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February 7, 2024

Was tun mit Pelz?

Susanne Barta

Meine Großmutter ist vor 20 Jahren gestorben. Ihre Pelzjacken und Mäntel hängen heute noch in ihrem alten Schrank. Die Ehe meiner Großeltern war, soweit ich weiß, nicht überaus glücklich, daher gab es wohl immer wieder zu Weihnachten einen Pelz für meine Oma. Niemand hat sich nach ihrem Tod dazu durchringen können, diese Pelze auch zu tragen. Einige passen auch von der Größe her nicht. Beim letzten Innsbruck-Besuch habe ich zwei Nerzjacken für diese Geschichte mitgenommen. Ob ich sie jemals außerhalb des Hauses tragen werde? SEHR ungewiss.Pelz fur_2+3 © Susanne BartaDiese Nerzjacke ist wie neu, obwohl sie wohl an die 30 Jahre oder mehr alt ist. Drunter trage ich einen Jeans-Look: Jeanshemd ist secondhand und die Hose von PeppinoPeppino Denim. Dazu alte College Schuhe, der Rolli ist von Oscalito und die (nicht sehr gut sichtbare) Leo-Kette von Kleopatra, die Brille ist über 10 Jahre alt. 

Ihr habt vielleicht schon gehört oder gelesen, dass Pelz gerade zurückkommt. Vermutlich nur vorübergehend. Zu stark ist in der Zwischenzeit verankert, dass das Tierwohl vorgeht. Zu Recht. Viele Brands haben sich davon verabschiedet, auch wenn einige Unverbesserliche immer noch Pelz kaufen. Vor allem bei italienischen Damen scheint das bis heute recht beliebt zu sein. Dass Pelz gerade ein Comeback feiert, ist einem Trend geschuldet. Habt ihr die Sopranos gesehen? Eine amerikanische Fernsehserie, die zwischen 1999 und 2007 lief und vom Leben einer italo-amerikanischen Mafiafamilie in New Jersey handelt. Ich habe sie mit großer Freude noch im Zeitalter der DVDs geschaut. „Mob Wife“-Ästhetik heißt der Trend und flutet gerade Social Media. Es geht um Maximalismus pur: schwarzes Leder, (Vintage-) Pelz, schwerer Goldschmuck, Designer-Taschen, große Sonnenbrillen und Animal-Prints. „Mob Wife” ist also angelehnt an den Stil der Frauen der Mafia-Männer bzw. an die Vorstellung dessen, wie sich diese Frauen anscheinend kleiden. Ich denke, die Begleiterinnen russischer Oligarchen wären hier auch eine zutreffende Fundgrube. Da muss man gar nicht so weit zurückgehen.Pelz fur_4+5 © Susanne BartaVery Mob Wife Energy. No? Leo-Bluse und Lederhose sind secondhand. Die Boots viele Jahre alt. 

Viele der Mob-Wife-Style-Adapterinnen tragen Vintage-/Secondhand- und Kunst-Pelz. Und da kommen wir zum wirklichen Thema dieses Artikels. Soll man diese alten Pelze noch tragen? Und: Was sonst tun mit den vielen alten Stücken? Vor kurzem war ich in einem Secondhand-Geschäft und da hingen Kleiderstangen voll mit Pelz. Offensichtlich wird wenig verkauft. Sie rotten also vor sich hin. Soll man sie verrotten lassen? Oder doch selber tragen? Verschenken an die, sie sich trauen, sie zu tragen? Sonst wie weitergeben? Offensichtlich haben die Secondhand-Shops schon mehr als genug davon.Pelz fur_6+7 © Susanne BartaDas ist die andere Nerzjacke. Die Hose ist von Captain Santors, der Rolli von Oscalito, das braune secondhand Samt-Gilet sieht man kaum, das Tuch ist secondhand und die Stiefletten auch.

Hinzu kommt, dass gerne damit geworben wird, dass Kunstpelz das Tierwohl im Auge habe. Hat es, aber leider nicht die Umwelt. Einen Kunstpelz zu kaufen, ist um vieles schlechter, als gebrauchten Pelz zu kaufen und zu tragen. Das ist die Crux. Hier ist uns die Ideologie eindeutig im Weg. Kunstpelz, schicker ist Fake Fur, wird aus Kunststoffen – Nylon, Polyester, u name it – hergestellt. Und Kunststoffe bedeuten immer: nicht biologisch abbaubar und mit jeder Wäsche gehen Unmengen von Mikroplastik ins Abwasser. Schätzungen zufolge wird die Produktion von Polyester-Kunststofffasern in den nächsten zehn Jahren um über 40 Prozent steigen. „Es gibt bereits erste Hersteller, die mit recycelten Materialien für die Herstellung von Fake Fur arbeiten“, lese ich bei Harper’s Bazaar Deutschland, „wirklich nachhaltig wird der falsche Pelz aber erst, wenn man ihn aus natürlichen Materialien herstellen kann.“ Das heißt, es läuft auf die Entscheidung Tier- oder Umweltschutz hinaus, wenn man auf Pelz oder Fake Fur nicht verzichten möchte. Wie gesagt, wir sprechen hier immer von Neuankäufen. Pelz fur_8+9 © Susanne BartaDieser Kunstpelz ist secondhand, gefunden bei Kleopatra. Cordhose und Bluse sind schon viele Jahre bei mir, die Prada-Stiefletten sind secondhand.

Mich würde sehr interessieren, wie ihr das seht. Kann man alte Pelze tragen? Soll man sogar, wenn sie im Familienkleiderschrank hängen, weil immer noch die nachhaltigste Lösung? Wie gesagt, es stört mich immens, dass das alles ungebraucht herumhängt. Andererseits schrecke ich davor zurück, mit einer Nerzjacke herumzuspazieren. So what to do?

Fotos: © Susanne Barta

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Comments

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There is one comment for this article.
  • Barbara Eibinger · 

    Liebe Susanne,
    Auch ich habe ‘einen Pelz’ von meiner Grossmutter- ‘Perserjacke schwarz’. In jugendlicher Leichtigkeit habe ich sie über Ballkleidern getragen- ‘feingemacht, dem Anlass entsprechend, Tierschutz war noch nicht wirklich ein Thema, mein Wissen dazu noch am Anfang.
    Die Jacke hängt noch in meinem Schrank, als einziges Erinnerungsstück von meiner Grossmutter. Mein Wissen über Tierschutz, vielmehr über ‘NichtTierschutz’ ist gewachsen, wächst mir manchmal über den Kopf…
    Darf ich einen 35 Jahre alten Pelz tragen, der mit Tierleid hergestellt wurde? Nein darf ich nicht!… weil ich mich für die damaligen Produzenten schäme… weil Secondhandpelze Tierleid nicht vergessen machen…weil ich nicht dazu beitragen möchte, dass Pelztragen, auch alter Modelle, wieder en vogue wird… Ich könnte unter der Perserjacke ein Erklärungs- Tshirt tragen ‘Erbstück von meiner Oma’- aber wird das gesehen, wenn die Jacke darüber ist?
    Bin neugierig auf andere Sichtweisen.
    Lg, Barbara