Mehr als nur ein Fest. Ein Kampf. Ein Anfang.

Am vergangenen Wochenende zog die 1. Südtirolo Pride durch die Straßen von Bozen

02.07.2025

Demonstrationszug der Südtirolo Pride, Siegesplatz in Bozen, © Matteo Vegetti/Südtirolo Pride

Das war sie, die erste Südtiroler Pride. Festgehalten in eindrucksvollen Bildern, die mehr sagen als es die Worte eines weißen cis-hetero Manns je könnten: Farbenfreude, Vielfalt, Stolz. Die erste Südtirolo Pride war ein voller Erfolg – für Stadt und Provinz noch mehr als für die Veranstalter:innen. Für die Sichtbarkeit all jener, die sonst unterrepräsentiert sind, weit mehr als für die Partylaune aller Allies und Zujubelnden. Sie hat gezeigt, dass man in Südtirol ALLE mitnehmen kann – trotz kritischer Stimmen, prominenter No-Shows, brauner Bockigkeit. Und dass Veränderung am besten laut, euphorisch und friedlich beginnt.

Der Kopf des Demonstrationszugs in der Italienalle in Bozen, © Matteo Vegetti/Südtirolo Pride

Was als Aufbruch begann, wurde am Samstag, 28. Juni 2025 zur Eruption. Über 5.000 Menschen zogen bei der allerersten Pride Südtirols durch die Straßen der Stadt – bei 38 Grad im Schatten, mit glühenden Herzen und tanzenden Schritten: queere Menschen aus Südtirol, solidarische Allies, Eltern mit Kindern, Drag Queens, Aktivist:innen, Freund:innen, Fremde – alle zusammen, vereint im Wunsch nach Sichtbarkeit, Würde und Wandel. Es war laut. Es war zärtlich. Es war Geschichte.

Queer, loud and proud zeigten sich die Teilnehmer:innen des Demonstrationszugs der Stadt Bozen, © Riccardo Beccaro/Südtirolo Pride
© Rosario Multari/Südtirolo Pride

Der Umzug startete – wie geplant und trotzdem wie entfesselt – am Verdiplatz. Der Coro Highlight gab den Auftakt, und dann ging’s los: über den Dominikanerplatz, die Drususbrücke, die Italienallee, vorbei an Zuschauer:innen, neugierigen Blicken, solidarischen Grüßen.

Der Zug wurde zur Botschaft.

Jede Station ein Schritt Richtung Sichtbarkeit. Jede Trommel ein Herzschlag gegen das Vergessen. Bis hin zum Alexander-Langer-Platz, wo sich am frühen Abend ein Fest entfaltete, das zugleich Tanzfläche, Protestbühne und Safe Space war. Der Hitze trotzte man mit Euphorie, der Technik mit Improvisation.
27 Acts performten, sangen, sprachen, verwandelten den Platz in ein queeres Kaleidoskop. Besonders die Drag-Shows von Samantha Fire und Marea sorgten für Standing Ovations und für staunende Gesichter, selbst bei distanzierten, aber sichtbar gefesselten Promenaden-Passant:innen. Aber auch die leisen Töne wirkten nach: Gedichte, Erzählungen, politische Reden. Solidarität wurde nicht nur beteuert, sie wurde gelebt – für LGBTQIA+ Personen, für neurodivergente Menschen, für jene mit Behinderungen und für das palästinensische Volk, dessen Befreiung ebenso thematisiert wurde wie der intersektionale Widerstand gegen jede Form von Unterdrückung. Feiern und Kämpfen ­– das Motto der Pride wurde Wirklichkeit, ermöglicht durch eine bemerkenswert professionelle und entschlossene Organisation.

Das Abendprogramm am Langerplatz wechselte zwischen Reden und Performances, © Rosario Multari/Südtirolo Pride
... vor einem warmen Publikum ..., © Rosario Multari/Südtirolo Pride
... moderiert von Martina Capovin, Valentina Gianera und Chiara Sartori (Foto), © Rosario Multari/Südtirolo Pride

Was viele vor wenigen Jahren noch für unmöglich hielten, wurde Realität – durch monatelange Vorbereitung, durch die Kraft eines Kollektivs. Rund 170 Freiwillige sorgten dafür, dass alles funktionierte: an der Bar, an der Kasse, auf der Bühne, in der Kinderbetreuung, beim Müllsammeln, bei der Koordination. Der Verein Alto Adige Pride Südtirol hat – getragen von Herzblut und politischen Visionen – gezeigt, was in dieser Region möglich ist, wenn Menschen sich zusammenschließen. Madu Alber, Mitorganisatorin, bringt es auf den Punkt: „Dass so viele Menschen aus so vielen Ecken Südtirols gekommen sind, macht mich stolz und glücklich. Das war ein großer und wunderschöner Schritt. Jetzt geht es darum, diese Energie weiterzutragen – über Grenzen hinweg, im gemeinsamen Einsatz für eine gerechtere Zukunft für alle.“

Die Organisator:innen Christian Contarino, Adele Zambaldi und Madu Alber (v. l.), © Rosario Multari/Südtirolo Pride
Der Langerplatz in Regenbogenfarben zu ersten Performances, © Rosario Multari/Südtirolo Pride
Samanta Fire & Co, © Rosario Multari/Südtirolo Pride

Was bleibt von dieser Pride? Ein historischer Moment. Ein kollektives Aufatmen. Ein Raum, der sich geöffnet hat – und nicht mehr geschlossen werden kann. Bozen war nicht nur Kulisse, sondern Bühne. Nicht nur Austragungsort, sondern Mitspieler. Und vielleicht, ganz vielleicht, war dieser 28. Juni 2025 nicht nur der erste seiner Art, sondern der Anfang einer neuen Sprache der Gemeinschaft. Einer Sprache, die laut sein darf. Und zärtlich. Und unmissverständlich stolz. Auch dann, und erst recht dann, wenn alte, weiße Herren plötzlich Joseph Goebbels bemühen, um vor der Regenbogenflagge zu warnen. Auch dann, wenn Vizepräsidenten sich von einer friedlichen Pride persönlich angegriffen fühlen. Südtirol hat am 28. Juni 2025 gezeigt, dass nicht spaltet, wer bunt und laut ist, sondern wer Angst hat vor dem, was sich nicht mehr wegignorieren lässt. Queer bleibt. Und fängt in Südtirol gerade erst an …

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