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November 16, 2022
First Class Secondhand in Eppan
Susanne Barta
Anna Horvath hat 30 Jahre in Südtirol im Gastgewerbe gearbeitet. Jetzt mit 54 macht sie etwas ganz anderes. Vor einigen Jahren hatte sie die Idee, einen Secondhand Shop aufzumachen, obwohl Secondhand bis dahin kein Thema war für sie. Die gebürtige Ungarin, das merkt man gleich, setzt um, was sie sich vornimmt. Mit Begeisterung und Ausdauer. Der Zeitpunkt war schwierig, denn kurze Zeit nach der Eröffnung kam die Pandemie und Lockdown folgte auf Lockdown. Aber Anna Horvath hat die schwierigen Jahre überstanden. Heute ist ihre First Class Secondhand Boutique ein Treffpunkt für modebewusste Damen aus Eppan und Umgebung. Der Laden läuft. Und wie. Eine Stunde war ich dort und es war ein ständiges Kommen und Gehen. Aber noch nicht alle Kundinnen getrauen sich die Tragetasche des Geschäfts zu verwenden, „man könnte ja sehen“, sagt Anna Horvath lachend, „dass sie Secondhand eingekauft haben“.
Im First Class Secondhand findet man genau das, was der Name verspricht: Ausgewählte Markenkleidung, schöne Accessoires, vor allem für qualitätsbewusste Damen, aber auch für jüngere Fashionistas, die sich ein klassisches Stück preloved zulegen möchten.
Ich habe mit Anna Horvath und ihrer 17jährigen Tochter Juliana gesprochen.Frau Horvath, wieso Secondhand Mode?
Das war wirklich eine spontane Eingebung. Ich habe mir vorher nie viele Gedanken über Secondhand-Bekleidung gemacht. Habe auch nie Secondhand getragen, obwohl es in Ungarn viele solcher Geschäfte gibt. Ich wollte einfach etwas anderes machen. Meine Tochter und ich sind dann in verschiedene große Städte gefahren und haben uns die Geschäfte dort angeschaut. In Südtirol habe ich nur sehr wenig gesehen. Das möchte ich verändern.
Wie ist das für dich Juliana?
Auch ich hatte wenig mit Secondhand-Mode zu tun, bis meine Mama ein Geschäft aufmachen wollte. Vorher lieh ich mir höchstens Kleidung von ihr oder von Freundinnen aus. Ich fand die Idee sehr cool und habe dann auch begonnen, mich mehr mit dem Thema zu beschäftigen. Heute trage ich nur noch Secondhand. Neue Sachen gefallen mir gar nicht mehr richtig. Was man in den Geschäften so bekommt, das hat ja jeder, Secondhand ist einzigartig.Frau Horvath, wer kommt zu Ihnen und wie kommt das Geschäft an?
Am Anfang waren viele skeptisch. Meine Kundinnen sind in der Regel zwischen 40 und 80. Das hätte ich so nie erwartet. Denn viele ältere Leute glauben immer noch, Secondhand sei wie Caritas. Aber wenn sie in mein Schaufenster schauen, kommen sie meist auch gerne herein. Heute sind meine Kundinnen begeistert. Sie freuen sich auch, wenn Stücke, die sie bringen, verkauft werden und so weiterleben. Eine Kundin erzählte mir vor kurzem, dass sie irgendwo saß und ihr Kleid an ihr vorbeispaziert ist. Sie hat sich so gefreut. Diese Freude möchte ich vermitteln. Ich selbst ziehe nur mehr Kleidung aus meinem Geschäft an. Und bin stolz darauf Secondhand zu tragen.
Ihre Auswahl ist in erster Linie klassisch …
Ich führe vor allem elegante Kleidung, habe aber auch sportlichere Stücke. Auch eine schöne Auswahl für festliche Anlässe gibt es bei mir. Viele möchten verständlicherweise nicht so viel ausgeben für ein Stück, das sie nur selten oder vielleicht auch nur einmal tragen.
Ich bin überrascht wie lebendig es in Ihrem Geschäft zugeht. Sind das alles Leute aus dem Dorf?
In der Zwischenzeit kommen sie nicht nur vom Dorf, sondern von der ganzen Umgebung. Auch Touristen kommen gerne. Mein Geschäft ist zu einem Treffpunkt geworden.
Kommen auch deine Freundinnen vorbei Juliana?
Die Auswahl meiner Mama spricht Jugendliche weniger an, außer man mag diesen Stil. Ich kaufe hier gerne ein, weil mir fraulich-elegante Kleidung gefällt. Viele Junge haben keinen eigenen Stil, sind sehr Basic angezogen und kaufen Fast Fashion. Aber einige meiner Freundinnen haben begonnen, sich mehr für das Thema zu interessieren. Denn mit Secondhand kann man sich viel individueller kleiden. Ich jedenfalls probiere gerne viel aus.Wie wählen Sie aus, Frau Horvath?
Die Stücke müssen in sehr gutem Zustand und natürlich sauber sein. Ich bügle und dämpfe dann nochmals alles. Die Auswahl reicht von richtig teuren Marken bis zu günstigeren. Meine Kundinnen haben ja unterschiedliche Budgetmöglichkeiten. Ganz wichtig ist mir das Material. Gefragt sind heute vor allem Naturmaterialien: Baumwolle, Leinen, Seide und Kaschmir.
War der Wechsel vom Gastgewerbe zu Secondhand-Mode also eine gute Sache?
Sehr. Jeder in meiner Umgebung hat zwar gesagt, ich sei verrückt sowas in Südtirol, in Eppan zu machen. Meinen sicheren Job zu kündigen und ein unsicheres Projekt zu wagen. Mein Mann und mein Sohn waren total dagegen, nur meine Tochter hat mich unterstützt. Aber ich wollte es machen. Viele Südtirolerinnen haben so schöne Sachen und sie wissen nicht wohin damit. Ich könnte 10 Geschäfte aufmachen. Jeden Tag gibt’s bei mir was Neues. Ich habe sehr viele Stammkundinnen, manche kommen zwei- bis dreimal die Woche.
Und du hilfst mit im Geschäft, Juliana?
Ja, schon seit der Eröffnung helfe ich viel. Soweit es neben der Schule eben geht. Es macht mir großen Spaß. Wünschen würde ich mir, dass die Leute Secondhand mehr schätzen lernen. Wir haben nicht so viele Ressourcen, dass wir so weitermachen können wie bisher. Das, was schon da ist, sollten wir noch so lange als möglich weiterbenützen und tragen. First Class Second Hand findet ihr in der Sonnengasse 1 in Eppan. Jede kann ihre Sachen vorbeibringen, ohne Termin. Von jedem verkauften Teil bekommt man 40 Prozent. Im ersten Jahr hatte Anna Horvath auch Männersachen, aber das Interesse sei sehr schwach gewesen, sagt sie. Daher gibt’s nur mehr Mode für Damen. Leider habe ich das Geschäft zu spät entdeckt, um es in die Sustainable Fashion Map South Tyrol aufzunehmen. Aber irgendwann wird ja nachgedruckt und upgedatet. Ein Besuch lohnt sich jedenfalls.
And by the way: Auch Anna Horvaths Mann und Sohn tragen nun ab und zu Secondhand.
Fotos: (1, 4, 5, 6, 7, 8) © Anna Horvath First Class Secondhand; (2, 3, 9) © Susanne Barta
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