How to wear a Dirndl?

Elsbeth Wallnöfer, Volkskundlerin und Philosophin, hat ein wunderbar kurzweiliges Buch über das Dirndl und seine Geschichte geschrieben. Sie widmet sich darin Fragen wie „Wie verhält es sich mit dem Dirndl heute?“, „Wer darf es tragen?“, „Ist es kulturelle Aneignung als Nicht-Österreicherin oder Nicht-Bayerin ein Dirndl zu tragen?“, „Ist es gar übergriffig?“. „How to wear a Dirndl. (K)eine Gebrauchsanleitung“ ist vor wenigen Tagen im Verlag Anton Pustet erschienen. Das Thema Tracht/Dirndl lässt Elsbeth Wallnöfer augenscheinlich nicht los. Bereits in ihrem Buch „Tracht Macht Politik“ hat sie sich eingehend mit der volkskulturellen Entwicklung und Bedeutung der Tracht beschäftigt: klug, kritisch, informativ und auch amüsant, weil aufräumend mit dem klebrigen ideologischen Ballast. Hier geht’s zum Interview, das ich mit ihr vor drei Jahren dazu geführt habe.How to wear a Dirndl? Zum Beispiel mit auffälligen Accessoires. Secondhand-Sonnenbrille von Alexander McQueen, auch der Ring ist secondhand, die Kette ist ein Geschenk meiner Schwester und von JCrew, die Schuhe hab ich in Venedig gekauft. Im Bild zwei mit Cowboy-Slides von Ganni und meiner hier schon mehrfach vorgestellten afrikanischen Tasche.
Dieser Ballast macht es zumindest mir auch heute noch schwer, ein Dirndl zu tragen. Ich habe als kleines Mädchen hin und wieder ein von meiner Oma selbstgenähtes getragen, dann jahrzehntelang keines besessen, bis ich mir vor einigen Jahren ein schlichtes Secondhand-Dirndl gekauft habe, die Schürze dazu fand ich bei einem Abverkauf. Zweimal ist es bisher zum Einsatz gekommen, einmal in den USA und einmal in Portugal, jeweils zu einer Feier. In (Süd-) Tirol ein Dirndl tragen? Da zögere ich bis heute. Aber Elsbeth Wallnöfer macht Lust auf das Kleidungsstück, weil sie es sozusagen freisetzt. Auch was frau dazu trägt, ist heute kein Thema mehr. Anything goes offensichtlich. „Das Dirndl ist, …, ein saisonales (Ver-) Kleidungsstück, eine Laune der (Mode-) Geschichte“, schreibt sie.Oder mit Oversize Blazer und Heels, beides secondhand und Cat-Eye-Sonnenbrille. Vielleicht nicht unbedingt mit Blumenbadehaube? Sandalen Alohas, die phantastische Badehaube hab ich in Abano gekauft. Der Old-Ladies-Kurort ist definitiv ein Badehaubenparadies.
Elsbeth, zu welchen Anlässen trägst du ein Dirndl?
Wenn ich in die Voralpen fahre, also eine kleine Landpartie mache.
Im Verlagskatalog wird das Buch angekündigt mit „lebenslustiger Selbstbefreiung eines Kleidungsstücks“. Wovon hat sich das Dirndl freigemacht?
Dieser Satz ist eine Beschreibung des Verlages, nachdem das Team das Typoskript zum ersten Mal zu lesen bekam. Ich vermute, sie meinen, dass ich mit der historischen Recherche zu illustrieren vermochte, dass der politische Mief, der ihm anhaftet, nur eine Episode in der Geschichte des guten Stückes war.
Das Bild der „deutschen“ Frau im Dirndl, am besten ungeschminkt und ganz natürlich, schwingt für mich auch heute noch unterschwellig mit. Vor allem weil es nach wie vor bemüht wird in bestimmten Kreisen. Sollte frau das einfach ignorieren?
Es gab diese historisch miefige Phase in der Geschichte des Stückes. Aber es hatte bereits vorher ein Leben. Während der Zwischenkriegszeit war es saisonale Verkleidung, Zeichen eines unbeschwerten, charmanten Zeitvertreibes. Mit dem Büchlein zeigen wir, dass das gute Stück nur so gut ist, wie die Trägerinnen. Also: Das Büchlein lesen und dann das Dirndl anziehen und, wie die Tageslaune es gebietet, nutzen. Denn bevor es die Uniform des BDM (Bundes Deutscher Mädel) wurde, war es eine Freizeitkleidung für Landausflüge.Eine Gebrauchsanweisung ist vielleicht doch notwendig?
