Food
September 11, 2018
Zuhause bei den Pilzgurus
Eva Rottensteiner
Zuerst hätte es Getreide sein sollen, dann Haselnüsse und letztendlich fiel die Wahl auf Pilze. Die kommen sonst schließlich aus Korea oder Finnland. Und weil Pilze auch in Südtirol wachsen können, bauen Andreas Kalser (27) und Josef Obkircher (27) jetzt in Josefs alter Scheune in Aldein Bioedelpilze an. Deshalb mache ich ich mich auf den langen weiten Weg bis zum Hof im Thal in Aldein, wo die zwei 2017 ihre Pilzzentrale gebaut haben. Nach gefühlten 50 km Schotterweg und leichter Verunsicherung, ob ich nicht vielleicht schon Aldein verlassen habe, komme ich schließlich doch noch beim Hof im Thal an und werde gleich freundlich von den zwei Schwammlzüchtern begrüßt. Dann beginnt auch schon die kurze Tour in ihre Schatzkammer aka Kühlzellen. Direkt beim Eingang der Scheune sticht mir ein großes Logo mit der Aufschrift Kirnig – Südtiroler Edelpilze ins Auge. Aber Moment mal, “kirnig”? Ich kenne ja eigentlich viele merkwürdige Ausdrücke, die man bei uns hier so benutzt wie “Ruuselen”(Röteln) oder “Bugganagga”(jemanden Huckepack nehmen) oder “kribuskrabus” (chaotisch, querdurch), aber kirnig? Ich mache mich gleich schlau und mir wird erklärt, dass das im Reggelberger Dialekt soviel wie vital/gesund/kräftig bedeutet, so wie ihre Pilze eben. Und weil es ein Wort in Mundart ist, passt das auch zum regionalen Aspekt, der bei ihrem Projekt fundamental ist. Aha, okay, einmal in Aldein und schon den Wortschatz erweitert.Aber warum jetzt eigentlich Pilze? Diese Frage brennt mir schon seit meiner Ankunft unter den Fingernägeln. Sie erzählen mir, dass sie das Gefühl hatten, ihre Biopilze würden sich gut mit aufkommenden Ernährungstrends vereinen lassen. Der Konsummensch mag nicht mehr den herkömmlichen, genmanipulierten und vielleicht auch noch radioaktiv verseuchten Supermarktfraß, der Konsummensch is(s)t jetzt gesundheitsbewusster. Wenn schon Essen, dann bitte vegetarisch, gesund, regional und alles biologisch versteht sich. Und da kommen ihre Bioedelpilze genau richtig.
Außerdem erzählt mir Josef, dass sie nach mehr Eigenverantwortung suchten und schon immer gemeinsam ein Projekt starten wollten und verschiedenes im Kopf hatten, bis die Pilze in ihrem Kopf schließlich Wurzeln schlugen. Eigentlich hätten die zwei ja auch sonst schon genug Verantwortung: Während Andreas als Obst- und Weinbauer seine Brötchen verdient, baut Josef Beeren und Kernobst an und hält nebenbei auch noch Ferkel. Doch sie suchten nach einer neuen Herausforderung. Und die kam in Form von Hut und Stiel.
„Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“? Oho, das kann man von den zwei Schwammlgurus nicht behaupten. Ich sage nur Shiitake. Und damit meine ich nicht irgendeine verrückte chinesische Kampfsportart, sondern die aromatisch würzigen Pilze, die man sonst eher nur beim Asiaten auf dem Teller findet. Und jetzt eben in den Kühlzellen von Kirnig in Aldein. Andreas erklärt mir, wie gesund die sind und dass sie eigentlich auch ein bisschen nach Knoblauch schmecken. Ihre andere bei uns etwas bekanntere Sorte sind die mediterranen Kräuterseitlinge – „beliebt für Suppen, Vorspeisen, Wild und vegane Gerichte“ – lese ich auf ihrem Volantino. Dass die Kirnigpilze ein wahrer Gaumenschmaus sind, hat auch die Südtiroler Gastronomie verstanden, die ihre Speisekarten fleißig mit dem Kirnig-Logo garniert.
Ganz so schnell nahm ihr Projekt damals allerdings nicht Gestalt an. Das Brainstormen vor dem Startschuss von Kirnig war nicht immer ein leichtes Unterfangen. In Deutschland und Österreich wollten viele Betriebe nicht, dass man ihnen über die Schulter schaut. Deshalb steckten sie sich eine Route auf Google Maps und wurden schlussendlich doch bald nach unseren Landesgrenzen fündig. Ein Schweizer Betrieb hat ihnen bei der Weiterentwicklung ihres Projektes weitergeholfen. Im März 2018 konnten sie dann stolz ihre ersten Pilze ernten. Hielten sie die Leute im Dorf zuerst für verrückt – „fahlts soviel Geld für sete Schwammln“ – „rentiert sich des iborhaup?“ – „de ibortreibm schun awia“ – so verläuft sich mittlerweile neben Gourmetrestaurants auch der ein oder andere Aldeiner hinein in den Wald bis zum Hof im Thal. Damit das ganze kein Pseudoökounterfangen wird, versuchen sie auch in Punkto Verpackung nachhaltiger zu werden. Sie haben sich mittlerweile mit einem Unternehmen zusammengetan, das 30 % weniger Plastik beim Einpacken vom Substrat (das ist der Nährboden, woraus die Pilze dann wachsen) verwendet als andere Substrathersteller. Die zwei Pilzexperten wissen, dass bauer nicht einfach so wie bisher weiterarbeiten kann und dass es neue Modelle in der Landwirtschaft braucht. „Die Ernährung verändert sich, genauso wie das Wissen über die Produktion von Lebensmitteln und das muss angepasst werden“, da ist sich Andreas sicher.
Für alle, die in diesem Jahr keine Zeit haben, um selbst auf Pilzjagd zu gehen, gibt’s mehr Infos hier. Vielleicht habt ihr Glück und die Kirnig-Jungs laden euch auf eine kleine Führung ein. Man munkelt, dass sie auch manchmal im Anschluss kochen …
Fotos: Eva Rottensteiner
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