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June 9, 2023
schräg und Schweiß
F. Landra
m(m)r 11*
Hier geht’s um etwas zwischen Progressive Agriculture und No Way Subculture … Und? Um das Gefühl eines Hausschweins, wenn es gekrault, um Heublumen und Nachtfalter, um scheue Fliegen, um Efeu, um Heu gekehrt und gewendet, Stubenmusik und Unstetigkeit als Tugend. Verwirren mit Ziel. Steil ist es hier und bodenständig sonst auch so.
Mein Frieden, dein Frieden, Our Freedom ist Programm. Heute, von 8 bis Mitternacht und länger. My dear, das wird queer, heißt es, „Rittens erstes und einziges queeres Cabaret“, heißt es. Mitfahrgelegenheit gibt’s eventuell auch, heißt es. Volljährig solltet ihr (schon auch) sein, heißt es … Keine Ahnung, wieso, aber vielleicht verraten sie es uns.
Sie, Caro Knab, und sie, Finja Messer, die Zugereisten aus dem fernen Norden und Conferenciers und Mistresses of Ceremony, und sie, Margareth Kaserer, die Hotel-Amazonas-Wirtin und Aspmayr-Bäuerin vor Ort, haben zusammen, rund um den Tisch in der Stube, auf der Eckbank, im Kollektiv, Fragen beantwortet. Ausnahmen sind hier bei mir Regeln, deshalb hier und jetzt in *mein (musik) rubrik mal was anderes … oder vielleicht auch nicht …
welche Stimmung herrscht bei euch gerade im Hotel Amazonas?
Relativ entspanntes Werkeln und Bauen. Vorfreudig, neugierig, gespannt. Müssen später noch die Hühner füttern.
ich schreib ja für franzmagazine, deren Motto – Achtung Hashtag – #morethanapplesandcows ist. was ist bei euch so more than apples and cows?
Caro + Finja: Dass wir hier die Möglichkeit bekommen, diesen Abend zu gestalten und nicht nur auf der Wiese rumliegen und den Kühen zuschauen, wie sie Äpfel fressen.was hört ihr gerade für Musik? warum? inspiriert’s?
Finja: Beyonce, weil das heute von einer Drag-Queen performt wird.
Caro: Ich musste erstmal ankommen und dem Amazonas lauschen.
Margareth: Wenig. Es ist eh schon laut genug. Außer Finja trällert ein Liedchen.
wenn ihr eine Band wärt, wie würdet ihr heißen? warum?
Finja: Meine Band heißt und hieß immer Ute Kabel.
Caro: Flippos.
Margareth: Strange New Allies, Faust aufs Auge, Angelsisters Hell, Queer matches, The loverettes, Queers no fears…
Finja: Bonobos.
ist es schwierig, sich heutzutage auf der Bühne zu behaupten – was ist eure Strategie?
Caro: Aus meiner Perspektive ist es ja, die kleinen Freiräume im Theater gnadenlos mit Entertainment zu füllen und Perspektiven zu zeigen, die endlich auch auf die großen Bühnen gehören. Goethe und Kleist sind jetzt wirklich schon lange, lange verstorben … Es gibt neue Shining Stars. Let them finally SPEAK.
welchen Song widmet ihr uns – bitte zitiert 1-2-3-4 Zeilen?
Wir widmen euch High through the night von Finja Messer:
I just can’t get enough of your love
Words can’t express baby how I feel
I need you to touch me
We’re flying high through the night
jetzt haben wir null über eure anstehende Cabaret Show am heutigen Freitag im Hotel Amazonas gesprochen. wie kriegen wir das doch noch hin? was passiert?
Wir wissen nicht genau, was passiert, und darum geht’s. Eine Live-Show mit Performances, viel Impro, vielen Kontrasten. Das Cabaret ist ein super Format, um Identitäten abseits des heteronormativen Mainstreams sichtbar zu machen und ihre Geschichten zu erzählen. Das hat auch eine politische Kraft, davon sind wir überzeugt.wie seid ihr für diese Expedition gerüstet?
Finja kann auf Knopfdruck gute Laune produzieren. Super Skill. Es sind mega Performer*innen dabei. Wir sind am schönsten Hof von ganz Südtirol. Und wir haben ein Awareness Team aufgestellt. Caro kann eine Schafherde gut im Zaun halten.
gibt es auch was zu lachen?
Margareth: Unbedingt. Es ist voll fun, queer zu sein. Mit unserem selbst ernannten Cabaret erforschen wir die Kategorien der LGBTQI+-Szene gemeinsam. Wir befinden uns gerade in einem gesellschaftlichen Umbruch, den gilt es aber auszuhalten. Die persönliche Freiheit jeder Person, sich selbst zu definieren, ist unanfechtbar. Als Utopie können Kategorien wie Mann, Frau, lesbisch, bi usw. in einem weiteren Schritt weg und bis dahin versuchen wir, Orte zu schaffen, an denen wir uns über diese Komplexität austauschen, einander zuhören und uns auch mal drüber amüsieren.
ihr ermutigt zum Offenbleiben. was nützt das?
Um dazuzulernen, in Kontakt zu bleiben mit Menschen, nicht auf Vorurteilen sitzen zu bleiben, auf Neues zu stoßen, also auch die Neugierde zu befriedigen.
was tun gegen Angst oder Furcht?
Angst erst mal eingestehen. Sie nicht verdrängen oder wegsaufen wollen. Jede*r hat mal Angst vor etwas. Sich fragen: woher stammt diese Angst, welcher Anteil in mir wird dabei getroffen, um was geht es da wirklich? Eine wiederholte Konfrontation mit dem Objekt, Subjekt etc., das Angst auslöst, ein Kennenlernen, kann sie abbauen helfen.
Wir haben auch Angst. Wir wissen nichts besser, im Gegenteil. Aber was hilft’s, außer es immer wieder zu versuchen.
Phantasie oder Garantie?
Das Leben ist ohne Phantasie kaum erträglich.
Mut oder Wut?
Margareth: Liebe wird aus Mut gemacht.
Finja: Der Mut entsteht manchmal aus der Wut.
Caro: Das W muss zum M werden, vom W zum M. Das ut bleibt.
Finja: Wird die Wut erstmal zum Mut, entsteht … ein neuer Hut.
solo oder kollektiv?
Margareth: Kollektiv, auch wenn das definitiv anstrengender ist.
Caro: nicht unbedingt. Im Kollektiv können Leute entlastet werden und sich in der Gruppe sicher fühlen. Das kann viel. Aufgabenverteilung, wer hat grade Kapazitäten und möchte mehr oder weniger Verantwortung übernehmen.
Leder oder Glitzer?
Caro: Was reimt sich auf Glitzer?
Margareth: (Wie heißen die Flitzer beim Fußball?)
Caro: Flitzer.
_schwarz oder weiß?
Schweiß.
Fotos: (1) Plakatsujet Our Freedom ohne Text; Foto Tiberio Sorvillo, Edit Hotel Amazonas; (2) Caro Knab und Finja Messer, Foto von Paul Max Fischer; (3) Our Freedom, Foto Tiberio Sorvillo, Edit Hotel Amazonas.
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