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December 23, 2020

Slow Fashion macht Schule

Susanne Barta

Dass das Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ nicht ganz zutrifft, wissen wir, denn lernen und dazulernen kann man ein Leben lang. Dass man aber früh beginnen sollte, wissen wir auch. Es sind die jungen Menschen, die die Welt und ihre Zukunft darin gestalten. Gefordert sind hier Familie und Schule gleichermaßen. Ein inspirierendes Schul-Beispiel habe ich vor kurzem kennengelernt: Die Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung Tisens nimmt sich dem Thema Nachhaltigkeit seit vielen Jahren an. Ob bei Ernährung, Lebensmitteln, Verwendung von Plastik oder jetzt bei Textilien.Susanne Barta @ Fachschule Tisens Foto_2

Es hat bereits Tradition, dass Schüler*innen der Fachschule am Wettbewerb für politische Bildung, der von der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn ausgelobt wird, teilnehmen. Diesmal geht es um Slow Fashion. Die Schüler*innen der zweiten Klasse thematisieren dabei ihren Umgang mit Kleidung und das aus unterschiedlichen Perspektiven: wirtschaftlich, ökologisch und sozial. In Psychologie ging es zum Beispiel um Konsumverhalten und wie es gesteuert wird, in Biologie um Wasserverbrauch und Umweltverschmutzung, in den Fächern Textilverarbeitung und Wäscheversorgung um praktische Fertigkeiten wie nähen, sticken und stricken und die Pflege der Kleidungsstücke. Darüber hinaus gab es Workshops über faire Produktion und Upcycling, Gespräche mit Fachleuten und Kleidertausch-Gelegenheiten. Aus alten Blusen sind zum Beispiel Kissen entstanden, aus alten Jeans Handytaschen, aus Pullovern Arm- und Beinwärmer. Und auch sonst wurde viel experimentiert.Susanne Barta @ Fachschule Tisens Foto_3+4

Das Projekt in Corona-Zeiten zu stemmen war alles andere als einfach.  Alle Aktivitäten münden nun in ein siebenminütiges Video, das mit einem Projektbericht als Wettbewerbsbeitrag eingereicht wird. Abgabetermin war der 23. Dezember, Corona bedingt wurde die Frist in den Januar 2021 hinein verlängert.

Letzte Woche war ich in Tisens, habe mit einigen Schülerinnen und Projekt-Koordinatorin Christine Gutgsell gesprochen und mir die Plakate und selbstgefertigten Stücke angeschaut. Mode ist ein wichtiges Thema für die Mädchen, sie sind zwischen 15 und 16 Jahre alt.

Susanne Barta @ Fachschule Tisens Foto_5+6

Martina achtet zum Beispiel mehr als früher darauf, wie ihre Kleidungsstücke produziert wurden und bevor sie etwas Neues kauft, stöbert sie erstmal im eigenen Kleiderschrank. „Vor dem Projekt war beim Kleiderkauf nur wichtig, dass es nicht zu teuer und bequem ist.“

Selina ist früher viel zu H&M und anderen Ketten gegangen. „Oft habe ich das, was mir gefallen hat, auch gekauft. Durch dieses Projekt überlege ich mir nun, ob ich das Kleidungsstück wirklich brauche oder darauf verzichten kann. Ich habe meinen Kleiderschrank ausgemistet und experimentiere mit den Sachen, die ich habe.“ Wichtig ist ihr auch, anderen Jugendlichen zu vermitteln, dass es auch anders geht. Außerdem habe sie gelernt, dass man alte Kleidung nicht einfach wegwirft, sondern ihnen eine zweite Chance geben kann, man kann sie flicken, umändern, kürzen, verlängern oder verschenken.Susanne Barta @ Fachschule Tisens Foto_7

Erika hat sich Kleider vom Vater geholt und umgeändert. „Meine Freundinnen kaufen ein, ohne viel darüber nachzudenken, für mich hat sich aber einiges geändert. Interessant war zum Beispiel, dass wir in Biologie über die Verwendung von Chemikalien in der Kleiderproduktion gesprochen haben und ich weiß nun, dass vieles schädlich ist, was wir auf der Haut tragen.“ 

Auch Marion betont, dass sie viel gelernt hat. Sie achte jetzt darauf, wie man Wäsche richtig wäscht. „Und beim Einkauf schaue ich mehr auf Qualität. Mir ist wichtig, dass Kleidung fair produziert wird, Fair-Trade- und Secondhand-Läden gefallen mir sehr gut.“

Susanne Barta @ Fachschule Tisens Foto_8+9

Für Projekt-Koordinatorin Christine Gutgsell fügt sich die Beschäftigung mit Slow Fashion als weitere Facette in die Nachhaltigkeitsbemühungen der Schule gut ein. „Die Projekte greifen ineinander, das Thema wird in unterschiedliche Fächer eingebaut. So ein Projekt funktioniert aber nur, wenn die ganze Schule dahintersteht, Schulleitung, Klassenrat, Personal und Schüler*innen, wo jeder das beiträgt, was sie oder er am besten kann. Mich verändert vor allem die Zusammenarbeit mit den Schüler*innen. Besonders gut gefällt mir, mit welcher Energie und Unbeschwertheit sie sich in neue Projekte stürzen.“Susanne Barta @ Fachschule Tisens Foto_10

Ein großes Kompliment an die Schüler*innen und Schulverantwortlichen für das Engagement und die vielseitige Umsetzung dieses Projekts. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wer sich einmal grundlegend mit den Praktiken der globalen Modeindustrie beschäftigt hat, verändert etwas in seinem Verhalten. Klar soll Mode weiterhin Spaß machen, aber wie wir sehen, es geht auch (etwas) anders.
Für den Wettbewerb wünsche ich alles Gute!

 

Fotos © Susanne Barta

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