Kuratorin Elisa Barison und die Ausstellung über Lois Weinberger im barth Kunstraum
Ausstellung Lois Weinberger © Jürgen Eheim
„Franziska und Lois kenne ich schon seit vielen Jahren sehr gut, begonnen hat das Kennenlernen bei der Ausführung eines Kunst-am-Bau-Projektes in Tramin. Es waren verzerrte Schriftbilder, die mich gleich fasziniert haben. Über die Jahre haben wir uns immer wieder getroffen, in Gars am Kamp, in Wien, in Innsbruck...Kunst-Natur, Natur-Kunst Leider ist Lois im Jahre 2020 an einer schweren Erkrankung verstorben. Habe ihn sehr geschätzt.“
„Auf dem elterlichen Bauernhof ist niemals von Natur gesprochen worden, obwohl sich alles auf sie bezogen hat. Man lebte mit ihr und von ihr – es gab den Acker, die Wiese, das Vieh, die Kälte, die Wärme, den Hoch- und Tiefdruck, die Ballenpresse und die Blutvergiftung […].“
Für franzmagazine hat Kuratorin Elisa Barison mit uns einen vertiefenden Blick auf den Künstler und die Ausstellung geworfen.
Elisa, wer war der Künstler Lois Weinberger?
Eine gute Frage an eine, die ihn nie kennengelernt hat. Er war ein Visionär, in meinen Augen. Und eine Person, die ganz intensiv gelebt hat und leider zu früh verstorben ist. Mit intensiv leben meine ich nicht exzessiv oder so, sondern – und das reime ich mir bloß aus seinen Arbeiten und Texten und den Erzählungen über ihn zusammen – mit einem tiefen Verständnis dafür, dass das Leben selbst eine große und lange Metamorphose ist, bis man eben zur Erde zurückkehrt. Seine Arbeit lässt mich annehmen, dass er jene treibende Neugier, die man in Kindern findet – wenn sie zum Beispiel jeden Ast und Stein als etwas besonderes betrachten und sammeln wollen – bis ans Ende seiner Tage beibehalten hatte.
Wann und wo bist du seinen Werken das erste Mal begegnet?
In Büchern bzw. im Internet im Zuge von Recherchen. Dabei ging es gar nicht um Kunst, sondern um die Bedeutung von Unkraut und Brachland. Während ich Texte vom Landschaftsarchitekten und Autor Gilles Clément durchforstete, bin ich auf Lois Weinberger gestoßen und konnte es kaum glauben, dass es einen Künstler gäbe, nicht unweit von meiner Heimat und Bezugskultur geboren und aufgewachsen, der ebendie Fragen, denen ich in Cléments Texten nachging, in Kunstwerke umgesetzt hatte.
Die Idee, Lois Weinberger im barth Kunstraum auszustellen, kam von dir. Warum passen seine Werke für dich in diesen Ausstellungsraum?
Ich habe mich nicht gefragt, ob die Arbeiten in den Raum passen bzw. ist der Raum ein ziemlich klassischer white cube mit sehr tollen Raummaßen, sodass man mit der richtigen Auswahl und Hängung tolle Ausstellungen darin machen kann. Vielmehr war die jahrelange Freundschaft und Zusammenarbeit von Lois und Franziska Weinberger mit Ivo Barth ein Ansporn und eine Einstiegshilfe in das Projekt. Aber um doch noch auf die Frage zu antworten: Lois war stets um die Überwindung der Trennung/Dialektik von Kultur und Natur bemüht. Ich denke daher, dass ein Kunstraum, am Rande der Stadt inmitten einer komplett menschengemachten Industriezone, die jedoch von unbeachteten Ruderalpflanzen und einzelnen Brachen nur so strahlt, genau der richtige Ort für Lois Weinberger ist.
Wie würdest du die Kunst von Lois Weinberger beschreiben? Was ist für dich das Besondere daran?
