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October 28, 2022

„Wir sind gefordert …“

Kunigunde Weissenegger

Vergangenheit holt uns ein, Striche und Farben katapultieren uns in die Zukunft, wir sehen Vielfalt und ausgetüftelte Techniken, expressive Figuren und Mienen, Kontraste, filigrane Chaoswelten, die geordnet einem Strich zu folgen … versuchen …

Für „Federspitze Schnabeltänze“ hat Kuratorin Karin Pernegger sechs Künstlerinnen und Künstler aus Nordtirol, Südtirol und dem Trentino zusammengeführt: Patrick Bonato, Katharina Cibulka, Laurina Paperina, Petra Polli, Josef Rainer und Benjamin Zanon treten mit ihren Arbeiten in der Ausstellung im Stadtmuseum Bruneck mit Werken von Paul Flora aus der Sammlung in Beziehung. Bis 3. Dezember 2022 ist die Ausstellung zu sehen, am Sonntag, 30. Oktober lädt das Museum zur Matinee und am 12. November 2022 zum Künstler*innengespräch mit Petra Polli, Josef Rainer und Benjamin Zanon, moderiert von Karin Pernegger.

Alles Gute – es ist die Jubiläumsausstellung zum 100. Geburtstag (zum Glück nicht zum Todestag) eines Großen. Karin Pernegger hat mit bedacht jede*n einzelne*n ausgesucht. Die Kunsthistorikerin und Kuratorin hat ihre Homebase in Innsbruck und war unter anderem bereits in der Stadtgalerie Schwaz, in der Kunsthalle Krems, im Kunstraum Innsbruck und zuletzt im Jahr 2020 in der StadtGalerie Brixen tätig. 2017 hat sie für ihr Engagement für die Tiroler Kunstszene sogar die Verdienstmedaille des Landes Tirols verliehen bekommen. Einige Fragen an sie:

Karin, warum bist du Kuratorin?

Als Kuratorin fasse ich einen Spiegel unserer kritischen Gegenwart zusammen, deren maßgebliche Auseinandersetzung ich in unterschiedlichen künstlerischen Arbeiten und Themen finde. Meine Funktion ist eine Unterstützung der Lesbarkeit und des Verständnisses dieser künstlerischen Expertisen zur Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Für mich verbindet sich deswegen kuratorische Praxis auch in einer politischen Haltung, da ich mich nicht hinter den Aussagen der Künstler*innen verstecken kann, sondern diese auch unterstützend betonen und erläutern muss und will.

Zur Ausstellung: Was verbindet die einzelnen Künstler*innen denn mit Paul Flora?

Unterschiedlich künstlerische Techniken. Sei es die Illustration oder die Zeichnung, wie bei Bonato oder Zanon. Das Karikierende und Humoristische, wie bei Paperina, wobei das Bonato und Zanon miteinschließt. Die Referenz zu großen Erzählern wie die Büsten großer und kontroverser Erzähler bei Rainer. Die Schrift oder dem zu heute vergleichbaren Stylewriting/Graffiti wie bei Polli. Oder die Begebenheit der Überschneidung von Biografie, da Cibulkas Großvater sein Lateinlehrer war und im Zuge dieser innerfamiliären Recherche ein eindringliches Porträt über den Krieg wurde. Aber auch Bonato, der zeitlich fiktiv überschneidend seine mit Floras Biografie zusammenlaufen lässt. Diese Vielstimmigkeit unterschiedlicher künstlerischer Techniken und Zugänge machen das Werk Floras bis in die Gegenwart lebendig lesbar. Alle, die Flora besser kannten, bezeugen der Ausstellung, dass er sie mit Sicherheit gemocht hätte, da er immer allen Medien gegenüber offen war. Zusätzlich darf man nicht vergessen, was für ein exzellenter und strategischer Netzwerker Flora war und im Unterstützen der eigenen Kollegenschaft immer großzügig.

Allgemein gefragt: Wie spitz sind denn die Federn heutiger Künstler*innen? Könnten sie spitzer sein? Vermisst du etwas im Vergleich zu “früher”?

Es ist meines Erachtens verfehlt anzunehmen, dass die Spitze der künstlerischen Feder verstumpft, es ist eher die Selektion nach Themenvergabe beim*bei der Betrachter*in, die verflacht und in ihrer Kritikfähigkeit verstummt. Das verflachende, kritische Bewusstsein zieht natürlich auch verflachende Produktionen künstlerischer Praxis einher. Wir sind gefordert, die Gegenwart kritischer zu denken, dann haben kritische Stimmen von Künstler*innen unterschiedlichster Sparten auch mehr Platz und Wahrnehmung.
Im Vergleich: Flora war ein Großmeister der politischen Karikatur und hat in den wichtigsten deutschsprachigen Tagesmedien publiziert und Einfluss genommen. Heute leistet sich kaum noch eine Redaktion einen Karikaturisten. Grundsätzlich verursacht natürlich auch der Markt mit seinem Angebot und seiner Nachfrage eine Verdrängung kritischer Inhalte.

Bild: © Laurina Paperina and Studio d’Arte Raffaeli

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