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April 6, 2024

Da beißt die Maus keinen Faden ab

Susanne Barta

Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zeigt unter diesem flotten Titel textile Kunstwerke aus seiner Sammlung. Die alte Redewendung will deutlich machen, dass an einer Aussage nicht zu rütteln ist, es ist so und dagegen ist nichts zu machen. Die textilen Arbeiten werden in einem großen Raum präsentiert, es sind vor allem Werke von weiblichen Kunstschaffenden. Das ist keine Überraschung, denn textile Kunst wurde und wird überwiegend von Frauen gemacht. Genau da setzen die Kurator*innen Delia Scheffer und Florian Waldvogel an. Sie thematisieren den kulturhistorischen Hintergrund und werfen einen zeitgenössischen Blick auf die Werke. „Alle Exponate dieser Präsentation arbeiten gesellschaftlichen Konventionen entgegen, machen sie kenntlich und somit unbrauchbar“, heißt es im Büchlein zur Ausstellung. Kunst und Handwerk fließen hier ineinander, zu sehen sind unterschiedliche Zugänge und Techniken. Die Werke sind alles andere als „harmlos“, also so „Frauenzeugs“, sondern durchwegs (auch) politisch. A02_Textil_c_Maria_Kirchner-1920x1280Textile Kunst feiert ja geradezu ein Comeback. In den zeitgenössischen Ateliers wird gehäkelt, gestrickt, gestickt, genäht und mit Stoffen gearbeitet. Mir fällt meine Freundin, die Künstlerin Gabriela Oberkofler, ein, die seit vielen Jahren Textiles selbstverständlich in ihre künstlerische Praxis einfließen lässt.

Im Ferdiandeum geht’s zurück bis in 15.–16. Jahrhundert. Da ist zum Beispiel ein Portrait von Bianca Maria Sforza, König Maximilians zweiter Frau, zu sehen, die in üppiger Kleidung und Schmuck herrschaftlich an den Betrachter*innen vorbeiblickt. Zu sehen sind Modeentwürfe vom Anfang des letzten Jahrhunderts, ein geknüpftes Haarnetz aus dem 17. Jahrhundert, Installationen, Wandteppiche und einiges mehr. Sehr schön ein Kleid aus den 1940er-Jahren, einmal gemalt – das Bild zeigt eine junge Frau, die das Kleid trägt – und als Installation präsentiert. Das Kleid ist noch gut erhalten und es dokumentiert auch wie sorgsam früher mit Bekleidung umgegangen wurde. Es ist von guter Qualität und wurde offensichtlich einige Male modifiziert und dem Körper angepasst. Textilien waren viel zu wertvoll, um einfach achtlos entsorgt zu werden. Zu dieser Haltung sollten wir wieder zurückkehren. Von der Südtiroler Künstlerin Maria Walcher ist eine Wolldecke mit Blaudruck und Stickerei zu sehen, sie thematisiert das Thema der Transhumanz. Die von mir sehr geschätzte und leider bereits verstorbene Künstlerin Birgit Jürgenssen hat zipfelartige Objekte aus verschiedenfarbigen Seidenstrümpfen, befüllt mit Kunstdüngergranulat, unter einer Glashaube angeordnet. Konsequent befragte Jürgenssen in ihren Arbeiten die Rolle der Frau und den ihr gesellschaftlich auferlegten Zwängen. Ein schwarzer, flauschiger Polstersessel zieht beim Betreten des Ausstellungsraumes gleich die Blicke auf sich. Eingearbeitet ist die Frage der Künstlerin Anja Brogan „Whom can we trust now?“.A08_Textil_c_Maria_Kirchner-1920x1280Textilien sind heute aus der Kunst nicht mehr wegzudenken. Und dem Verdacht, dass es sich bei Textilarbeiten um weibliche Bastelarbeiten handeln könnte, tritt auch diese Präsentation nach- und eindrücklich entgegen. So ist es und da beißt die Maus keinen Faden ab.

Schaut vorbei, wenn ihr in Innsbruck seid. Die kleine, feine Ausstellung „Da beißt die Maus keinen Faden ab. Textile Kunstwerke“ – sie ist Teil der Reihe „Begehbare Gedanken“ – ist noch bis 30. Juni 2024 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum zu sehen.A04_Textil_c_Maria_Kirchner-1920x1280Fotos: (1) Karl Honeders „Bildnis Anna Pühringer“ (um 1941) neben dem darin dargestellten Kleid (um 1941), im Vordergrund „Whom can we trust now?“ (2023) von Anja Brogan, © Maria Kirchner; (2) Ausstellung „Da beißt die Maus keinen Faden ab“ im Ferdinandeum © Maria Kirchner – ganz links: Birgit Jürgenssen, 1967, 3. v. l.: Maria Walcher, 5. v. l. Vanja Krajnc, 2017; (3) Ein geknüpftes Haarnetz (links) aus der Archäologischen Sammlung neben der Statuette Margaretes von Österreich von Sebastian Steiner sowie Bernhard Strigels Porträt der Bianca Maria Sforza (1494) aus der Älteren kunstgeschichtlichen Sammlung © Maria Kirchner; (4) Blick in die Ausstellung „Da beißt die Maus keinen Faden ab“ in der Artbox des Ferdinandeums, im Vordergrund die Arbeit „Bandit“ (2016) von Sophia Mairer, vorne links die Arbeit von Ledea Muard (2003, Daniela Holzinger) © Maria Kirchner. 

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