Food
March 16, 2023
Pflanzen in Hochhäusern: Profarms
Nadine Pardatscher
Wir kennen sie alle – die Garage als geeignete Geburtsstätte großer Ideen. The Walt Disney Company, Microsoft, Google, Amazon. Und wie sieht’s mit Pflanzen aus? Ulrich Kager und Patrick Sanin haben den Pflanzenanbau in Südtirol neu gedacht und kultivieren Microgreens für die Südtiroler Gastronomie auf vertikal übereinander angeordneten Wachstumsflächen.
Schicht für Schicht, Regal für Regal – stapelweise grün auf kleinem Raum. Wo? In der Garage. Bei meinem Besuch in St. Pauls zeigt mir Ulrich die selbsterrichtete unterirdische Schatzkammer der beiden Profarmer. Auf relativ engem Raum gedeiht ein ganzes Unternehmen: eine Keimzelle, zwei Wachstumszellen, zwei Kühlzellen, ein Produktions- und ein Abbauraum. Sobald wir Zelle wechseln, wechseln wir Klimazone, von 2 bis 21 Grad ist alles dabei. Das Habitat der Kresse wirkt steril und sauber, die Pflänzchen selbst hingegen wie kleine grüne oder rötliche Wunder, unterschiedlicher Texturen die erdelos klarkommen. Temperatur und Luftfeuchtigkeit wird pro Zelle für alle Sorten eingestellt. Wasser, Licht, Ventilation ist Sorten maßgeschneidert.
Wobei „das Rad nicht wir erfunden haben“, erklärt mir Ulrich. STRG + Z! Das Konzept Vertical Farming entwickelte Dr. Dickson Despommier, Mikrobiologe/Ökologe 1999 an der Columbia University in den USA mit seinen Studierenden. Mittlerweile seien die durch Sensortechnik kontrollierten Farmen in einigen Ländern Europas verbreitet und seit dem 1. Oktober 2020 auch um die Indoor-Farm Profarms in St. Pauls reicher.Wie seid ihr auf die Idee gekommen Profarms zu gründen?
Ulrich: Eigentlich begann alles während meines Studiums der Landwirtschaft an der Uni Bozen. Ein Studienkollege hat mir vom Vertical Farming erzählt und ich konnte mich sofort davon begeistern lassen. Bei einem Mittagessen habe ich dann Patrick kennengelernt, welcher Energie-Ingenieurwissenschaften studierte und aus einer Familie mit Schlossereibetrieb stammte. Glücklicherweise konnte ich ihn für meine Idee gewinnen. Was dann folgte, war eigentlich eine breit angelegte Recherche im Internet, aber natürlich auch ein Austausch mit Uni-Professoren. Die Kunst bei unserem Unterfangen war die gesamte Wissensaneignung rund um Biologie, Landwirtschaft, Chemie, Klimatechnik, Elektrotechnik oder Hydraulik. Im Mai 2020 konnten wir dann erstmals Microgreens von unserer selbst gebauten Indoor Vertical Farm ernten.Wer ist Profarms?
Patrick und ich als Gründer, Andreas in der Landwirtschaftsentwicklung, Ankur in der Sofwareentwicklung, Helga und Renate in der Produktion.
Welche Hürden gab es in den ersten beiden Jahren zu bewältigen?
Hürden gab es einige. So haben wir zum Beispiel anfangs nicht geeignetes Qualitätssaatgut erhalten. Also einfach gesagt Saatgut, das nicht keimte. Zwischendurch gab es auch Maschinenausfälle, was dann natürlich einen Totalausfall in der Produktion zu bedeutet hatte. Mittlerweile haben wir auch die Verpackung optimiert und nutzen eine Kartonage-Verpackung, die biologisch abbaubar ist.
Und welche Ziele verfolgt ihr in diesem Jahr?
Wir versuchen weiterhin unsere Microgreens als Protagonist bzw. Gericht zu etablieren und nicht ausschließlich als Zierde der Gerichte gelten zu lassen. Schritt für Schritt versuchen wir auch den Vertrieb zu optimieren und zu wachsen.
Ihr wurdet ja im NOI Start-up Incubator aufgenommen. Was kann man sich darunter vorstellen?
Ja genau, wir wurden als Start-Up Unternehmen aufgenommen. Konkret heißt das, dass wir in Strategie, Planung und Netzwerk von einem Team im NOI Techpark unterstützt werden sowie eine technische Beratung erhalten.
Wer sind eure Abnehmer*innen?
Unser Fokus liegt auf Gastrobetrieben südtirolweit. Es sind sicherlich Köche, die großen Wert auf regionale und biologische Küche legen und ihre Gäste mit dem vielfältigen und intensiven Geschmack von unseren Microgreens überraschen möchte.
Welche Microgreens werden am meisten gekauft?
Wir haben eine bunte Palette an Gemüse- und Kräutersorten, wobei „die edle Erbse“ mit fast 70 % am meisten gekauft wird, gefolgt vom „Artista Mix“. Der Schnittknoblauch wurde hingegen aufgrund zu geringer Nachfrage aus dem Sortiment genommen.Wo kauft ihr die Samen für die Produktion?
Zwei Landwirtschaftsbetriebe aus der Emilia Romagna liefern uns das Saatgut.
Wieso eignen sich biologisch produziertes Schafwoll- oder Hanfsubstrat als Basis für die Microgreens besonders gut?
Hanfsubstrat ist grundsätzlich als biologisches Kressesubstrat sehr beliebt. Schafwolle eignet sich für einige Sorten besser, wie z. B. für die Erbse, den Senf oder die Kapuzinerkresse, und kann außerdem das Wasser besonders lang speichern. Die Schafwolle, die sonst eigentlich ein Abfallprodukt wäre, erhalten wir von Tiroler Almen … so also wird sie wiederverwendet.
Inwiefern sind eure Produkte nachhaltig?
Wir bauen auf eine ganzjährig lokale Produktion, benutzen keine chemischen Pflanzenschutzmittel, setzen u. a. Schafwolle für das Züchten der Kresse ein, nutzen den geringen Platz effizient, verbrauchen rund 90 % weniger Wasser als die konventionelle Landwirtschaft, weil das Wasser in einem geschlossenen System bleibt, und verwenden abbaubare Kartonageverpackungen.
Irgendwie ein bisschen Superfood-Brutkasten-Charakter, irgendwo und eigentlich überall möglich zu jeder Zeit und irgendwann vielleicht zukunftsfähige Landwirtschaft. Ulrich überrascht mich noch mit einer Box frischer Kresse. Klein aber oho – sie begeistert mich während des mehrtägigen Testlaufs (ich hab sie für Salate, Smoothies oder zum Dekorieren von Gerichten verwendet) durch ihren intensiven Geschmack. Mein Favorit ist das reizende Radieschen. Danke Profarmer!
Alles Fotos: © Profarms
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