Ein literarisches Potpourri zwischen Meran, Brixen, Innsbruck und Frankfurt
Im Herbst reihen sich die literarischen Veranstaltungen und Ereignisse so eng aneinander, dass es einiges an Methodik und Selbstdisziplin braucht, um nicht komplett den Überblick zu verlieren. In Deutschland fand etwa in der letzten Woche die Frankfurter Buchmesse statt und mein Insta-Feed war voll von Buchmenschen und Verlagen, die von dort berichtet haben. Oder auch nicht: Denn wie schon im letzten Jahr, gab es auch heuer vermehrt Boykottaufrufe, unter anderem aufgrund der deutschen Haltung zum Gaza-Krieg. Dem Boykott angeschlossen haben sich auch einige literarische Vertreter:innen der Philippinen, die sich ihrer historischen Vergangenheit als Kolonie wegen, mit dem palästinensischen Volk besonders stark solidarisieren. Die Philippinen waren in diesem Jahr übrigens Ehrengast der Buchmesse und ich habe – wenig überraschend – noch nie ein Buch einer philippinischen Autorin oder eines philippinischen Autors gelesen. Falls es euch ähnlich geht und ihr dies ändern möchtet, dann findet ihr hier die Liste philippinischer Neuerscheinungen auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Es sind spannende Titel darunter. Kurz vor dem Beginn der Frankfurter Buchmesse wurde noch der Deutsche Buchpreis vergeben. In diesem Jahr bekam ihn die Schriftstellerin Dorothee Elmiger für ihren Roman Die Holländerinnen (2025, Hanser Verlag). Und kurz davor bekam der Schrifsteller Ozan Zakariya Keskinkiliç den Aspekte-Literaturpreis für sein Buch Hundesohn (2025, Suhrkamp Verlag).
Tolle Neuigkeiten erreichen uns auch aus Österreich. Die Brixner Autorin Miriam Unterthiner wurde mit ihrem Theatertext Blutbrot (2025, edition Laurin) neben zwei weiteren Büchern auf die Shortlist Debüt 2025 des Österreichischen Buchpreises gewählt. Die Gewinnerin wird am 10. November verkündet. Ihr seht, es ist gerade ganz schön viel los im Literaturbetrieb.
Keine hochdotierten Preisverleihungen, aber abwechslungsreiche literarische Veranstaltungen finden in den kommenden Tagen auch in Meran, Brixen und Innsbruck statt:
Im Rahmen der Meraner Sprachspiele lesen am heutigen Mittwoch, den 22. Oktober ab 19:30 im Pinken Salon des Hotel Aurora an der Meraner Passerpromenade die zwei jungen Raetia-Nachwuchsautoren Julian Peter Messner und Laurenz Kofler aus ihren jeweiligen Büchern: In seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen Wörtersammeln und Stichwörteln (2024) gibt der Autor Einblicke in sein Leben mit Trisomie 21. Im Debütroman Aufstehen (2025) erzählt Laurenz Kofler die Coming-of-Age-Geschichte eines Bozner Oberschülers.
Spannend wird der heutige Abend auch im Innsbrucker Literaturhaus am Inn, wo ab 19:00 Wörter nicht gelesen, sondern performt werden. Die österreichische Dramatikerin und Performerin Carolyn Amman befasst sich in ihrer Darbietung mit der Welt zwischen uns, die aus Sprache besteht und in der sich Soziales mit Politischem und Bedeutung mit Affekt verwebt. Die Hamburger Schauspielerin und Dramaturgin Lisa Kärcher und die Tiroler Dramatikerin, Lyrikerin und Texterin Petra Maria Kraxner untersuchen in ihrer Performance Verliebt euch! die Kraft der Sprache, die berührt, beschreibt und bezichtigt – zwischen KI-basierten Schreibübungen und im Publikum verteilten Stiften und Zetteln, bei denen woke Liebesbriefe geschrieben werde. Der Abend ist Teil von [mitSprache: Entpört euch!], einem freien Zusammenschluss der Österreichischen Häuser der Literatur.
In der Dekadenz in Brixen finden diese Woche gleich zwei Literaturveranstaltungen statt, die aufzeigen möchten, wie vielseitig Sprache auf der Bühne sein kann. Am Donnerstag, 23. Oktober um 20:00 gastiert dort auf Einladung von ZeLT im (Kultur-)Keller das Leipziger Trio Hypochondrische Ängste, eine Band, die gesprochene Texte mit Musik zwischen Jazz, Pop und Postpunk verbindet und dabei das Zusammenspiel von Sprache, Rhythmus und gesellschaftlicher Wahrnehmung untersucht. Klingt nach einer spannenden Verbindung zwischen Literatur und Musik.
Zwei Schreibstile, eine Lesung bieten Max Silbernagl und Jörg Zemmler am Samstag, 25. Oktober um 20:00 bei Urlaub vom Schlern: Die beiden Autoren, von denen sich einer als räudiger Undergroundpoet, jetzt mit Buch beim anerkannten Verlag, und der andere als eigentlich Lyriker, der nie über Südtirol schreiben wollte – und dann 116 Geschichten dazu schrieb, beschreiben, lesen aus ihren aktuellen Büchern. In Von hier sieht’s schräg aus (2024, Edition Raetia) beobachtet Max Silbernagel das Leben von seinen Rändern aus: direkt, humorvoll und mit einer guten Portion Punk-Haltung. Autor, Musiker und Performer Jörg Zemmler geht in seiner Neuesten Südtiroler Landeskunde (2024, Edition Raetia) den Geschichten und Mythen der 116 Gemeinden Südtirols nach, allerdings mit erfundenen Erklärungen, scharfem Witz und viel Fantasie.
Hinweisen möchte ich auch auf die Doppellesung von Josef Oberhollenzer und Lorena Pircher am Freitag, 7. November um 19:30 im Ansitz Thierburg in Meran: Mit Oberhollenzers neuesten Werk Sellemond oder Von der Schwierigkeit Touristen zu töten (2025, Folio) und dem lyrischen Band eure stimmen eure sprachen (2024, edition exil) von Lorena Pircher bringen die Meraner Sprachspiele zwei komplett unterschiedliche Stimmen aus der Südtiroler Literaturszene hin zum Publikum.