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September 20, 2023

Salewa goes circular

Susanne Barta

Langlebige Produkte, die man reparieren und, wenn sie nicht mehr getragen werden, zurückbringen kann und die so wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden. Dazu eine Kommunikation, die nachhaltigen Lebensstil propagiert. Das sind die Eckpunkte, mit denen das Südtiroler Bergsportunternehmen Salewa den Weg in eine nachhaltige(re) Zukunft (voran-)geht.

Ein Bereich im Salewa Shop in Bozen ist seit einigen Monaten den Themen Second Life, Repair und Rental gewidmet. Weitere Shops sollen folgen. Secondhand im Bergsport ist für manche vielleicht noch Neuland, aber das Thema scheint bei den Kund*innen anzukommen. Dass der Weg zu einem zirkulären Business-Modell alles andere als einfach ist, darüber habe ich mit Salewa-Marketingdirektor Thomas Aichner gesprochen.secondlife_2+3 (c) susanne bartaThomas, das aktuell größte Problem der Textilindustrie ist die Überproduktion. Dahinter steht ein auf ständiges Wachstum getrimmtes Business-Modell. Wie kann es gelingen, hier die Weichen anders zu stellen?

Der unsichtbare Elefant, der zweifelsohne in der Wirtschaft im Raum steht, heißt „zu viel von allem“. Es geht heute nicht mehr Bedürfnisse, sondern um Wünsche. Eigentlich braucht kaum jemand mehr eine neue Jacke und nur selten neue Wanderschuhe. Das ist das Thema, mit dem Unternehmen und Konsumenten befasst sind und wo es nicht ganz leicht ist raus zu kommen. Denn wir sind ja darauf angewiesen, neue Produkte zu verkaufen. Was können wir also tun, um den Fußabdruck so klein wie möglich zu halten? Keinen Fußabdruck zu hinterlassen ist derzeit leider unmöglich, es wäre nicht ehrlich, so etwas zu behaupten. Der erste große Schritt war, die Produkte so zu bauen, dass sie möglichst langlebig und auch reparierbar sind. Die große Herausforderung stellt sich aber ab dem Moment, wo jemand das Produkt nicht mehr haben möchte, weil er zum Beispiel etwas Neues will. Nun geht es darum, dieses Produkt zurück in den Kreislauf zu führen. Oft liegen nicht mehr getragene Sachen lange zu Hause herum, sind im Dachboden, im Keller und werden dann weggeworfen. Gleichzeitig gibt es Leute, die so was gerne hätten, es sich aber nicht leisten können oder leisten wollen. Studenten zum Beispiel. So entstand die Idee für Salewa Second Life. Die Kunden haben die Möglichkeit, Produkte zurückzubringen und bewerten zu lassen. Dafür bekommen sie einen Gutschein und wir bringen das Produkt zurück in den Kreislauf, nachdem es gewaschen und gegebenenfalls von uns repariert wurde.

Sprecht ihr da auch eine neue Käufer*innenschicht an?

Ja, das bringt uns auch neue Kunden. Manche kaufen Second-Life-Produkte gerne, weil sie das Thema interessiert, andere sind froh, etwas weniger auszugeben. Ich glaube auch, dass es der Marke mittelfristig keinen Schaden bringen wird, denn noch ist der Prozess sehr aufwendig. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Verleih. Es wäre nicht korrekt, jemandem ein Steigeisen zu verkaufen, nur weil er einmal auf einen Gletscher steigen möchte. Wir verleihen fast unsere gesamte Hardware, von Klettergurten, Pickeln, Helmen bis zu Zelten. Auch Kleidung, etwa wasserdichte Jacken, sollen in Zukunft dazukommen. Wer das Produkt behalten möchte, zahlt nur mehr die Differenz zwischen Leihgebühr und dem neuen Produkt. Jedes neue Produkt kann bei uns innerhalb von 24 Monaten kostenlos repariert werden. Darüber hinaus verlangen wir den Marktpreis, um den Schneidern nicht ins Handwerk zu pfuschen. Repariert wird natürlich mit Originalmaterialien.Secondlife_4 (c) Rocco Ceo (49)Wie aufwendig ist das Projekt „Second Life“?

Der Prozess ist komplex. Es braucht qualifizierte Mitarbeiter, welche die Teile begutachten und den Kunden raten können, was am besten zu tun ist. Die Stücke kommen dann in einen unserer Hubs, zum Beispiel nach Bozen, und werden dort repariert. Wenn die Reparatur aufwendiger ist, kommt das Stück nach Montebelluna, wo unsere Maschinerie steht. Nach der Reparatur wird das Stück zurück in den Laden gebracht und geht dann wieder an den Kunden. Das ist sehr viel Organisation. Und es braucht alle Ersatzteile! Die muss man bereits bei der Produktion bei Herstellern mitbestellen, denn nicht alle Hersteller geben Einzelteile gerne heraus. Es braucht also die Stoffe, Reißverschlüsse, Knöpfe … Wir haben auch fast alles im Lager, vielleicht nicht immer in allen Farben. Um Reparaturen in diesem Umfang anbieten zu können, braucht es eine smarte Produktentwicklung. Wir haben begonnen, Stofftypologien zu rationalisieren, einen Stoff für verschiedene Produkte zu verwenden. Wir möchten keine Wegwerfindustrie sein, sondern zurück zum Reparieren gehen, zum Weiterverkauf, zur möglichst langen Nutzung. Dazu darf aber die Komplexität nicht zu hoch sein, denn je mehr Bauteile desto schwieriger wird es. Wir möchten also so weit als möglich zurück zu einer Kreislaufwirtschaft. Unsere Designer werden dahingehend aus- und fortgebildet, denn die Produkte müssen technisch funktionieren und reparierbar sein. Dazu braucht es viel Kompetenz, Erfahrung und eine gute Zusammenarbeit mit den Herstellern.