Sie ist zunächst einzigartig. Natürlich ist jede Kunst einzigartig, aber Lois ist in keine Bewegung, Strömung oder anderweitige Schublade einzuordnen. Ich denke, wie oben schon erwähnt, dass das Besondere an seiner Fähigkeit liegt, Dinge, Situationen, Momente wahrzunehmen, zu entdecken bzw. zu beachten und sie dann zu verewigen. Die Arbeiten sind mehr als aktuell, obwohl sie teilweise aus den 1070er und 1980ern sind, was einerseits viel über seine visionäre Kraft, aber auch viel über den Zustand unserer Welt aussagt. Von Bildhauerei bis Zeichnungen, Fotografie, Texten, Videos und Installationen ist alles dabei. Daher ist Lois Weinberger auch kein klassischer Künstler mit kunstakademischem Background und einem definierten Medium. Er hat seinen Gedanken durch alles Mögliche Ausdruck verliehen, zum Beispiel gekeimten Kartoffeln – einfach genial!
Worauf bezieht sich der Name der Ausstellung?
Der Titel Nichts ist von einer Handlung zu sehen stammt von einer Serie an Schwarz-Weiß-Fotografien von 1979/80, mit welchen Weinberger die Geschichte von einem Waldspaziergang oberhalb seines Hauses erzählt: Er verschiebt auf dem Weg einen Ast, macht ein Foto davon und geht weiter. Die Aktion würde niemals jemandem auffallen und nur er selbst wüsste, dass etwas geschehen war. Ein scheinbar unscheinbarer Akt, der zutiefst poetisch (und politisch) ist und somit für das gesamte Schaffen und die Ästhetik des Künstlers steht.
Du hast die Ausstellung in Zusammenarbeit mit seiner Ehefrau Franziska Weinberger kuratiert. Welche Aspekte seiner Arbeiten zeigt ihr im barth Kunstraum?
Ja genau, das war ganz toll, weil Franziska ihn ja auch während seines Lebens in seiner Arbeit immer begleitet und unterstütz hat. Wir wollten ganz bewusst Arbeiten aus allen Jahrzehnten zeigen, von 1970 bis zu seinem Tod 2020. Außerdem sind auch viele diverse Medien, wie oben bereits erwähnt, vorhanden. Ich selbst empfinde das Werk von Lois Weinberger als ein Großes und Ganzes, wer über eine Arbeit den Einstieg findet und den (so sagt seine Frau Franziska) ungewollten bzw. natürlichen Wortwitz und Sarkasmus darin versteht, wird sich so schnell nicht mehr aus dem Bann herausziehen können.
Bei Interesse führt Elisa Barison an folgenden Tagen um 18:00 kostenlos durch die Ausstellung: 9.10.2025, 23.10.2025, 13.11.2025, 27.11.2025, 11.12.2025. Anmeldung via Mail an art (at) barth.it.
Zum Künstler: Lois Weinberger (1947, Stams/Tirol – 2020, Wien) lebte in Wien und Gars am Kamp. Er begann in den 1970er-Jahren mit ethnopoetischen Arbeiten, welche die Basis für seine Auseinandersetzung mit dem Natur- und Zivilisationsraum bildeten. Ruderalpflanzen – sogenanntes „Unkraut“ – wurden für ihn zum Ausgangspunkt von Zeichnungen, Texten, Objekten, Filmen und Arbeiten im öffentlichen Raum. 1991/92 entstand der „WILD CUBE“, eine Einfriedung, in der sich Spontanvegetation ungestört entfalten kann. 1993 realisierte er mit „BRENNEN“ und „GEHEN“ eine erste Bodenöffnung vor der Szene Salzburg. 1997 zeigte er diese Arbeit auf der documenta X und bepflanzte dort zudem ein 100 m langes Bahngleis mit Neophyten. 2009 bespielte er gemeinsam mit seiner Frau Franziska den österreichischen Pavillon der Biennale in Venedig. Er prägte die Debatte über Kunst und Natur seit den frühen 1990er-Jahren entscheidend mit.