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July 4, 2024

Getrennt voneinander befragt: Margareth Kaserer und Ulrike Buck, Kuratorinnen der Fort Biennale 01

Kunigunde Weissenegger

In die Festung hält eine neue Biennale Einzug. Nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit Trap und Rap auf Dialekt von den Scamigen Buben, mit einer Sound-Performance und Zählwerk von Hannes Hoelzl und natürlich Redenredenreden von VIPs und einer Einführung der beiden Kuratorinnen Ulrike Buck und Margareth Kaserer.

Am 5. Juli 2024 um Punkt sechs abends ist es soweit. Im Körper der Sprache – Nel corpo del linguaggio – In the body of language. Was für eine Ansage. Ich als Hardcoreschreiberin und Sprachennerd komm da definitiv ins Schwärmen. Aber der Reihe nach: Altınstark, Özlem Altın, Ellinor Aurora Aasgard & Zayne Armstrong, Gianfranco Baruchello, Alighiero Boetti, melanie bonajo, bruno books Venezia, Alexandra Cardenas, Max Castlunger, Carlfriedrich Claus, Roberta Dapunt, Tracey Emin, Ian Hamilton Finlay, Sylvie Fleury, Julia Frank, Chiara Fumai, Siggi Hofer, Hannes Hoelzl, Roni Horn, Brigitte Kowanz, Sophia Mairer, Beatrice Marchi, Nadja Verena Marcin, Maurizio Nannucci, Bruce Nauman, Masatoshi Noguchi, Sunny Pfalzer, Caroline Profanter, Egon Rusina, Toni Schmale, Berty Skuber, Lawrence Weiner, Karin Welponer, Jörg Zemmler.

Sie alle – am besten einfach nochmals den Blick hochschweifen lassen und jedem Namen in Ruhe die gebührende Aufmerksamkeit widmen, damit die Trag- und Reichweite der Inhalte vorstellbar wird – bringen mit Werken und Installationen bis 10. November 2024 Gedanken und Ideen in die Franzensfeste, Nichtort, Unort, Vorort, Austragungsort der ersten Fort Biennale. Damit ist zum Einsteigen vorerst was gesagt und damit geht das Wort an die beiden Kuratorinnen, getrennt voneinander befragt:

Was assoziierst du mit Körper?

Ulrike Buck: Der Körper als Vorstellung ist etwas Eigenartiges. Geist und Körper sind die untrennbare Einheit des Lebens und doch gibt es ganz verschiedene Zustände und Intensitäten des Sich-im-Körper-Fühlens. 

Margareth Kaserer: Der Körper ist ein Wunder: Die Teile, die komplex miteinander korrespondieren, seine Präsenz und sein Gewicht und sein ständiges in Bewegung und Veränderung sein, das mit dem Verstreichen der Zeit einhergeht. Der Körper ist befremdlich und vertraut zugleich. Durch ihn sind wir in Kontakt mit der Welt, wir bekommen über ihn so viele Signale auf verschiedenen Ebenen vermittelt. Er beschert uns die höchsten Gefühle und ist unser treuester Begleiter. 

Was verbindet dich mit Sprache? 

Margareth Kaserer: Mich interessiert vor allem das Erkunden der Grenzen der Sprache, die Ränder der Sprache – wie es Kunst, Literatur, Film oder Musik tun. Die Verschiedenheiten von Sprachen, deren Zwischentöne und Nuancen, und die Übersetzungsvorgänge. Die Tragweite von Worten, gesagt oder ungesagt. Berührung als Sprache, Sprachverlust, wie Sprache Gemeinschaft produziert. Es ist ein weites Gebiet, das wir in den letzten 6 Monaten erkundet haben, jede auf ihre Weise. 

Ulrike Buck: Mit Sprache verbinde ich das Vergnügen, mich mitzuteilen und verstanden zu werden. Sprache ist dabei, ähnlich wie der Körper, aus dem sie spricht, eine recht abstrakte Vorstellung. Unsere Ausstellung versucht dieser Weite der Vorstellungen, was Sprache eigentlich ist und sein kann, Gestalt zu verleihen.  

Wie habt ihr die (vielen) Künstler*innen ausgewählt? 

Ulrike Buck: Die Auswahl der Künstler*innen ging aufgrund der sehr kurzen Vorlaufzeit quasi in Windeseile von statten: Wir haben ein Brainstorming gemacht und dazu kamen im Prozess immer wieder einzelne Ideen dazu. Es gab auch Atelierbesuche in Bozen, Gröden und Berlin. Ich hätte mir natürlich gewünscht, die nötige Vorlaufzeit zu haben, um noch viel mehr Künstler*innen der Region kennenzulernen und zum Beispiel auch mit Forschungseinrichtungen und anderen Akteur*innen in Dialog zu treten. Unsere Intention war es, ein möglichst diverses Programm zwischen Generationen und Medien, lokal und international, aufzustellen und zwischen unterschiedlichen Arbeiten Bezüge herzustellen, die ungewöhnlich sind und so auch die Komplexität und Universalität des Themas Sprache widerzuspiegeln.

Margareth Kaserer: Das ist ein längerer Prozess. Bei wenigen Künstler*innen standen die Arbeiten von vornherein fest. Einige haben wir um Vorschläge gebeten, einige haben komplett neue Arbeiten gemacht. Wir mussten eine Auswahl treffen, da es die Themenvorgabe „Sprache“ gab. Wir hatten auch das Glück, im Zuge der Arbeit einen Einblick in die Sammlung Museion zu erhalten, woraus wir einige Arbeiten ausgesucht haben. Es ist eine gute Mischung aus lokal und international, Künstler*innen verschiedener Herlünfte, Geschlechter, Altersgruppen usw. geworden. Ich freue mich über neue Kontakte und die Vertiefung von vorhandenen. 