Die EU bringt im Rahmen des Green Deal in naher Zukunft neue Regelungen auf den Weg, die den Produktionsprozess verändern werden. Zum Beispiel, dass bestimmte Produkte reparierbar sein müssen. Die wenigsten Unternehmen sind darauf bisher vorbereitet …

Auch wenn das nicht unsere Hauptantriebskraft ist, wissen wir, dass das in Zukunft eine Vorgabe sein wird. Wir wissen auch, dass es nicht einfach ist. Deswegen haben wir dafür eine eigene Managerin eingestellt – sie ist Textilingenieurin – und sie koordiniert die verschiedensten Abteilungen, die das betrifft – vom Materialeinkauf bis zur Näherei und Schuhreparatur. Finanziell darf das ja auch nicht explodieren. Es braucht Jahre, um diese Prozesse entsprechend aufzusetzen. Das Ergebnis darf kein Greenwashing sein, muss aber wirtschaftlich machbar sein für ein Unternehmen.secondlife_5+6 (c) susanne bartaGehen eure Kunden diesen Weg mit?

Das Bewusstsein für Umweltthemen wird immer größer, auch wenn es oft noch sehr oberflächlich ist. Es geht ja nicht nur darum, sein Gewissen zu beruhigen, zum Beispiel weil ein Recycling-Logo auf dem Produkt oben ist. Es geht um viel mehr. Woher kommt ein Produkt? Wie schaut die Produktion aus? Wie werden die Arbeiter behandelt? Wie ökologisch sind die Materialien? Wie viel Wasser wurde verbraucht? Kann ich das Produkt reparieren? Und und und. Erst langsam wächst das Bewusstsein, wie komplex das Thema Nachhaltigkeit in der Umsetzung ist. Auf diese Reise muss man die Kunden mitnehmen. 

Arbeiten Sportartikelhersteller bei diesen Themen auch zusammen?

Es gibt eine direkte und eine indirekte Zusammenarbeit. Direkt auf der Ebene der European Outdoor Group, das ist der Zusammenschluss aller europäischer Outdoor-Hersteller. Bestimmte Nachhaltigkeitsprojekte werden hier im Team entwickelt. Zum Beispiel geht’s gerade darum, wie man von Plastikfolien beim Schiffstransport wegkommen kann. Jede Marke testet etwas anderes und dann wird bewertet, was sich durchsetzen kann. Indirekt schaut die Zusammenarbeit so aus, dass alle Marken auf große Lieferanten Druck ausüben, um bestimmte Dinge zu verändern. Zum Beispiel, dass Gore-Tex auf den Einsatz von PFCs (Perfluorierte Chemikalien) verzichtet. Salewa/Oberalp alleine hätte da keine Chance. secondlife_7 (c) Rocco CeoWerden Second-Life-Produkte gerne gekauft?

Sie werden so viel gekauft, dass wir gar nicht genug Teile hereinbekommen, um die Nachfrage zu stillen. Daher verstärken wir gerade die Kommunikation und fordern die Leute auf, ihre Teile zurückbringen, wenn sie sie nicht mehr tragen. Wir sind überzeugt davon, dass in den Kästen einiges lagert. Man bekommt dann einen Gutschein – bis 50 % des Neuwerts –, wenn das Produkt noch gut ist und eine Chance hat, weiterzuleben. Die Leute finden offensichtlich Gefallen an der Idee und kaufen gerne Second-Life-Produkte. Beide Seiten haben dadurch Vorteile. Für diese Produkte geben wir 12 Monate Garantie, wer uns die Daten für den Newsletter gibt, bekommt 24 Monate. 

Euer Weg Richtung Zirkularität steht also auf mehreren Pfeilern …

Genau. Neben der Langlebigkeit und Reparierbarkeit unserer Produkte setzen wir auch auf eine Kommunikation, die Menschen in einem nachhaltigen Lebensstil bestärken soll. Es reicht nicht, ein Salewa-Second-Life-Teil zu kaufen und dann 400 km weit zu fahren, um eine Skitour zu machen. Darüber sprechen wir, pushen dabei öffentliche Verkehrsmittel in unserem ganzen Storytelling und wollen über unsere Athleten und Influencer inspirieren, Bergsport nachhaltig zu betreiben. Da geht es auch darum, was sie zum Essen kaufen, wie sie anreisen, wohnen, leben … Das heißt, dass wir nur mehr mit Athleten und Influencern arbeiten, die selbst diesen Lebensstil pflegen. Ein Athlet, der zweimal im Jahr in den Himalaya fliegen möchte, kann nicht mehr unser Athlet*in sein. Das ist zu egoistisch, das wollen wir nicht zeigen.

Mehr zu Salewa Second Life gibt’s hier, den Salewa-Pflege- und Repair-Service findet ihr hier

Fotos: (1, 4, 7) © Rocco Ceo für Salewa; (2, 3, 5, 6) © Susanne Barta.

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Comments

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There are 2 comments for this article.
  • Susanne Maria Barta · 

    Die Inhaberin eines Secondhand-Shops hat mir geschrieben, dass sie seit kurzem auch secondhand Sportmode führe und dass secondhand Salewa bei ihr sehr nachgefragt werde. ????

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