Schriftstellerin Sabine Gruber © Peter Eickhoff
Schriftstellerin Sabine Gruber © Peter Eickhoff
Die Liste der Preise und Ehrungen, mit denen die aus Lana stammende Schriftstellerin und Lyrikerin Sabine Gruber (Meran, 1963) im Laufe ihrer Karriere ausgezeichnet wurde, ist lang. In diesem Jahr wurde ihr etwa das Ehrenzeichen des Landes Tirol verliehen. Davor unter anderem der Preis der Stadt Wien für Literatur (2019), der Österreichische Kunstpreis für Literatur (2016), der Anton-Wildgans-Preis (2007) oder der Reinhard-Priessnitz-Preis (1998). Darüber hinaus war Sabine Gruber Stadtschreiberin in Klagenfurt und Innsbruck, Stipendiatin in Stuttgart, Lüneburg und Wien und Artist in Residence im Schweizer Winterthur. Ihre Bücher fanden sich auf der Longlist des Deutschen Buchpreises (Über Nacht, 2007) und der Shortlist des Österreichischen Buchpreises (Daldossi oder Das Leben des Augenblicks, 2016). Sie ist seit 2022 Ehrenbürgerin der Universität Innsbruck, nennt das Verdienstkreuz des Landes Tirol seit 2013 ihr Eigen und wurde auch in Südtirol mehr als einmal für ihr literarisches Schaffen ausgezeichnet. Und man mag es kaum glauben oder doch, die Liste der Aufzählungen ist damit noch lange nicht vollständig.
Nun gesellt sich zu dieser überaus beeindruckenden Sammlung der Hauptpreis der Walther-von-der-Vogelweide-Stiftung hinzu. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird Sabine Gruber für ihr herausragendes literarisches Lebenswerk verliehen. Laudatorin Iris Hermann, Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Bamberg, dazu: „Sabine Gruber schreibt keine Thesenromane, sondern präzise strukturierte Prosa. Ihre Recherchearbeit ist kein bloßes Beiwerk, sondern Teil einer ethischen Haltung: der Verpflichtung, Stimmen, Orte und Ereignisse ernst zu nehmen und das historische Gewicht spüren zu lassen und gegebenenfalls neu zu verhandeln. Sie lädt uns ein, genauer hinzusehen: auf die feinen Risse in Beziehungen, auf die Verwerfungen der Geschichte, auf die Dinge, die Menschen hinterlassen. Ihre Romane öffnen Räume, in denen das Private und das Politische, das Dokumentarische und das Poetische, das Gesagte und das Verschweigen ineinandergreifen. Ihre akribische Recherche ist dabei mehr als Materialsammlung. Sie ist Ausdruck einer Verantwortung: gegenüber der Vergangenheit, gegenüber den Figuren, gegenüber den Leserinnen und Lesern.“ […]
Sabine Gruber lebt nun schon lange in Wien. Schreibt neben Romanen auch Gedichte und Erzählungen, Theaterstücke, Hörspiele, aber auch politische Reden. Zuletzt von ihr erschienen sind der Roman Die Dauer der Liebe (2025, C. H. Beck), der Gedichtband Fang oder Schweigen (2022, Wieser Verlag) und die Journalgedichte Am besten lebe ich ausgedacht (2022, Haymon). Sich selbst bezeichnet sie als politischen Menschen, der – so erzählt sie es in einem Interview mit Kunigunde Weissenegger für das Magazin der Region Lana, Greatthings from… – „die Ungleichheiten in der Gesellschaft sieht, die wirtschaftlich Abgehängten, die Kranken, Vernachlässigten, das ganze Elend.“ Und der auch sieht, „wie die Privilegierten nicht nur weiter ihre Privilegien ausbauen, sondern auf die Verlierer und Verliererinnen herunterschauen …“. Es sind ebendiese Konstellationen, aber auch das Fortleben von Faschismus und Nazi-Ideologie, die sie in ihren Büchern gerne aufgreift. „Vielleicht“, so sagt sie im eben zitierten Interview über sich selbst, „interessiert mich der Blick von unten, die Perspektive der Beschädigten“.
Politisch-literarisch tätig war Sabine Gruber schon in ihrer Studienzeit. Engagierte sich kulturpolitisch in der Südtiroler Hochschülerschaft während ihres Studiums der Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft in Innsbruck und Wien und schrieb daneben Artikel und Rezensionen für Kulturzeitschriften und Tageszeitungen. Später übersiedelte sie als Lektorin nach Venedig und hielt Sprach- und Literaturkurse an der Universität Ca‘ Foscari. Als sie aus gesundheitlichen Gründen Anfang der 1990er-Jahre nach Wien zurückkehrte, unterrichtete sie Deutsch als Fremdsprache und arbeitete später im Büro des Vereins Grazer Autorinnen Autorenversammlung, dessen Vorstand sie bis 2019 angehörte. Ihre Nierentransplantation im Jahr 1994, bei der ihre Mutter Organspenderin war, verarbeitete sie 2024 literarisch in einem Artikel für Die Zeit.
Auf die große literarische Bühne wagte sich Sabine Gruber erstmals 1993. Mit ihrem Debütroman Aushäusige (zuerst erschienen im Wieser Verlag, nun Haymon TB) las sie beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt. Es folgten in kurzen Abständen zahlreiche weitere Romane, die allesamt in der Presse positiv besprochen wurden und, was für Sabine Gruber noch viel mehr zählt, auch vom Publikum begeistert angenommen wurden. Denn, so wird sie gerne zitiert, „was kann man sich als Schriftstellerin mehr wünschen?“ Ihr historischer Roman Stillbach oder Die Sehnsucht (2011, C.H. Beck), hier dazu ein Viedo-Interview von Susanne Barta für franzmagazine, in dem sie anhand dreier Frauenschicksale ein Stück österreichische und italienische Zeitgeschichte aufarbeitete, wurde von Andreas Jungwirth fürs Theater adaptiert und unter der Regie von Petra Luise Meyer im Februar 2015 am Stadttheater Bozen uraufgeführt. Ihre Romane werden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Darunter ins Italienische, Englische, Türkische, Finnische, Slowakische, Schwedische und Arabische.
Bekannt ist Sabine Gruber auch für ihre intensive Recherchearbeit. „Ich recherchiere, weil ich Neues kennenlernen will, weil nur die genaue Recherche Klischees verhindert und weil mir diese Befindlichkeitsprosa, die den eigenen Leib und den Blick auf den eigenen Tellerrand nie verlässt, persönlich auf die Nerven geht“, war ihre Antwort auf Kunigunde Weisseneggers Frage im bereits genannten Interview nach dem Warum. Daneben findet sie auch die Zeit, sich gemeinsam mit der Autorin und Journalistin Renate Mumelter um den literarischen Nachlass der im April 1997 verstorbenen Südtiroler Schriftstellerin Anita Pichler zu kümmern.
Der Walther-von-der-Vogelweide-Preis wird im Rahmen einer Feierstunde am Freitag, 31. Oktober 2025, um 18:00 im Haus der Kultur „Walther von der Vogelweide“ in Bozen, Schlernstraße 1, überreicht. Sabine Gruber wird anwesend sein.
Wir von franzmagazine sagen Danke für so viel gute Literatur und gratulieren Sabine Gruber gerne und von Herzen.