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June 10, 2020

Lockdown Design – Cornelia Kraske

Susanne Barta

Ihr Schreibtisch ist normalerweise mit Büchern, Blättern, Zeichnungen und Stiften bedeckt, jetzt finden sich dort unterschiedliche Stoffe in verschiedenen Farben, Schnitte, Schere und Lineal. Cornelia Kraske arbeitet freiberuflich als Kostümbildnerin. Sie entwarf über 100 Kostümbilder, u. a. an Theatern in Nürnberg, Münster, Wien, Linz, Salzburg, Graz, Klagenfurt und Bozen. Cornelia hat Modedesign in Berlin studiert, zunächst als Designerin gearbeitet, sich aber sehr bald dem Theater zugewandt. Erste Erfahrungen sammelte sie bei Frank Castorf an der Volksbühne Berlin und als Kostümbildnerin für freie Berliner Theatergruppen. Cornelia ist viel unterwegs, in der Zeit des Lockdown war sie zuhause in Linz. So lange wie noch nie. Die ungewohnte Ruhe, die Erfahrung, wirklich Zeit zu haben, haben sie zurück an die eigene Nähmaschine gebracht. Begonnen hat es mit Masken, daraus ist dann bald ein neues Projekt entstanden: Cornelia designt und näht Taschen. Und die sehen richtig gut aus.

Cornelia Kraske und Stefan Brandtmayr Foto_2+3

Cornelia, Kostümbildnerin goes Taschen-Designerin und -Produzentin. Wie hat sich das entwickelt?

Vor dem Lockdown war ich parallel mit vier Produktionen beschäftigt. Eine wurde einen Tag vor der Premiere gestoppt, eine weitere zwei Wochen davor, bei der anderen hatte die Schneiderei gerade begonnen, die Kostüme anzufertigen, und auch eine Oper war schon in den Startlöchern. Dann kam der Lockdown. Aus der Not heraus habe ich zunächst begonnen Masken zu nähen. Alle brauchten eine, kaum jemand hatte eine. Mein Beruf ist so zeitintensiv, ich bin kaum zuhause und habe daher kein großes Lager an Stoffen. Also begann ich mit dem, was ich hatte, dann wurden auch Hemden zerschnitten und ich habe Freunde um Stoffreste gebeten. Es gab einen Flyer mit den verschiedenen Modellen und dem Slogan „Kraske macht Maske“. Freunde konnten sich was aussuchen und ich habe es produziert. Mittendrin fing dann meine Nähmaschine an zu spinnen, ein Freund, der einen Kostümverleih hat, schenkte mir eine alte Pfaff-Industrienähmaschine. Ich konnte weiternähen und wollte auch gar nicht mehr aufhören. Eines Tages hatte ich die Idee für eine silberne Tasche, ich wollte einfach eine haben, und habe kurzer Hand eine gemacht. Stefan, mein Mann, hat dazu ein Logo entworfen. Die Resonanz auf die Tasche war so groß, dass ich weitere genäht habe. Ich habe Stoffe gekauft und begonnen, Taschen zu produzieren. Das Design entsteht beim Machen. Und so arbeite ich von früh bis abends und bin wie besessen.

Cornelia Kraske und Stefan Brandtmayr Foto_4+5

Ist das für dich ein vorübergehendes Projekt? Oder soll die Produktion von Taschen weiter gehen?

Ich möchte sehr gerne weitermachen. Es macht so großen Spaß. Anfangs habe ich gemerkt, dass mir noch das Gefühl für die verschiedenen Stoffe fehlt, aber ich habe wieder Routine bekommen. Für die ersten Taschen brauchte ich acht Stunden, jetzt geht’s schon in drei. 

War der Lockdown die Voraussetzung dafür, dass du diesen neuen kreativen Ausdruck gefunden hast?

Mir schwirrten schon seit längerem Ideen im Kopf herum, was ich machen könnte. Aber ohne Corona wäre es nie dazu gekommen. Ich hätte keine Möglichkeit gehabt, wirklich dran zu bleiben.

In diesem Blog geht es ja um nachhaltige Aspekte in der Mode. Ist das für dich ein Thema? Als Kostümbildnerin und als Designerin?

