Der Bundespreis Ecodesign zeigt Beispiele, was schon möglich ist und wohin es geht.
Ingrid Krauß und Felix Kummich vom Internationalen Design Zentrum Berlin © Susanne Barta
Ingrid Krauß und Felix Kummich vom Internationalen Design Zentrum Berlin © Susanne Barta
Der Bundespreis für Ecodesign ist bereits das zweite Mal zu Gast im NOI Techpark. Ausgerichtet wird er vom deutschen Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt in Kooperation mit dem IDZ, dem Internationalen Design Zentrum Berlin. Der Anspruch: Design und Nachhaltigkeit zu verbinden, vor allem zu zeigen, dass Umweltverträglichkeit und gutes Design längst kein Widerspruch mehr sind. Schön ist, dass jedes Jahr dazu eine Ausstellung entsteht, die auf Wanderschaft geht.
Zu sehen sind die 10 Gewinner und 12 Nominierten des Jahres 2024. Es gibt 4 Kategorien: Nachwuchs/junge Talente, Konzepte, Service und Produkte. Ich war überrascht, wie viele textilbezogene Projekte auch heuer wieder dabei sind. Es braucht ja Lösungen auf verschiedensten Ebenen, um die Textilindustrie zumindest ein wenig besser zu machen, umso erfreulicher ist es, dass Designer*innen offensichtlich intensiv an einigen arbeiten.
Das nachhaltige Chemieunternehmen CHT Group zum Beispiel hat Pigmentura entwickelt, ein neuartiges, pigmentbasiertes Färbeverfahren für unterschiedliche Faserarten und -mischungen. Damit können bis zu 96 % an Wasser und bis zu 60 % an Energie eingespart werden. Die Technologie ist bereits im Einsatz.
Beim Projekt Break-up Lab werden neue Recyclingmöglichkeiten erforscht. Es geht darum, wie Organismen dabei helfen können, Polyester in Alttextilien abzubauen. Ziel ist es, kreislauffähige Kleidungsstücke zu entwickeln. Besonders spannend: Das Verfahren ermöglicht auch die Rückgewinnung von Polyesteranteilen aus Mischgewebe. Denn genau hier hakt es immer wieder. Mischgewebe zu recyceln ist schwierig, vor allem aber teuer. Alle (skalierbaren) Lösungen können also einen großen Unterschied machen. Break-up Lab ist Preisträger in der Kategorie Nachwuchs.
Ebenso im Recyclingbereich angesiedelt ist das Enzymatische Textil-Recycling von Re-Fresh Global. Ausgehend davon, dass nur knapp 1 % des weltweiten Textilmülls recycelt wird, setzt man hier auf ein biotechnologisches Hydrolyseverfahren, mit dem fast alle Alttextilien in neue Rohstoffe umgewandelt werden können. Ohne den Einsatz von schädlichen Chemikalien. Das Verfahren soll vor allem in sogenannten Microfactories angewendet werden, die dort angesiedelt sind, wo die Textilabfälle anfallen. Das Projekt war nominiert in der Kategorie Konzept.
Die Designerin Paula Rachè lebt in Bozen und ist bereits zum zweiten Mal Jurymitglied. Es gebe jedes Jahr mehr Einreichungen, sagt sie, „vor allem mehr internationale Einreichungen“. Auf meine Frage, ob die Relevanz von Ecodesign zugenommen hat, meint sie: „Sie ist selbstverständlicher geworden. Das Besondere an diesem Preis ist, dass sehr genau geschaut wird, nicht nur auf die Designkomponente, sondern auch auf die Materialien und die Relevanz des Projekts.“ Die Herausforderungen hätten zugenommen für Designer, betont sie, vor allem was die Rahmenbedingungen betrifft. „Es gibt so viele Regeln und Richtlinien, da muss man sich durcharbeiten.“
Sehr flott, die modulare Arbeitsstation, mit der man Reissverschlüsse schnell reparieren kann. Jede weiß, wie wenig sich Schneider*innen freuen, wenn einer auszutauschen ist, einfach weil es oftmals recht kompliziert ist und viel Zeit braucht. Selbst kriegen das die wenigsten hin. Dies führe zu einer hohen Wegwerfquote, heißt es in der Projektbeschreibung. Die Rezip Zipper Repair Station bietet hier Abhilfe. CISUTAC hat ein Verfahren und Werkzeuge entwickelt, die auch Laien eine schnelle und einfache Reparatur von Reißverschlüssen ermöglichen.
Das erfolgreiche deutsche Modelabel Armedangels hat den Pyjama Sleep 'til Infinna™ eingereicht. Material ist die innovative Infinna™-Faser. Diese Zellulosefaser wird zu mindestens 99 % aus recycelten Alttextilien hergestellt, der Pyjama kommt auch vollständig ohne gefährliche Chemikalien aus. Ganz so schnell soll das Produkt jedoch nicht auf den Markt kommen, habe ich gehört, es werde noch einige Jahre dauern, bis wir in diesem Pyjama schlafen können.
Die BMW Group ist mit visionären Materialien dabei. Sie stellt Anwendungen innovativer Materialien und Produktionsverfahren vor, konkret, wie Sitzflächen hochwertig, ressourcenschonend und recyclingfähig produziert werden können. Die BMW Group möchte so u. a. den CO2-Ausstoß reduzieren.
Sehr cool das Projekt von Kynd Hair, die an einer Alternative zum erdölbasierten konventionellen Kunsthaar arbeiten. Die neuartige Haarfaser wird aus pflanzlichem Zellstoff gefertigt, ist schadstofffrei, mehrfach verwendbar und biologisch abbaubar. Sie richtet sich speziell an die Bedürfnisse Schwarzer Menschen.
Den synthetischen Schaum in Polstermöbeln zu ersetzen, hat sich Franziska Baumgartner von der Akademie der Bildenden Künste München mit ihrem Projekt Soft Spot vorgenommen. Drei Polsterschichten aus Seegras, Kapokvlies und Kokoskautschuk sollen herkömmliche Füllungen ersetzen.
Und dann gibt’s natürlich noch viele andere interessante Design-Lösungen zu sehen. Die Projektverantwortliche Ingrid Krauß und Projektleiter Felix Kummich vom Internationalen Design Zentrum Berlin sind nach Bozen gekommen und haben durch die Ausstellung geführt. Schaut sie euch an, die Schau ist inspirierend und informativ. Und sie stimmt hoffnungsvoll.
Letztes Jahr habe ich mit Ingrid Krauß ein kurzes Interview geführt, hier geht’s zu meinem ersten Bericht über die Ausstellung. Zu sehen ist die aktuelle Schau von „Thinking Ahead“ bis 19. Juli 2025 im NOI Techpark.