Jein. Da wir in Zeiten zunehmender Volkstumspolitik leben, wäre die Gebrauchsanweisung nur eine kleine Empfehlung: Nutzt es als modische Laune, zieht es an, geht damit wandern, kombiniert es, wie es euch gefällt. Vergesst alle Diktate, wie man es zu tragen hat.
In Südtirol ist das Dirndl DAS Kleidungsstück der Gäste-Beglückung. Vor allem touristisch motivierte Folklore in deinen Augen?
Ja, es ist eben Anlass- wie Dienstkleidung. Und ja, es ist Folklore. Aber ich habe nichts gegen Folklore, weil es kein echt und unecht gibt. Das Dirndl war immer schon und ist modischer Trend, aber auch ein Klischee bayerisch und austriakisch alpiner Charakteristik. Gut so, mir gefällt es nicht, aber das bringt die Freiheit der Demokratie mit sich.
Heute wird ja gerne jedes Zitieren oder Nachahmen verschiedenster kultureller Elemente als kulturelle Aneignung geahndet. Könnte ein entspannter(er) Gebrauch des Dirndls vielleicht den Weg weisen, hier allgemein großzügiger zu werden?
Ja, immer scheint es jemanden zu geben, der weiß, was man darf und was nicht. Ich habe bei den Recherchen ein Foto gefunden, das zeigt die wahrscheinlich erste People of Colour, Olive Moorefield, eine weltberühmte amerikanische Schauspielerin im Dirndl. Das Bild entstand in den 1950er-Jahren. Damals fühlte sich das Land geehrt, dass eine weltberühmte Frau so was trägt. Den Grund dafür schildere ich im Buch. Das Dirndl ist ein modisches Kleidungsstück, das stellst du klar fest in deinem Buch. Leider hat Fast Fashion schon seit längerem auch die Dirndl-Mode erreicht. Wie siehst du diese Entwicklung?
Das Dirndl hat diesbezüglich ein Janusgesicht. Dem Dirndl hat dieser Trend gutgetan. Als günstige Schnellkonsumklamotte führte dies zu einer die sozialen Klassen egalisierenden Demokratisierung. Es blieb nicht mehr jenen vorbehalten, die es sich leisten konnten, ein Kleidungsstück ab 1.000 € zu kaufen. Das begrüße ich sehr. Stilistisch war dies auch von Vorteil, es wurden nämlich nicht mehr die von einer Nazi-Frau und deren Abkömmlingen entworfenen Dirndln geschneidert. Dennoch hoffe ich, dass wir die Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren, es secondhand einkaufen oder untereinander tauschen. Das gilt aber nicht nur fürs Dirndl, das gilt generell.
Ist das Dirndl Körperpolitik?
Ja, das Dirndl ist Teil der Körperpolitik, und zwar noch bevor man es so genannt hat. Dies erfolgte, als man es allen Frauen und dem in der Zwischenkriegszeit vorherrschenden modischen Trend entriss, um es für die „deutsche Frau deutschen Wesens“ umzugestalten. Der Zuschnitt des Dirndls für blonde, anständige, sportliche Frauen, damals waren es Fräuleins, ist nichts als Körperpolitik. Eines deiner Kapitel lautet „Des Dirndl Lebens- und Sinneslust – vom Softporno übers Olympiadress bis zur Schnellkonsumklamotte“, was ist da drinnen verpackt?
Tatsächlich geht es dabei um die Beziehung Porno und Dirndl. Eine nur zu gern ausgeblendete Seite des guten Stücks. Wie überhaupt der Eros und das sexuelle Begehren bisher beim „sauberen, anständigen“ Stück so gut wie nie Gegenstand der Verhandlung waren. Diesem Part würde ich nur zu gern mal allein ein Büchlein widmen.
Welche Accessoires trägst du zu deinem Dirndl? Bzw. wie stylt du es?
Ich trage gerne meine coolen Doc Martens, die wir im englischen Margate gekauft haben dazu. Trage es ohne weiße Bluse oder mit meiner bei mir etwas zu groß geratenen, schrill leuchtenden Tasche von Prada, die mein Mann mir bei Selfridges in London gekauft hat.
Fotos: (1, 6) ©️ Peter M. Kubelka; (2–5) © Susanne Barta; (7, 8) © Elsbeth Wallnöfer
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