Südtirolo Pride: Bozen wird bunt – und laut

Vom Verdiplatz zum Langerplatz zieht am 28. Juni 2025 die erste Südtirolo Pride quer durch die Landeshauptstadt: ein Fest, ein Protest, ein Aufbruch

17.06.2025
Südtirolo Pride: Bozen wird bunt – und laut

Eine der offiziellen Grafiken der Südtirolo Pride, © Morena Regaiolli

*Dieser Artikel ist sechshändig entstanden – Ludwig Mehler in Zusammenarbeit mit franzmagazine-Praktikantin Maria Sole Demetz sowie franzmagazine-Redakteurin Isabella Nanni.

Jetzt ist es endlich soweit: Am Samstag, 28. Juni 2025 wird in Südtirol Geschichte geschrieben ­– in Regenbogenfarben. Die allererste Südtirolo Pride feiert an diesem Tag ihren großen Auftritt auf den Straßen der Landeshauptstadt: Treffpunkt ist um 15:00 am Verdiplatz, was dann folgt, ist weit mehr als ein Demonstrationszug. Es ist das Ergebnis von Monaten kollektiver Energie, politischer Visionen und queerer Lebensfreude in Gemeinschaft.

Doch vor dem großen Tag selbst führte der Weg dorthin durch viele kleinere, wichtige Etappen. Road to Pride nannte sich die vom Verein Alto Adige Pride Südtirol beworbene Veranstaltungsreihe, die über die letzten Wochen und Monate hinweg ganz Südtirol in Bewegung gesetzt hat. Filmvorführungen der Queer Movies im Filmclub Bozen, Swap-Partys mit Kleidertausch und Identitätsdiskurs, Workshops, Diskussionen, Fortbildungen: All das war Teil einer vielstimmigen Vorbereitung, wobei Aufklärung, Kultur und kollektives Lernen Hand in Hand gingen. Es ging nie nur um Events – sondern immer auch um Sichtbarkeit, Sensibilisierung und darum, Räume zu schaffen, in denen queere Stimmen laut und vielfältig gehört werden.

Road to Pride Event anlässlich des Geburtstags der Nuova Libreria Cappelli : SMACK!, © Gilberto Cavalli

Hinter diesem riesigen Kraftakt steht der Verein Alto Adige Pride Südtirol, gegründet im Dezember 2023, mit einer Idee, die schon über zehn Jahre alt ist. Die Wurzeln liegen im Verein Centaurus, der sich seit Jahren für Anliegen der LGBTQIA+-Szene in Südtirol einsetzt. Was sie alle vereint: der Wille, Brücken zu bauen – zwischen Sprachen, Realitäten, Menschen. Denn auch das ist Pride: nicht nur laut, sondern verbindend; nicht nur aktivistisch, sondern progressiv-inklusiv; nicht nur bunt, sondern bewusst.

Kollegin Isabella Nanni – selbst auch aktive Freiwillige der Initiative – hat die Aktivistin Madu Alber vom Organisationsteam der Südtirolo Pride um ein Statement gebeten:

About the authorLudwig MehlerIch lebe seit vier Jahren in Bozen und studiere Kommunikations- und Kulturwissenschaften. Mich begeistert alles, was aus ehrlicher [...] More
Isabella Nanni: Warum ist diese erste Pride so wichtig und was bedeutet sie für die queere Gemeinschaft?
Madu Alber: Ich glaube, die erste Pride in Südtirol ist sehr wichtig für die queere Gemeinschaft. Denn für viele LGBTQIA+-Personen in und aus Südtirol kann es auch bedeuten, dass sie sich wieder oder vermehrt der Gesellschaft Südtirols zugehörig fühlen können. Manchmal müssen queere Personen sich entscheiden zwischen ihrem Queer-Sein und ihrem Südtiroler:in-Sein. Es gibt viele Südtiroler:innen, die dieses Land aufgrund ihres Queer-Seins verlassen, weil sie sich hier nicht akzeptiert und willkommen fühlen bzw. Diskriminierungen ausgesetzt sind und auch keine Unterstützung wahrnehmen. Ich weiß unter anderem von einigen Südtiroler:innen, dass sie extra für die Pride nach Südtirol zurückkommen und irgendwo wieder Hoffnung schöpfen, dass sie hier vielleicht auch wieder einmal ein Zuhause finden. Ich denke, dass es für die queere Gemeinschaft sehr wichtig ist und eventuell auch bedeuten kann, dass mehr queere Personen in Südtirol einander finden, sowohl untereinander in ihren eigenen Kreisen als auch über gesellschaftliche Barrieren hinaus – da wir sowieso eine Minderheit sind, aber in Südtirol nun mal auch andere Spaltungen bestehen. Und es kann auch eine Gelegenheit sein, zum Beispiel über Sprachbarrieren hinaus zusammenzufinden und Gemeinsamkeiten zu fördern. Außerdem denke ich, dass die Pride mir zum Beispiel auch jetzt schon zeigt, wie viele Leute solidarisch sind. Denn ich denke, wenn man sieht, wer für etwas einsteht, dann traut man sich auch manchmal mehr, öffentlich für etwas einzustehen und Zivilcourage zu zeigen. Und ich denke, in einer Zeit wie heute ist es unglaublich wichtig, Zivilcourage zu zeigen – nicht nur im Sinn von Unterdrückungen bezüglich LGBTQIA+, sondern allgemein, also im intersektionalen Sinn des Befreiungskampfes.
Madu Alber, © Isabella Nanni

