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May 29, 2024

Global Fashion Summit – Unlocking the Next Level

Susanne Barta

Den Global Fashion Summit in Kopenhagen zu besuchen, stand schon länger auf meiner Agenda. Heuer habe ich eine Presse-Karte bekommen. Das hat mich sehr gefreut, denn ganz einfach ist es nicht, hier als weniger gewichtige Realität dabei zu sein. Der Global Fashion Summit ist die größte und renommierteste Veranstaltung, wenn es um die Veränderung der Modeindustrie hin zu einer nachhaltigeren, faireren, inklusiveren und sozialeren Industrie geht. Auch deshalb, weil die Big Player mit dabei sind. Sie tauschen sich vor und hinter den Kulissen aus und sind die maßgeblichen Sponsoren der Veranstaltung. Vertreter*innen von Kering, LVMH, H&M, Nike und so weiter sitzen also auch auf dem Podium und diskutieren über die sozialen und ökologischen Themen der Industrie, vor allem darüber, was bereits unternommen wird und was schon besser läuft. Weniger darüber, was konkret ganz und gar nicht läuft. Genau das bringt dem Summit auch immer wieder Kritik ein, denn, so die Kritik, da werde auch einiges schön gerechnet und geredet. Nichtsdestotrotz, ohne die großen Player verändert sich kaum etwas. Neben Gesetzen und einem veränderten Konsumverhalten braucht es die Einsicht und den Einsatz der Industrie, um hier wirklich weiter zu kommen. Aber wie die letzten Jahre gezeigt haben, ist es mit der Selbstverpflichtung nicht unbedingt sehr weit her. Darum geht es also vor allem um entsprechende Gesetze und Regelungen. Und da tut sich einiges. Allen voran macht die EU mit ihrem Green Deal vor, wohin es gehen muss. Aber auch in den USA, vor allem auf States-Ebene, wurden und werden Initiativen auf den Weg gebracht, die der nahezu unregulierten Fashion-Branche entsprechende Rahmen setzen (möchten). Dazu gab es auf dem Summit einige Panels, der Regelungsbedarf zog sich auch durch viele weitere Gespräche.Global Fashion Summit 1_2-3 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Die Organisation war exzellent, das Programm intensiv und dicht. Und die Eindrücke so vielfältig, dass ich zwei überblicksmäßigere Artikel dazu schreibe, gefolgt von einzelnen Stories und Interviews. Der Summit wird veranstaltet von Global Fashion Agenda (GFA), einer non-profit Organisation, „that fosters industry collaboration on sustainability in fashion to accelerate impact. With the vision of a net positive fashion industry, it drives action by mobilising, inspiring, influencing and educating all stakeholders“. Der erste Summit fand 2009 als Side-Event zur COP in Kopenhagen statt, initiiert von Eva Kruse, einer ausgewiesenen Fashion-Expertin, die sich schon früh über die sozialen und ökologischen Konsequenzen der Modeindustrie Gedanken gemacht hat. Heute ist sie Chief Global Engagement Officer bei Pangaia, einem Unternehmen, das nachhaltige Material-Innovationen für Bekleidung auf den Weg bringt. Aus dieser ersten Initiative entstand dann auch Global Fashion Agenda.

Der Summit feiert heuer sein 15-jähriges Bestehen unter dem Motto „Unlocking the Next Level“. GFA hat dazu eine Sonderausgabe der Fashion CEO Agenda herausgegeben, ein strategisches Hilfsmittel, das Unternehmen dabei helfen soll, ein net-positives Wirtschaften bis 2050 zu erreichen. Die 5 Key-Faktoren, die das Handeln dann auch wirklich leiten sollen, sind: Operationalising Sustainability, Redefining Growth, Activating Consumers, Prioritising People, Mobilising based on Materiality. 2021 übernahm die italienische Business-Lady Federica Marchionni die CEO-Rolle, sie war u. a. CEO des US Online Retailers Lands’ End und international CEO des chinesischen Unternehmens Secoo, größter Online-Luxushändler in China.Global Fashion Summit 1_4-5 (c) Susanne BartaDas, was den Summit zuallererst auszeichnet, ist, dass Leute aus der ganzen Welt zusammenkommen, um miteinander zu sprechen, sich kennenzulernen und über Lösungen nachzudenken. Daraus entstehen wieder neue Zusammenarbeiten und hoffentlich auch neue Lösungen. Bei der Pressekonferenz am Tag vor dem Summit lernte ich zwei Journalistinnen kennen, Krisztina Maroy aus Ungarn – sie leitet Glamour Hungary – und Elena Ilicheva, sie lebt in Schweden und schreibt für verschiedene russische Modezeitschriften. Klar, dass wir auch über Pressefreiheit und autokratische Politik gesprochen haben, mit beiden werde ich den nächsten Wochen Interviews über ihre Arbeit und Arbeitsbedingungen führen.

