Von der Kunst, im System mit System lebendig begraben zu werden

Von der Kunst, im System mit System lebendig begraben zu werden
In diesem Südtirol – egal ob diese oder jene Stadt oder ein anderes Teil des Landes – fehlt es nicht nur an Orten für Musik – wie beispielsweise Konzertveranstalter Maurice Bellotti im Interview bedauert. Es fehlt grundsätzlich die Lust auf Veränderung, der Mut für Neues. Trotz Innovation Festival und Innovation and Technology Center. Es geht tatsächlich die Angst um, vor Fremdem, Neuem, Unüblichem. Ist ja auch menschlich. Ein wenig. Im Allgemeinen. In Südtirol besonders. Es fühlt sich halt einfach sicher an, hier, da zwischen Äpfeln und Birnen, mit Eau de Speck gesprenkelt, blauen Schürzen gekleidet, Weinfahnen schnalzend und Mirseinmir-Hymnen lallend, sich wendehalsig Griasti zunickend…
“…Innovation passiert in den Köpfen. Abends bei einem Glas Wein, auf der Straße, wenn du Leute triffst, mit ihnen redest, dich austauschst,” hat ein Bekannter kürzlich zu mir gemeint. Er ist inzwischen übrigens ausgewandert, “hier passiert eh nix”. Das finstere Tal lässt grüßen. Im Mittelalter wurden Gesang und Musik eindeutig mehr geachtet und geschätzt, um beim Anfangsthema zu bleiben. Bei jeder Gelegenheit wird in der Öffentlichkeit der Anschein erweckt, dass “Musik” und “Nachtleben”, mit Ausnahme systemfreundlicher Veranstaltungen, laut, düster, gemeingefährlich, tourismusfeindlich sind. Allgemeiner gehalten kann gesagt werden, dass neue, frische Ideen, die nicht struktur- und/oder systemkonform sind, hierzulande grundsätzlich zuerst bekrittelt, dann zerredet, hinausgezögert, vereitelt, verhindert und schließlich lebendig begraben werden. Mitsamt ihren IdeatorInnen.
Verordnete Verordnungen, beschlossene Beschlüsse, reglementierende Reglementierungen, gesponnene Hirngespinste. Mission: Vermiesung. Possible? – Impossible? – Doch lasst uns nicht allzu phantastisch und realitätsfern werden. Bleiben wir beim Konkreten und Aktuellen. Frisch gebraut – es haftet ihm noch der Geruch des Hals über Kopf an – darf ich euch den letzten Amtsstreich – auf Bürokratisch: “Verordnung” – präsentieren:
“VERORDNUNG DES BÜRGERMEISTERS: Einschränkung der Ausübung von Wander- und Künstlergewerbe zum Schutz der Lärmbelästigung.”
Steht da geschrieben. Falls ihr es nicht glaubt, hier (siehe “VERORDNUNG/ORDINANZA PROT. 11777…”) könnt ihr es mit eigenen Augen in euch aufnehmen, Adern und Gehirnwindungen penetrieren lassen. (Zu finden übrigens in der Kategorie “Dringlichkeitsmaßnahme bei Gefahr in Verzug” auf der digitalen Amtstafel der Gemeinde Bozen.) Gebt euch ruhig die Zeit, es zahlt sich aus. Ab Seite 2 wird es besonders aufschlussreich. …Straßenkunst und Straßenmusik darf nur mehr zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten von bestimmten Leuten praktiziert werden… Alles andere wird verbannt und bestraft.
Vor Kurzem waren wir noch Kulturhauptstadt – ja eh, bloß Anwärter – aber immerhin. Das war einmal und ist jetzt ganz weit weg. Vergessen. Äh… in welchem Jahrhundert befinden wir uns gerade…? – Mir ist es entfallen. Straßenkunst – wtf ist das? Straßenmusik? Wer wird belästigt? Wer ist hier zu schützen? Und wem gehört sie überhaupt, die Stadt da? …und die Berge da und Täler, und der Schlern da, der Ortler, der Walther, die Anita… Es läuft halt leider immer und immer wieder auf das eine hinaus: aufschaufeln, reinschmeissen, zuschaufeln, draufprunzen…
…alles verloren?! – …es bestünde noch die Möglichkeit des Sich-Ausbuddelns… es werd Zeit…