Von der Straße auf den Platz – und in die Zukunft
Das wichtigste Element einer jeden Pride ist der Umzug. Seine Route zieht sich queer durch die Stadt, bewusst durch italienisch und deutsch dominierte Zonen: Ausgehend vom Verdiplatz geht’s Richtung Dominikanerplatz, weiter über die Drususbrücke, entlang der Italienalle, rauf zum Siegesplatz, über die Talferbrücke und schließlich zum Langerplatz, wo ab 18:00 das große Bühnenprogramm startet. Gefeiert wird schon vorher: Um 15:00 gibt der Chor Highlight am Verdiplatz den Auftakt, bevor um 16:00 die Parade mit Festwagen, Trommelgruppen und Performances beginnt – laut, bunt und schön.

Politisch, poetisch, proud
Die Pride ist jedoch nicht einfach nur Party. Südtirolo Pride ist eine bewusste Entscheidung: ein Name, der sprachliche Brücken schlagen will. Und es ist ein Tag des Protests. Auf der Website des Vereins ist das politische Manifest in drei Sprachen einsehbar – ein Aufruf zu queerem, intersektionalem und trans-feministischem Widerstand gegen Diskriminierung, Unterdrückung und Krieg. Zehn konkrete Forderungen an die Landesregierung stehen zur Unterschrift bereit: vom Landesgesetz gegen queerfeindliche Gewalt bis zur besseren Ausstattung der Antidiskriminierungsstelle.

Die drei offiziellen Moderatorinnen des Abends Martina Capovin, Valentina Gianera und Chiara Sartori (v.l.), mit Adele Zambaldi, Organisatorin (2. v.l.)

Bühne frei für Bozens Drag-Szene – und mehr
Was auf dem Langerplatz passiert, ist ein offen buntes und diverses Kulturprogramm erster Klasse. Dragqueens aus der Region bringen Glitzer und Haltung auf die Bühne. Dazu spielen The Homeless Band, Supermarket, Sara Kane, Serediva und als großes Finale Queen of Saba. Zwischen den Acts sprechen Aktivist:innen und Vereine. Es gibt Infopoints, Kunstaktionen, einen Kinderbereich – inklusive Theateraufführung um 19:00, organisiert mit Sagapò. Und wer nach 23:30 immer noch weiterfeiern möchte, findet eine Auswahl von Afterpartys im Sudwerk, im Pippo und im Inti Club zum Tief-in-die-Nacht-Tanzen.

Gemeinsam, vielsprachig, lebendig
Südtirolo Pride ist nicht nur ein Fest für die LGBTQIA+ Community, sondern ein Appell an alle, die in einer solidarischeren Gesellschaft leben wollen. Mitgetragen wird das Event durch die offizielle Unterstützung von Institutionen, wie den Universitäten Bozen, Trient und Innsbruck, Eurac Research, Berufsvertretungen, Gewährleistungsorganen der Provinz, und von vielen Einzelpersonen, die über Crowdfunding helfen, diese Pride möglich zu machen. Finanzielle Hilfe gab’s auch institutionell: die Gewerkschaft Uiltucs und die Stiftung Sparkasse tragen die Pride mit. Auch wir als franzmagazine freuen uns, als Kommunikationspartner neben Salto und Il Dolomiti diese großartige Möglichkeit für Südtirol unterstützen zu können. Ob queer oder Ally, politisch oder neugierig, es gilt: einfach vorbeischauen, sich zeigen, mitfeiern. Am Samstag, 28. Juni 2025 wird Bozen laut und bunt und stolz und all das hoffentlich auch nachwirkend vermehrt bleiben …

Eine der offiziellen Grafiken der Südtirolo Pride, © Morena Regaiolli

Zum Schluss noch ein super-wichtiger Hinweis: Unter dem Titel Insieme per un futuro orgoglioso: sostieni Suedtirolo PRIDE 2025 ruft der Verein Alto Adige Pride Südtirol auf der Plattform Produzione del Basso zum Crowdfunding auf. Das Spendenziel der Aktion liegt bei 10.000 Euro, um logistische und organisatorische Kosten zu decken. Die Spendenaktion ist bis 26. Juni 2025 geöffnet. Im Gegenzug zur Spende können Spendende je nach Betrag zwischen verschiedenen Belohnungen, wie Gadgets oder Merchandising der Pride wählen. Auch diese Aktion verläuft so nachhaltig wie möglich. Das heißt, die Belohnungen werden nicht verschickt, sondern können während der Road to Pride abgeholt werden. Es reicht, bei einem der Events die E-Mail mit der Bestätigung der Spende vorzuzeigen. Schaut einfach gleich auf der Website von Produzioni dal Basso vorbei, denn jede Unterstützung, unabhängig von der Höhe des Betrages, ist entscheidend für den Erfolg der Südtirolo Pride 2025.
Gesucht werden auch Freiwillige nach wie vor dringend: Wenn ihr Verein und Veranstaltung also nicht finanziell, sondern tatkräftig durch aktives Anpacken unterstützen wollt, klickt in die Website oder die Insta-Bio und meldet euch über das Formular an. Pride und das weitere Bestehen sind nur durch Zusammenhalt, Solidarität und Tatkraft möglich.

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