Einige Panels waren interessant und informativ, einige etwas schwammiger. Das lag vor allem an der Moderation bzw. am Willen auch kritischere Fragen zu stellen. Diskutiert oder besser erzählt wurde auf drei unterschiedlich großen Bühnen in der architektonisch ansprechenden Copenhagen Concert Hall. Sehr überzeugend war die Keynote „Lead or be Led“, von Paul Polman. Der ehemalige Chef von Unilever ist heute Co-Chair und Co-Founder des Fashion Pact, einer Non-Profit-Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, „forging a nature-positive, net-zero future for fashion, through CEO-led collaboration“. Polman plädierte unter anderem eindringlich dafür, als Unternehmen nicht darauf zu warten, dass der Druck von außen immer größer werde, sondern die Zukunft der Industrie selbst in die Hand zu nehmen. Und er unterstrich auch, dass es für diesen Wandel geeignetere Führungspersönlichkeiten brauche als die meisten, die wir derzeit haben. „What is good for the fashion industry, but bad for the planet is no longer an option”, gab er allen Zuhörenden mit auf den Weg.Global Fashion Summit 1_6-7 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024_Susanne BartaAuch das Panel zum 15-Jahr-Jubiläum des Summit war spannend, wo Gründerin Eva Kruse durchaus selbstkritisch feststellte, dass alles zu langsam gehe und die Fortschritte nicht ausreichend seien. „Wir dachten damals nicht, dass wir nach 15 Jahren immer noch über dieselben Dinge sprechen würden.“ In der Tat, die Modeindustrie produziert statt weniger immer mehr. Für 2030 werden bis zu 148 Milliarden Stücke pro Jahr erwartet, derzeit sind es bereits 100 Milliarden. Moderiert wurde das Panel von Vanessa Friedman, legendäre Fashion Kritikerin der New York Times, die das Dilemma der Industrie kurz und bündig auf den Punkt brachte: „We make too much stuff.“Global Fashion Summit 1_8 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Interessant die Panels auf der Studio- und Action-Bühne, unter anderem über verschiedene zirkuläre Businessmodelle, Eco-Design und Konsumverhalten. Und spannend die vielfältigen Perspektiven, vor allem den unterschiedlichen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen geschuldet, von Speaker*innen aus dem Globalen Süden. Ein kluges und auch berührendes Projekt hat Nav Sawhney präsentiert. Nav arbeitete für Dyson und hat Föhns und Staubsauger entwickelt. Irgendwann habe es ihm gereicht, erzählt er, für reiche Leute noch bessere Produkte zu entwickeln, wo es doch ganz andere Probleme zu lösen gäbe. Gesagt, getan. Laut seiner Recherche leiden 60 % der Weltbevölkerung unter Gesundheitsproblemen und verpassten Chancen als Folge des anstrengenden händischen Waschens. Der Aufwand beträgt bis zu 20 Stunden pro Woche, hat er herausgefunden, und diese Last wird vor allem von Frauen und Mädchen getragen. Mit The Washing Machine Project hat er eine Lösung entwickelt, die jetzt dabei ist, marktfähig zu werden. Divya ist die erste flach verpackbare Waschmaschine der Welt. Eine manuelle, netzunabhängige Maschine, die waschen und trocknen kombiniert und im Vergleich zum Waschen von Hand bis zu 50 % Wasser und 75 % Zeit spart.Global Fashion Summit 1_9-10 (c) Susanne BartaDie große, offene Ebene zwischen den Stöcken der Concert Hall ermöglichte nicht nur gemeinsam zu essen, sondern sich auch ungezwungen zu unterhalten. Jede und jeder konnte jede und jeden ansprechen und hat es auch getan. Sehr gefreut hat mich zum Beispiel, Sarah Kent, Chief Sustainability Correspondent at The Business of Fashion (BoF) auf dem Summit zu sehen. Sie hat das Panel „Ending Oversupply“ moderiert. Ihre kompetente Berichterstattung über Nachhaltigkeitsthemen in der Industrie war auch der Grund, wieso ich das nicht gerade günstige BoF-Abo vor über einem Jahr abgeschlossen habe. Global Fashion Summit 1_11 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Viel wurde auch über zirkuläres Wirtschaften und entsprechende Business-Modelle gesprochen. Mit dem zu arbeiten, was bereits da ist, hat sich wie ein roter Faden durch viele Gespräche gezogen. Auch darüber werde ich Interviews in den nächsten Monaten mit einigen der Vortragenden führen.

Weiter geht’s nächste Woche. Stay tuned!Global Fashion Summit 1_12 (c) Global Fashion Agenda_Global Fashion Summit 2024Fotos: (1) Federica Marchionni, CEO Global Fashion Agenda with Patagonia CEO Ryan Gellert © Global Fashion Agenda/Global Fashion Summit 2024; (2, 3): Federica Marchionni und HRH Queen Mary of Denmark © Global Fashion Agenda/Global Fashion Summit 2024; (4) © Susanne Barta; (5) mit Krisztina Maroy © Susanne Barta; (6) Paul Polman © Global Fashion Agenda/Global Fashion Summit 2024; (7) © Susanne Barta; (8) Vanessa Friedman moderiert das Panel über 15 Jahre GFS © Global Fashion Agenda/Global Fashion Summit 2024; (9, 10) Nav Sawhney und seine Waschmaschine © Susanne Barta; (11) Sarah Kent moderiert das Panel über Oversupply © Global Fashion Agenda/Global Fashion Summit 2024; (12) © Global Fashion Agenda/Global Fashion Summit 2024.

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