Jazz-Prozession in Brixen: JAZZDAY 2020

An alle Jazz-Jünger hierzulande: Fürchtet euch nicht und vergießt bitte keine Tränen mehr. Ich weiß, auch das Südtirol Jazzfestival fiel der geballten Absageflut zum Opfer, weswegen die Fans der virtuosen Musik unter euch nicht viel zu lachen hatten. Doch der Jazz-Gott scheint uns gnädig zu sein, denn es heißt, dass diese dunklen Zeiten schon bald ein jähes Ende finden werden. Also frohlocket, lobpreiset, jauchzet (und diese ganze weitere Palette von amüsant schwachsinnigen Worten) … Lasst euch von mir die frohe Botschaft verkünden: Das Jazzfestival kehrt zurück. Wenn auch nicht in seiner gewohnten Form, sondern als JAZZDAY, der am 1. August 2020 in Brixen stattfinden wird. Ein Tag, der auch anscheinend das Ende des Notstands markiert. Aber so lange dieser Bastard namens Covid-19 seine Runden zieht, bleibt dieses Ende leider weiterhin offen. Gibt es also trotzdem einen Grund zu feiern? Natürlich, wir feiern die Rückkehr des heiligen Jazz in unser Land und somit ein kleines Lebenszeichen der Live-Musik. Ja, selbstverständlich war der Blues dem Jazz wieder einmal voraus und feierte bereits beim Steinegg Live seine Heimkehr. Doch die Bilder vom Sitzkonzert erinnerten eher an eine Trauerfeier, was auch irgendwie zum Genre passt und auch zur derzeitigen Lage, denn dieser besch… Corona-Blues ertönt jetzt schon viel zu lange für meinen Geschmack. Aber was will man machen … 

Jedenfalls klingt der JAZZDAY nach einer etwas anderen Festlichkeit, also nicht nach einer Gedenkfeier, denn es wird nichts zu Grabe getragen. Die Preisung dieser Musik beginnt bereits um 10:30 Uhr mit einer Wanderung der jungen Musiker des „Beatroot Street Ensemble“, die dabei unverstärkt spielen werden. Ein sogenannter Jazz-Marsch durch die Brixner Innenstadt oder wie ich es feierlich nenne: Die Jazz-Prozession. Angeführt wird das Ganze vom 26-jährigen Trientner Jazzschlagzeuger und Komponisten Daniele Patton. Dieser wird sich dann anschließend mit seinen Kumpanen zur Mittagszeit in der umfunktionierten Jazz-Kirche, der 3fiori Cafè & Craft Beer Bar, einfinden und noch verstärkt ein paar Klänge zum Besten geben.

Aber keine Angst, das Festprogramm ist noch nicht zu Ende. Die Dekadenz Brixen präsentiert uns anschließend noch weitere Leckerbissen: Wenn sich dann die Abenddämmerung über den Eisack legt, begibt man sich in die Rappanlagen und ergibt sich dort vollkommen dieser dunklen Stimmung. Nicht im Sinn von okkulten Ritualen, sondern mit der mystischen Musik vom Bassisten Marco Stagni. Sein Projekt nennt sich „Animali Notturni“ und versprüht die Klänge der Nacht. Geheimnisvoll wie die uns unbekannte Welt der Nachtwesen. Dabei spreche ich nicht nur von gewissen Tieren, die im Wald hausen, sondern auch von den nachtaktiven Menschen. So hätte es sich wahrscheinlich angehört, wenn man vor vielen Jahren in irgendeinem schmuddeligen New Yorker Jazz Club gesessen hätte. Während man im komplett vernebelten Raum ein Glas vom besten Fusel genießt und mit den Fingern taktvoll auf den Tisch klopft, vernimmt man dumpfe Geräusche aus einem Hinterzimmer, wo wahrscheinlich gerade irgendein Mobster jemandem das Gesicht zu Brei schlägt. Was für eine Atmosphäre diese Musik bloß hinbekommt … Oder geht das nur mir so?

Zum Ausklang gibt es dafür Besinnlicheres: Den Abschluss macht der Venetianer Giacomo Zanus mit dem Projekt „Kora“. Er fühlte sich – so berichtet er – von der europäischen, geistlichen Musik „von Monteverdi bis Arvo Part“ inspiriert und hat daraufhin den Liederzyklus geschrieben. Entstanden ist eine Musik, die von verträumten Melodien und plötzlichen Brüchen geprägt ist. Wenn ihr mich fragt, dieser Sound wird euch in derart psychedelische Wallungen versetzen, dass ihr das Gefühl habt, als ob ihr in einer Lavalampe sitzen würdet.

Freuen wir uns also nicht nur auf einen Tag mit irgendwelcher Musik, sondern auch auf einen umfangreichen Einblick in die grandiose Welt des Jazz. Bleibt also nur noch zu sagen: Louis Armstrong sei mit euch. Gehet hin im Swing. Amen. 

Foto: Marco Stagni