Ich war immer unterwegs, immer im Stress und habe nebenbei geshoppt. Wenn ich Kostüme kaufte, hab ich einfach noch ein Teil für mich mitgenommen. Ich habe auch gar nicht darüber nachgedacht. Bestellt wurde bei Amazon und Zalando, das machen alle Kostümbildnerinnen so. Jetzt durch den Lockdown denke ich anders darüber nach. Ich schaue, was es gibt in meinen Kleiderschrank und was ich umändern könnte. Vor kurzem hat mir eine Freundin einen tollen Vintage-Rock geschenkt, den nähe ich gerade um. Ich mag auch nicht mehr so sinnlos Geld ausgeben für Blödsinn.

Cornelia Kraske und Stefan Brandtmayr Foto_6

Wird sich das auch auf deine Arbeit als Kostümbildnerin auswirken?

Wenn ich ein Kostümbild für ein Theaterstück entwerfe, denke ich ehrlich gesagt nicht an Nachhaltigkeit. Aber die Kostüme kommen nach einer Produktion in einen Kreislauf, sie wandern in den Fundus und aus dem Fundus werden sie wieder herausgezogen und umgearbeitet für eine andere Produktion. Was aber in den letzten Jahren vermehrt passiert ist in den Theatern: Die Schneidereien wurden immer kleiner, das Personal gekürzt, die Anfertigungen gehen zurück, immer mehr Kostüme werden gekauft. Oft waren die gekauften Kostüme schon nach einer Produktion verschlissen. Aber ein handwerklich hochwertiges Kostüm kann wieder verarbeitet werden. 

Mit welchen Materialien arbeitest du bei deinen Taschen?

Bislang habe ich genommen, was ich bekommen habe. Ich wollte für den Beginn auch keine hochpreisigen Materialien verarbeiten, sondern einfach mal schauen, ob und wie es funktionieren kann. Ich möchte mich aber eingehender mit Materialien beschäftigen, forschen, welche ich in Zukunft verwenden kann. Bisher sind die Taschen aus Kunstleder. Gerade habe ich ein spannendes Material entdeckt, einen beschichteten Jeansstoff. Schaut sehr cool aus, gold-metallisch glänzend. Die Taschen sind gefüttert mit einem abwaschbaren Stoff und es gibt auch zwei kleine Innentaschen.

Cornelia Kraske und Stefan Brandtmayr Foto_7+8

Du hast ja schon früher als Designerin gearbeitet. Einige Entwürfe von dir werden noch produziert, hast du mir erzählt …

Ich habe in meinen 20ern bei Luzifer clothes gearbeitet, sie stellen Leinenbekleidung in knalligen Farben her. Wir haben alte Leinenstoffe, Schlafsäcke und Tücher, vom Militär aufgekauft und zu Bekleidung umgenäht. Ich habe zum Beispiel ein teilbares Kleid entworfen mit einem mittig durchgehenden Reißverschluss, der eine vielfältige Farbzusammenstellung der Kleiderhälften erlaubt. Eine Hälfte ist zum Beispiel weiß, die andere schwarz und wenn man eine weitere Farbe dazu nehmen möchte, kann man noch ein halbes Teil kaufen. Dieses Kleid ist immer noch im Shop auf der Website.

Wann startet deine Arbeit als Kostümbildnerin wieder?

Eigentlich müsste ich ja schon am Schreibtisch sitzen und Figurinen zeichnen für Lulu, die Oper von Alban Berg, die im Theater in Heidelberg zur Aufführung kommt. Vor dem Sommer muss ich das fertig machen, aber ich bin vom Nähen so begeistert, dass ich das immer noch hinausziehe.

Wer an einer Tasche von Cornelia Kraske interessiert ist, kann sich auf Instagram bei ihr melden: instagram.com/cornelia_kraske. Bisher gibt es ein größeres und kleineres Modell, ein neues Modell ist schon in Entwicklung. Die Taschen kosten um die 100 Euro. 

Vielleicht hat jemand von euch auch ein (nachhaltiges) Fashion-Projekt begonnen während des Lockdown? Schreibt mir!

Cornelia Kraske und Stefan Brandtmayr Foto_9

 

Fotos © Cornelia Kraske und Stefan Brandtmayr; (1) Cornelia steht vor einem Kunstwerk von Oliver Dorfer 

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