Ihr seid beide auch Künstlerinnen, worin seht ihr eure Aufgaben als Kuratorinnen?  

Margareth: Wir haben die gleichen Aufgaben wie andere Kurator*innen, die eine Ausstellung machen. Ich habe es noch nicht geschafft, zu ergründen, ob es wirklich Unterschiede zwischen Ausstellungen gibt, die von Künstler*innen-Kurator*innen kuratiert worden sind und jenen, die von hauptberuflichen Kurator*innen sind. Als Kuratorin arbeite ich – im Team oder solo – daran, relevante Positionen zu einem Thema zu versammeln, in eine inhaltlich und ästhetisch stimmige Präsentationsform und einen Ablauf zu bringen und dabei die Gegebenheiten des Ortes zu berücksichtigen. Mit den Künstler*innen in Verbindung zu sein, deren Inputs zu hören und aufzugreifen, und auf eigene Entscheidungen zu vertrauen.  

Ulrike Buck: Ich habe Skulptur studiert und mag es sehr in Räumen zu denken. Außerdem liebe ich Atelierbesuche und den Austausch mit anderen Künstler*innen, über deren Werke und Kunstgeschichte und Theorie. Kuratieren bietet mir die Gelegenheit, diese Erfahrungen konkret anzuwenden und einmal eine andere Rolle im Kunstbetrieb einzunehmen. Ich habe den Eindruck, wenn man als Künstlerin kuratiert, kann man einen direkten Zugang zu künstlerischen Prozessen spüren. Kuratieren ist für mich eigentlich auch eine Kunstform, es ist so etwas wie eine große soziale Skulptur und damit eine besondere Form der Kommunikation und Sprache. Politisch gesehen ist die Aufgabe natürlich letztlich die Förderung von Demokratie, Freiheit und Frieden. 

Ist die Franzensfeste eine Herausforderung, wie die allgemeine Meinung umgeht, oder seht ihr das anders? 

Ulrike Buck: Ich mag Ausstellungsräume die kein „white cube“ sind, und finde die sehr eigenwillige Architektur der Franzensfeste interessant. 2008 war ich als junge Kunststudentin zur Manifesta auf der Franzensfeste und mich hat damals diese skulpturale Architektur aus schwerem Stein beeindruckt. Es waren nur Soundarbeiten ausgestellt, also immaterielle Arbeiten, die mit der Architektur interagierten und den Baukörper wirklich spürbar machten. Es ist gut möglich, dass dieses Erlebnis mich mit motiviert hat, auf diese Ausschreibung zu reagieren. Jedes Kunstwerk steht hier in quasi skulpturalem Zusammenhang mit der Architektur, die sich nicht negieren lässt. Daneben gibt es viele Eigenarten hinsichtlich Klima, Sicherheit und Denkmalschutz zu beachten und der Ort belohnt das mit einer ganz besonderen Atmosphäre. Ich denke, auch die Herausforderung in nur wenigen Monaten eine Biennale auf die Beine zu stellen, die auch noch die erste ihrer Art ist, hat uns gereizt. Viele Prozesse müssen dann sehr schnell gehen und überlagern sich zeitlich. Das erfordert einen hohen flexiblen Einsatz und viel Kreativität und Anpassungsfähigkeit. Auch für die Institution, die als Landesmuseum nicht per se eine Kunstinstitution ist, war sicherlich vieles neu zu denken. Für mich war es spannend und lehrreich und ich glaube, wir können stolz darauf sein, was wir gemeinsam auf die Beine gestellt haben. 

Margareth: Die Franzensfeste ist ein vielschichtiger und spannender Ort und man entdeckt immer wieder Neues. Die Festung hat natürlich eine lange Geschichte auf dem Buckel, die sich überall manifestiert. Damit umzugehen, den Erhalt geschichtlich bedeutsamer Zeugnisse zu berücksichtigen und in diesen Räumlichkeiten unter Einhaltung der Denkmalbestimmungen zeitgenössische Kunst zu zeigen, das ist eine Herausforderung, der wir mit Respekt begegnet sind. Auch sind manche Teile der Festung mehr dem Klima und den Wettereinflüssen ausgesetzt als andere. Ich glaube, es ist uns ganz gut gelungen, hier einen Spagat zu machen. Das Team vor Ort setzt sich auch für diese Ziele ein. Das ist toll zu sehen, und auch, wie es dann schlussendlich klappt, gemeinsam die Potenziale des Ortes auszuschöpfen.

Was ist in den kommenden fünf Monaten noch geplant?  

Margareth: Zuerst die Eröffnung mit den Newcomern Scamige Buben am Freitag und danach ein paar spannende Programmpunkte wie ein Workshop für Jugendliche mit der österreichischen Rapperin Yasmo gemeinsam mit der Sängerin Marion Feichter in Zusammenarbeit mit Kids Culture Club, eine Lesung mit Roberta Dapunt, ein Workshop mit Sunny Pfalzer und natürlich die Katalogpräsentation mit den venezianischen Designern studio bruno, die das Titeldesign gestaltet haben. Genaue Termine findet ihr auf der Website der Franzensfeste. 

Ulrike Buck: Margareth hat darauf auch schon geantwortet, insofern möchte ich nur hinzufügen, dass ich mich auch sehr auf das Programm im Herbst freue. Der Umfang steht noch nicht ganz fest, es werden auf jeden Fall feine Tage auf der Festung. Das Biennale-Buch wird herauskommen und auch einen ganz eigenen Teil der Ausstellung verkörpern – gestaltet und herausgegeben vom venezianischen Kunstbuchverlag bruno.  

Foto: Margareth Kaserer und Ulrike Buck © Tiberio Sorvillo

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