Food

February 15, 2023

Lieber echt als perfekt: der Sockerhof

Nadine Pardatscher

Ihr habe die Ruhe gefehlt, der Platz und die Dunkelheit. Alle drei mag sie ganz gern und zieht deshalb wieder von der Stadt aufs Land. Tauscht Wien mit Mals und das Studium der Landwirtschaft mit der Handarbeit in der Landwirtschaft. Anna Folie ist 33 Jahre alt, meistens Bäuerin und lebt eine Hands-on-Mentalität. Sie pflanzt, jätet, erntet und verkauft ihr Gemüse gemäß dem Jahreskreis. Alles bio. Alles unbehandelt. 35 Kistln gefüllt mit saisonalem Gemüse und Getreide – das ist die durchschnittliche Menge, die Anna wöchentlich über rund 8 Monate für Mals und Umgebung vorbereitet. Oder anders gesagt: Rund 100 Personen kann sie mit ihrem Gemüse ernähren. Vinschger und Vinschgerinnen danken. Socker_5 © Andreas FolieMein Weg zum Sockerhof ins Obervinschgau ist lange, aber einmal angekommen, begrüßt mich die Sonne, der Vinschger Wind und die „Hex“. Anna’s Hündin oder eben auch Kundenbetreuerin und Klingelersatz in Teilzeit. Anna führt mich zunächst in die tropische Zone ihres Hofes. Im Gewächshaus ist es zwar recht warm, aber die Gemüsepflänzchen lassen noch auf sich warten. Dafür darf ich mir einen Luffa-Schwamm (Schwammkürbis) mitnehmen, welcher sich hervorragend zum Putzen oder für die Körper- und Gesichtspflege eignet. Socker_3 © Andreas FolieWir spazieren weiter über den wintergemäß eher „nackten“ Acker in Richtung Wollschweine. Für Anna sind sie alle fünf die Mitarbeiterinnen des Monats, weil sie für die Ackervorbereitung im Frühjahr und die Resteverwertung unabdingbar sind. „Sie arbeiten sogar am Wochenende“ – Anna lacht und dann kommt uns auch schon ihre gute Freundin Elisabeth entgegen. (Apropos, Elisabeth ist Gründerin vom Greiterhaus, einem weiteren Bio-Landwirtschaftsbetrieb im Vinschgau, aber Genaueres erzähle ich in meinem nächsten franz-Artikel.) Zusammen inspizieren wir den Stadel vom Sockerhof – zurzeit noch Abstellplatz für dies und das, aber bald schon Bühne für das Samenfest, welches dieses Jahr schon zum dritten Mal stattfindet. Saatgut wird getauscht, gekauft, es gibt Essen, Vorträge und Workshops. Ein Rahmenprogramm, das wärmstens zu empfehlen ist. Sobald die beiden Jungbäuerinnen Organisatorisches geklärt haben, lädt Anna zum Haferrisotto ein – mit am Tisch ihr „kleiner Bua“ Florin. Sie erzählen mir vom Vinschgau, vom Weggehen und vom Heimkommen, vom Gemüse und Obst und vielem mehr. Ich lerne wieder einmal mehr, dass Saatgut mitunter das Wichtigste ist, weil ohne Landwirtschaft unser aller Leben nicht funktionieren würde. Und dann lerne ich noch, dass „sui“ im Vinschger Dialekt „sie“ heißt.Socker_1 © Andreas Folie Socker_2 © Andreas Folie„Ein gerader, klarer Mensch“ wollte Anna immer werden und ich denke sie ist noch viel mehr. Anna wirkt auf mich sehr bedacht, mit dem Bestreben den Gemüseanbau „noch ein bisschen besser zu machen“. Sie weiß um die gesellschaftlichen Herausforderungen, kennt die Anforderungen an die Zukunft und ist um eine nachhaltige Entwicklung unserer Böden bemüht. Rücksichtsvoll und lösungsorientiert. Dabei ist ihr Hofkonzept ein bedeutsamer Mosaikstein dieser Entwicklung.

Als Besonderes an ihrem Hofkonzept beschreibt mir Anna die Kombination aus alter Landwirtschaft (dazu gehören die Handarbeit, die Vielfalt der Gemüsesorten, die Mischkultur) und die neuen Medien. Zu Letzterem gehört die Vermarktung via Social Media und die Online-Bestellungen. Gemüse gibt’s aber auch direkt bei Anna zu kaufen – ab Hof.
„Klein sein und klein bleiben“ – das ist ihr wirtschaftlicher Ansatz. Ganz kleine Low-input-Systeme und das Kleinsein erlauben ihr, Abweichungen von der Norm und von der Perfektion. Anna bleibt lieber „echt als perfekt“.Socker_6 © Andreas FolieWoher kommt deine Begeisterung für Pflanzen?

Ich habe Pflanzen immer schon gemocht, sie sind so fein ruhig. Ich habe aber erst auf der Uni gelernt, wie sie genau funktionieren und mitteilen, was sie brauchen. Seitdem läuft’s ganz gut mit ihnen.

Wärst du keine Bäuerin, wärst du …?

Weniger glücklich und weniger frei.

Der Sockerhof in drei Worten?

Klein, bunt, authentisch. 

Wer lebt alles auf dem Sockerhof?

Es leben mein „kleiner Bua Florin“ und ich auf dem Hof und direkt daneben wohnen meine Eltern und mein Bruder, auf die ich mich immer verlassen kann. Mein Vater hilft am Hof mit, meine Mama springt überall ein, wo jemand gebraucht wird, und mein Bruder macht wunderschöne Fotos. Außerdem sind alle drei immer auch für Florin da. Tiere gibt es auf dem Sockerhof auch einige.

Bietest du auf dem Sockerhof noch andere Aktivitäten an? Kurse, Führungen …?

Erstmals musste ich das Haus renovieren. Dadurch sind zusätzliche Aktivitäten jetzt möglich. Yoga gibt es bereits monatlich im Stadel und künftig vermutlich auch Führungen und Kurse. Wer weiß, vielleicht auch einen Spinnkurs für Spinner*innen. [Anna lacht.] Kultur ab Hof steht auf jeden Fall auf dem Plan.

Südtirol und Regionalität?

Regionalität: Eindeutig voll im Trend und den meisten wichtiger als bio. Südtirol und Regionalität: In meinen Augen ist (noch) zu wenig Vielfalt in der Agrarlandschaft und zu viel Schönfärben in der Bewerbung der Südtiroler Landwirtschaft da.

Anna hat mit dem Ruepphof und dem Greilhof engagierte Nachbarn und, wer weiß, vielleicht wird es wirklich, wie Anna hofft, eine Mariahilferstraße der Bio-Bauern …
Zu deinem Gemüsekorb geht’s hier.
Termin zum Eintragen: Samenfest am 5. März 2023, Sockerhof, Russlandstraße 1, (Eingang zum Stadel: von der Spitalstraße), Mals im Vinschgau.

Fotos: Sockerhof © Andreas Folie

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