludwigson hat sich zum Ziel gesetzt, nicht nur fair und nachhaltig, sondern auch zirkulär zu arbeiten. Wie das geht? Das könnt ihr gleich im Anschluss im Interview erfahren. Lotta Ludwigson, das sind die jungen Entrepreneurinnen Charlotte Piller und Nhu Ha Dao. Ich habe die beiden einzeln auf verschiedenen Messen kennengelernt, Charlotte jetzt eben auf dem Global Fashion Summit in Kopenhagen getroffen.

Die beiden Gründerinnen haben sich viel vorgenommen und bereits viel umgesetzt. Ihr Konzept ist nicht nur durchdacht, sondern auch sehr konsequent. Und bedient eine Klientel, die im nachhaltigen Modedesign bisher wenig bedacht wurde. Neben tollen Blazern, Hosen und Hosenanzügen, gibt es auch Blusen, Pullunder und sehr schöne Tücher. Die Anzüge sind mir sofort aufgefallen. Das ist weiter nicht verwunderlich, denn wie ihr vermutlich wisst: Ich liebe Anzüge.Lotta Ludwigson 2-3 (c) Bastian Bochinski x Lotta LudwigsonCharlotte, wieso Business-Kleidung?

Ich habe Innovation und Unternehmertum mit Fokus auf Kreislaufwirtschaft in Kopenhagen studiert. Da ging es unter anderem darum, Probleme zu identifizieren und Lösungen dafür zu entwickeln. Mir fiel auf, dass es im Bereich hochwertige Businessmode für Frauen – also zirkulär produziert, nach der Cradle-to-Cradle-Design-Philosophie – eigentlich nichts gibt. Daher wollten wir das versuchen und gleich auch mit dem komplexesten Kleidungsstück beginnen, dem Hosenanzug. Denn wenn das gelingt, haben wir uns überlegt, dann geht alles andere auch. 

Wie schaut dieser Prozess nun konkret aus?

Es fängt beim Design bzw. der Materialauswahl an. Die meisten mischen ja synthetische mit natürlichen Fasern. Der Großteil der Kleidungsstücke wird daher schon by Design später einmal zu Textilmüll, wird verbrannt oder aufwendig recycelt oder landet auf einer Müllhalde. Das Design soll zeitlos und langlebig und nicht für den Fashion-Kalender oder bestimmte Saisonen gedacht sein. Wir wählen hochwertige Mono-Materialien, arbeiten mit zertifizierten Naturmaterialien, vor allem mit Schurwolle und Bio-Seide und designen so, dass alles theoretisch biologisch abbaubar ist und irgendwann in der Zukunft, wenn die Stücke nicht mehr wiederverwendet und repariert werden können, wieder zu einer Ressource, zu einem Nährstoff für die Natur werden. Also kein Abfall entsteht.Lotta Ludwigson 4-5 (c) Bastian Bochinski x Lotta LudwigsonDas gilt für alle Komponenten?

Wir entwickeln den Stoff selbst und lassen ihn mit unseren eigenen Farben ohne toxische Chemikalien färben. Wir haben zum Beispiel eigene Schulterpolster entwickelt, da wir keine ohne Polyester fanden – unsere sind nun auch kompostierbar. Zwei Jahre arbeiteten wir daran gemeinsam mit einem deutschen Traditionsunternehmen. Bei der ALVA Kollektion hatten wir noch Schwierigkeiten mit einer biologisch abbaubaren Einlage, da ist eine Baumwolleinlage drin, bei der LOTTA Kollektion verwenden wir Baumwollfäden, biologisch abbaubare Bügeleinlagen, Knöpfe aus Steinnuss – jede einzelne Komponente ist biologisch abbaubar. Selbst wenn unser Blazer in der Atacama Wüste auf einer Müllhalde landen sollte, verschmutzt er nicht die Umwelt.

Eure Website ist sehr transparent, alles, was ihr macht, ist gut beschrieben. Wie herausfordernd ist es denn, so gut zu produzieren?

Es ist sehr schwierig. Vor allem Produktionsstätten zu finden, mit denen man so arbeiten kann, wie wir das möchten. Da muss man Betriebe finden, die auch Lust auf Veränderung haben. Für die Weberei zum Beispiel lohnt es sich nicht mit uns zusammenzuarbeiten, aber sie glauben an unser Projekt und unterstützen uns. Die nächste Herausforderung ist die Preisgestaltung und zum Schluss geht’s darum, unsere Produkte den Endkonsument*innen näherzubringen. Im Sinne von: Was ist an unseren Stücken besonders? Was rechtfertigt diesen Preis? Diese Aufklärung kostet sehr viel Zeit und Energie, aber wir geben unser Bestes.Lotta Ludwigson 6-7 (c) Lotta LudwigsonIhr habt euer Label ja ohne Investoren aufgebaut …

Das ist herausfordernd, denn man muss den Cash-Flow sehr gut im Fokus haben. Wir bezahlen ja viele Monate voraus und können erst Monate später verkaufen. Aber unsere Werte sind uns so wichtig, dass wir uns dafür entschieden haben. Wir wollen nicht durch Investoren in etwas hineingedrängt werden, das nicht zu uns passt.

Wer designt bei euch?

