Food

April 15, 2023

Neues aus dem Fungi-Kosmos: Kirnig

Nadine Pardatscher

Schwamm, Schwammerl, fungus oder einfach nur Pilz – Stiel und Hut steht ihm gut.
Gestatten, wem? Schauen wir doch einmal genauer hin: Pilze haben sowohl pflanzliche als auch tierische Eigenschaften. Anders als die Pflanzen enthalten ihre Zellwände aber Mehrfachzucker und sind aufgrund fehlenden Chlorophylls nicht zur Photosynthese fähig. Im Unterschied zu den Tieren haben Pilzzellen aber Zellwände und Vakuole. Zusammengefasst also weder Fisch noch Fleisch – Pilze halt, und die bilden ihr eigenes Reich.

Ein Südtiroler Pilzereich hat mich und meine Mami nach Aldein gelockt. Wer sucht, der findet. Kirnig ist wunderbar sonderbar und auf wunderbarer Weise besonders schön. Das Pilzzüchterduo Andreas und Josef erntet hier seit nun fünf Jahren die Bioedelpilzsorten Shiitake, Kräuterseitling und Austernpilz.

Am Hof begrüßt uns Andreas und begleitet uns in den Kühlzellenwald. Die Redewendung „in die Pilze gehen“ darf ich nun wortwörtlich nehmen. Diese Kühlzellen geben mir so etwas wie Alice-im-Wunderwald-Vibes, zwar weniger bunt, dafür wirkt die Pilzkultur aber genauso surreal und riesengroß. Andreas meint, sie seien relativ pflegeleicht und man müsse nicht auf den Sommer warten, aber immer fleißig ernten. Es scheint, als gäb’s hier nur eine Saison – Pilzsaison. Meine Freundin und Redaktionskollegin Eva hatte ja schon über die Pilzgurus berichtet – ich gebe nun ein Update.Kirnig 2+3 (c) Nadine PardatscherWie funktioniert eure Pilzzucht?

Unsere Pilze wachsen auf Holzsubstrat, welches mit den jeweiligen Pilzsporen beimpft ist. Bis das Substrat komplett mit dem Pilzmyzel durchwachsen ist, benötigt es ca. 10–15 Wochen. Nach diesem Zeitraum wird es in den Fruchtungsraum verlegt, wo das Klima eher herbstlich, kühl und feucht ist. Dann dauert es noch ca. eine Woche, bis die ersten Pilze zu ernten sind.

Der Begehrteste unter den Pilzen?

Kräuterseitling und Shiitake belegen den ersten Platz. 

Wie unterscheiden sich die beiden vom Geschmack?

Der Kräuterseitling ist im Geschmack sehr milde und dem Steinpilz ähnlich. Der Shiitake hingegen ist sehr aromatisch und würzig.

Typische Gerichte für den asiatischen Pilz?

Der Shiitake eignet sich bestens für alle asiatischen Wok-Gerichte. Er kann aber auch für Knödel, Schlutzkrapfen, Risotto, Nudeln und mehr verwendet werden.

Werden die Pilze auch verarbeitet?

Kräuterseitling und Shiitake legen wir in Essig ein … und, weil der Shiitake so intensiv im Geschmack ist, werden einige Überschüsse auch getrocknet.Kirnig 7+10 (c) Nadine PardatscherGibt es ein Qualitätssiegel für die Pilze?

Unsere Pilze sind BIO und GLOBAL GAP zertifiziert. Das Südtiroler Qualitätszeichen dürfen wir hingegen nicht verwenden, weil es zur Zeit nichts Vergleichbares in Südtirol gibt und wir somit die Einzigen sind.

Wen beliefert ihr hauptsächlich?

Direkt verkaufen wir nichts. Wir beliefern aber die Gastronomie über Grossisten oder verkaufen über den Einzelhandel, vier Handelsketten sind es insgesamt, außerdem auch das Biokistl, Pur Südtirol oder andere Bio-Geschäfte. Wir verkaufen hauptsächlich in Italien, ansonsten auch nach Österreich und Deutschland. Der Pro-Kopf-Konsum von Edelpilzen in Deutschland liegt bei nur 50 Gramm. Rechnet man das auf Südtirol, kann man wohl sagen, dass wir schon das Doppelte produzieren, was in der Region gegessen wir. 

Herausforderungen bei der Produktion?

Grundsätzlich ist es nicht schwer, einen Pilz wachsen zu lassen. Kräuterseitlinge sind im Anbau aber viel empfindlicher, weil sie auf kleine Klimaschwankungen extrem schnell reagieren. Austernpilze und Shiitake hingegen sind sehr dankbar. Schwieriger allerdings ist es, sie so wachsen zu lassen, dass es auch wirtschaftlich ist. Wir müssen ja einen gewissen Ertrag erwirtschaften, welcher aber durch viele kleine Faktoren beeinflusst wird, die wir oft selber nicht ganz verstehen. [lacht] Die Kosten sind relativ hoch … die Investitionskosten, die Substrate, die Personalkosten – es ist ja viel Handarbeit dabei.

Wer ist Teil eures Teams?

Wir haben sechs Mitarbeiter, wobei diese auch die Hauptarbeit leisten. Anfangs wollten Josef und ich immer Vollzeit mit dabei sein, aber ich habe ja noch den Obst- und Weinbaubetrieb und Josef bietet auf dem Hof Unterkunft mit Halbpension an.Kirnig 5+9 (c) Nadine PardatscherWie sieht’s mit der Verpackung aus?

Wir mussten einen Schritt zurück machen und müssen die Pilze jetzt neben der Kartonageverpackung auch wieder in eine Folie schweißen. Da in den offenen Kühlregalen mit Luft gekühlt wird, trocknen die Pilze leider sehr schnell aus und sehen nach ein paar Tagen nicht mehr schön aus.

Dein Lieblingspilz?

Es ist wieder der Shiitake, und ich sage deshalb wieder, weil ich einfach zu viel davon gegessen habe. [lacht]Kirnig 8+6 (c) Nadine PardatscherIch entdecke eine kleine Weisheit auf einem Schild im Verpackungsraum, der mich die Zitronen vergessen lässt: „Wenn dir das Leben einen Korb gibt, geh Pilze sammeln.“ Andreas schenkt uns ein Kistl, damit ich schließlich auch weiß, worüber ich schreibe. Huch, wir Glückspilze! Kulinarischen Horizont erweitert – check.

Mehr Pilz-Content gibt’s hier.

Fotos: (1) (c) Kirnig; alle anderen (c) Nadine Pardatscher

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