„SEX.WORK – Das ist keine Peepshow“ auf der Dekadenz-Bühne in Brixen

© Alena Klinger
© Alena Klinger
„SEX.WORK – Das ist keine Peepshow“ – so lautet der Titel des Stücks, das ab Freitag, 7. November 2025 die Bühne der Dekadenz Brixen bespielt – weitere Vorstellungen bis 23. November 2025. Das von Dekadenz in Brixen und Theater praesent in Innsbruck koproduzierte Stück verspricht Witz, Wut und Glitzer. Auf den Innsbrucker Bühnen hat SEX.WORK mit seinen vielen Grautönen und dem komisch-absurd, aber stets feministischen Blick die Zuschauer:innen bereits im Oktober in ausverkauften Shows amüsiert und inspiriert. Für franzmagazine habe ich mit den Regisseurinnen Michaela Senn und Elke Hartmann über ihre Inszenierung gesprochen. Lasst euch zur Neugier begeistern …



Wie wurde an das Sujet der Sexarbeit herangegangen?
Michaela: Zunächst recherchierten wir alle unabhängig voneinander, lasen Bücher, besuchten Lesungen, informierten uns über Rechtliches und beschäftigten uns mit dem Bild der Sexarbeitenden, das uns die (Pop-)Kultur bot. Danach gingen wir in den Austausch, improvisierten mit den Spielerinnen und haben nach Parallelen zwischen der Arbeit im Theater und der Arbeit der Sexarbeitenden gesucht. Aus dem ganzen Sammelsurium haben wir den Spielerinnen dann jeweils eine andere Position in der Debatte zugeordnet und daraus dann diesen Abend entwickelt.
Elke: Ja, es ist erstaunlich, wenn man Sexarbeit mal vom Milieu trennt, wie schnell Schauspielerinnen, aber eigentlich, glaube ich, auch beinahe jede Person, Situationen in ihrem Leben finden, wo es Parallelen gibt. Das finde ich insofern einen interessanten Weg, weil Sexarbeiter:innen dann ein Stück näher zu uns rücken, und ein Stück weniger DIE ANDEREN sind.
In welcher Beziehung stehen die Künstler:innen zu Arbeiter:innen aus dem Bereich der Sexarbeit?
Michaela: Die Arbeit mit dem Körper, das Befolgen von Anweisungen, die ständige Beurteilung, oft auch die Momente der Grenzüberschreitung, das Gefühl, man stünde als Angebot da, das Vergessen, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt …
Was waren die Herausforderungen und Grenzen, denen ihr bei der Arbeit am Stück begegnet seid?
Michaela: Die große Herausforderung ist natürlich die, nicht (nur) Klischees zu reproduzieren, oder die Pro- und Kontrapositionen nicht ernst genug zu nehmen. Außerdem war es uns wichtig, nicht „für die Sexarbeitenden“ zu sprechen, ihnen Sachen in den Mund zu legen, Zuschreibungen zu machen, sondern mehr die Perspektive zu betrachten: Was sagt die Position, die ich in dieser Debatte einnehme, über mich aus? Warum wird da so oft doppelmoralisch argumentiert? Woher kommen die vielen Klischees?
Elke: Letztlich ist es ein Abend geworden, der Sexarbeit behandelt, aber auch die fragwürdige Kommunikationskultur im Feminismus. Man erlebt drei Feministinnen, die um Haltung und Meinung ringen. Da liegt dann auch der Humor des Abends. Denn das war die nächste Herausforderung, ein so ernstes, gesellschaftlich wichtiges Thema konsumierbar und unterhaltsam rüberzubringen, ohne dass es auf Kosten der Sexarbeiter:innen geht.

Wie wurden die unterschiedlichen nationalstaatlichen Kontexte, entlang derer ihr euch im Stück bewegt, eingearbeitet?
Michaela: Es war relativ schnell klar, dass trotz der verschiedenen rechtlichen Rahmungen, sicheres Arbeiten weder in Italien noch in Österreich möglich sind. Das heißt, egal wie die gesetzliche Lage ist, sie fällt immer zu Ungunsten der Sexarbeitenden aus.
Was findet ihr am Stück beeindruckend?
Michaela: Dass es die Menschen doch auch sehr trifft und berührt. Es scheint eine große Notwendigkeit zu herrschen, öffentlich darüber in die Auseinandersetzung zu gehen.
Elke: Wir fanden absolut erstaunlich, wie gut der Abend in Innsbruck besucht wurde, auch wie jung das Publikum war. Dass es da ein so großes Interesse am Thema gibt, das hat mich wirklich überrascht. Wäre sehr schön, wenn sich das in der Dekadenz wiederholt. Jedenfalls sind wir sehr gespannt, wie das Stück in Brixen aufgenommen wird. Es bleibt ja, trotz aller Sorgfalt, ein heikles Thema.
Inwiefern hat euch das Stück inspiriert und wo hat es Neugier geweckt?
Michaela: Es zeigt einmal mehr, dass eindeutiges Schwarz-weiß-Denken nicht trägt. Dass unsere Realität einfach extrem viele Grautöne mitdenken muss. Und dass „die verfickte Doppelmoral das große Problem ist“.
Elke: Genau, dass es auch nicht unbedingt wichtig ist, sich auf eine Seite zu schlagen, dass es schon ein großer Schritt ist, sich empathisch und unaufgeregt einem Themenkomplex zu nähern, und von allen Seiten zu betrachten, statt vorschnell und lautstark eine Meinung zu vertreten.