Wir sind ja beide keine Designerinnen. Nhu Ha hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Aber wir entscheiden gemeinsam, welches Design, welche Farben wir machen möchten, und arbeiten dann bei den technischen Schnittmustern mit einer Agentur in Berlin zusammen. Das Design macht nur einen sehr kleinen Teil des gesamten Prozesses aus und wir haben gemerkt, dass es ganz gut ist, immer wieder den Blick von außen zu haben und auch manches ganz anders zu sehen. Wir hätten uns sonst wahrscheinlich nie an einen 100 % biologisch abbaubaren Hosenanzug gewagt. Alle haben gesagt, das geht nicht. Dann sind wir halt die ersten, haben wir uns gedacht, und ändern das. 

Wie ist das Feedback auf eure Marke?

Das Feedback ist so, so gut. Viele haben offensichtlich ein solches Angebot vermisst. Business-Kleidung, die holistisch nachhaltig und ästhetisch ist. Damit treffen wir den Zeitgeist, aber die Preise sind hoch. Das sind keine Produkte, die man so nebenbei kauft. Das wollen wir auch nicht. Wir möchten, dass sich die Leute fragen, brauche ich das wirklich, will ich das? Das macht es natürlich nicht einfach für uns. Für einen Verkauf braucht es meist eine lange Vorlaufzeit mit vielen Touchpoints. Lotta Ludwigson 8-9 (c) Lotta LudwigsonTrägt sich Lotta Ludwigson finanziell schon?

Noch sind wir nicht profitabel. Das ist auch normal, die Marge ist gering und es braucht einfach Zeit.

Wohin soll es bei euch gehen? Was steht an?

Wir haben vor kurzem unsere neue Kollektion gelauncht, wobei wir ja eigentlich nicht in Kollektionen denken. Haben also neue Produkte gelauncht und arbeiten bereits an den nächsten. Wir haben zwar wenige Produkte, aber es dauert lange sie zu entwickeln. Gerade arbeiten wir auch an der Stärkung unserer Online-Präsenz und möchten dabei noch viel mehr in den Education-Bereich gehen. Außerdem soll nicht nur unsere Kleidung zirkulär sein, sondern wir möchten auch unser Geschäftsmodell so aufstellen, dass man in Zukunft unsere Kleidungsstücke wieder zurückgeben kann, die dann über den eigenen Onlineshop zu einem niedrigeren Preis an neue Kund*innen verkauft und weiter im Kreislauf gehalten werden.Lotta Ludwigson 10-11 (c) Lotta LudwigsonWir haben uns eben auf dem Global Fashion Summit getroffen. Wie hast du den Summit erlebt, Charlotte?

Es wird natürlich viel geredet und auch einigen Unternehmen eine Bühne gegeben, die meiner Meinung nach gar nicht so viel zu sagen haben zum Thema. Sie haben zwar Macht, aber viele kleinere Unternehmen machen so viel mehr und haben so viel mehr zu erzählen. Dennoch ist es wichtig, dass die Industrie einen Ort hat, wo sie zusammenkommt. Ohne wäre es noch schlechter. Man trifft Leute, tauscht sich aus, neue Kontakte werden geschlossen und man bekommt geballt sehr viel Branchenwissen vermittelt. Deshalb ist der Summit für mich relevant.

Du warst ja schon öfter dort, hast auch für die Global Fashion Agenda gearbeitet. Siehst du eine Veränderung in der Industrie? Greift da was?

Die Stimmung war sehr gedrückt dieses Jahr, ist mir aufgefallen. In den letzten Jahren spürte man viel mehr Energie, im Sinne von „lasst uns das anpacken, lasst uns was verändern“. Dieses Jahr hat man gemerkt, dass es der Industrie, überhaupt der Wirtschaft, nicht gut geht. Viele wirkten abgekämpft, manche kämpfen ja wirklich ums Überleben ihres Business. Man hat auch das Gefühl bekommen, dass Nachhaltigkeit gar nicht mehr einen so hohen Stellenwert hat wie noch einige Jahre zuvor. Das ist jedenfalls mein persönlicher Eindruck. Wichtig aber ist nicht zu vergessen, dass nicht nur die Unternehmen gefordert sind, sondern auch jeder Einzelne etwas Sinnvolles beitragen kann.Lotta Ludwigson 12-13 (c) Susanne Barta + Bastian Bochinski x Lotta LudwigsonSchaut unbedingt rein bei Lotta Ludwigson. Auf der Website findet ihr definitiv nicht Business as usual – vom Material bis zur Preisgestaltung wird alles transparent vermittelt, dazu gibt’s Pflegetipps, weitere Infos zur Produktion und ihr könnt auch über das soziale Engagement des Labels nachlesen. Von jedem Produkt wird ein kleiner Prozentsatz an eine Initiative gespendet, die sich für mehr Female Empowerment einsetzt. Zurzeit unterstützt Lotta Ludwigson Sparsa Projekt von Nidisi in Nepal.    

Meine beiden Artikel zum Global Fashion Summit findet ihr hier und hier

Fotos: (1–5, 13) © Bastian Bochinski x Lotta Ludwigson; (6–11) © Lotta Ludwigson; (12) © Susanne Barta

>> Supported by Kauri Store (M), Oscalito (L) und meiner Freundin Kristin << 

Wenn ihr diesen Blog auch unterstützen möchtet, gibt‘s hier alle Infos.

Print

Like + Share

Comments

Current day month ye@r *

Discussion+

There is one comment for this article.
  • Susanne Barta · 

    Bin am überlegen. Hätte sehr gerne einen schwarzen Lotta Ludwigson Blazer. Alva oder Lotta? das ist die Frage.

Archive > Fashion