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December 17, 2015
“Mit einem guten Buch ist man nie allein.” Autorin Barbara Zelger
Maximilian Mayr
Barbara Zelger ist eines der vielversprechendsten Mitglieder der jüngeren Südtiroler Autorengemeinde. Die gebürtige Sterzingerin lebt seit Jahren in Innsbruck, wo sie sich aktiv am dortigen Kulturbetrieb beteiligt. Ihre Abschlussarbeit “Phänomene von Grenzüberschreitungen am Beispiel von Ilma Rakusas ‘Mehr Meer’” erschien 2012 in Buchform. Wir haben die Autorin zu ihren Arbeiten und zukünftigen Projekten befragt.
In deinem Buch “Phänomene von Grenzüberschreitungen” hast du über Romanfiguren von Ilma Rakusa geschrieben – hier gleich die erste Frage: Worum geht es in dem Buch?
In “Phänomene von Grenzüberschreitungen am Beispiel von Ilma Rakusas ‘Mehr Meer’” geht es um symbolische und physische Grenzen, die tagtäglich überschritten werden. Arbeits- und BildungsmigrantInnen und aktuell vermehrt Flüchtlinge müssen ständig Grenzen überwinden. In meiner Arbeit geht es um die literarische Behandlung des Themas. Ich versuche aufzuzeigen, wie Ilma Rakusa (trans)kulturelle Erfahrungen vermittelt und wie sie – nicht zuletzt durch ihre eigenen Grenzüberschreitungen – die Leser und Leserinnen zu mehr Offenheit für mitteleuropäische Literaturen führt.
Wie bist du auf die Idee gekommen, es zu schreiben?
Im Rahmen meines Germanistik-Studiums in Innsbruck und Maribor habe ich mich mit Literatur aus Grenzgebieten beschäftigt. Ich habe Texte von AutorInnen gelesen, die auf Deutsch schreiben, ursprünglich aber eine andere Erstsprache hatten. Daraufhin habe ich mich postkolonialen Theorien angenähert, die sich auch mit (Sprach-)Grenzüberschreitungen befassen. Ilma Rakusa hatte ich bereits auf einer Lesung gehört, in Lana stellte sie dann ihr Buch “Mehr Meer” vor, das ich als sehr passend für diesbezügliche Forschungsfragen empfand. Diese Arbeit behandelt in meinen Augen ein sehr schönes Thema für einen Studienabschluss.
Was fasziniert dich an der Person Ilma Rakusa? Siehst du Parallelen in Rakusas Biografie, als Zugehörige zu mehr als einem Kulturkreis sozusagen, zu dir oder SüdtirolerInnen im Allgemeinen?
Rakusa hat einen mitteleuropäischen Hintergrund. Mitteleuropa zieht sich über mehrere Länder und Sprachen, die die Autorin durch ihre Kindheit und Jugend begleitet, aber auch nachher nicht losgelassen haben. Das zeigt sich an ihren Werken. Rakusa hat Deutsch zu ihrer Literatursprache gemacht, aber auch zu der Sprache, in der sie sich zu Hause fühlt. Aus anderen Sprachen (Ungarisch, Russisch, Serbokroatisch, Französisch) übersetzt sie. Damit wird sie zu einer wichtigen Vermittlerin von ost- und mitteleuropäischen Literaturen. Wie Rakusa haben Südtiroler und Südtirolerinnen die Chance, Einflüsse aus verschiedenen Sprach- und auch Kulturkreisen zu vereinen. Ich sehe das als gute Möglichkeit. Es ist spannend zu sehen, welche Offenheit sich daraus entfalten kann. Oft allerdings ist die Identität in der Folge nicht ganz klar.
Du schreibst für das Literaturmagazin “Cognac & Biskotten” und engagierst dich für die Turmbund – was kannst du uns darüber erzählen?
Ich habe in Literaturmagazinen (Cognac & Biskotten, Uhura) und in kleinen Anthologien veröffentlicht. Dabei gibt es manchmal Themenvorgaben, über die ich nachdenke. In der Folge sehe ich, ob ein Text daraus entstehen kann oder nicht. Nicht alle Themenvorschläge passen, nicht alle formalen Vorgaben lassen sich individuell umsetzen. Manches oder gar Vieles liegt einem nicht. Andererseits entstehen Texte durch spontane Inputs, mit denen man oft genug überhaupt nicht rechnet. Durch erste kleine Veröffentlichungen und durch eine Literaturgesellschaft, den Turmbund in Innsbruck, haben sich Möglichkeiten ergeben, mich erstmals aktiv im Literaturbetrieb einzubringen. Im Turmbund moderiere ich immer wieder Lesungen von jungen Autoren und Autorinnen aus Südtirol und Tirol. Durch Kontakte, die daraus entstanden sind, wurde ich 2015 sowohl zum Höhenflug-Literaturfestival in Zug (Schweiz) als auch zum 8. Alpe-Adria-Literatursymposium auf Schloss Gmünd in Kärnten eingeladen. Gemeinsam mit dem Club Alpbach Südtirol, allen voran mit Vorstandsmitglied Julia Sandrini, habe ich bereits zweimal Leseabende beim Europäischen Forum Alpbach organisiert, moderiert und auch selbst dort gelesen. Andere Lesemöglichkeiten finden sich durch Bewerbung (z. B. Literaturfestival im UFO Bruneck), durch weitere Einladungen oder immer wieder auch durch Selbstorganisation.Über was schreibst du? Was bewegt dich?
Meine lyrische Kurzprosa handelt von persönlicher, historischer oder gesellschaftlicher Erinnerung und von Identität(en), also auch von Themen, die sich aus der Frage nach der/einer Heimat ergeben. Dabei kann mich eine leerstehende Wohnung inspirieren, in der früher die Großeltern gelebt haben, eine Reise nach Neapel, der erste Schmetterling im Frühling oder auch ein Bild, das ich betrachte. Themen oder Motive fügen sich aus dem zusammen, was ich sehe, höre, empfinde, lese oder mir schlicht vorstelle. Dann vermischen und verfremden sich die Motive, und es entsteht langsam ein Text. Der kann manchmal aber auch ganz schnell entstehen. Auch sich verändernde Lebenssituationen oder gesellschaftspolitische Aspekte spielen für die Produktion meiner Texte eine Rolle.
Bist du im Moment an anderen Projekten beteiligt? Können wir in naher Zukunft mit Veröffentlichungen rechnen?
Im nächsten Jahr sind einige Lesungen und zwei Schreibwerkstätten mit SchülerInnen und Studierenden geplant. Gerade habe ich einen dreiseitigen Text beendet, der sich im weitesten Sinn mit Zivilcourage befasst. Weiterhin werde ich kürzere Prosatexte und Gedichte schreiben. Gerne möchte ich bald an einem größeren Projekt arbeiten, die ersten Worte sind verfasst, die Idee existiert, aber nun geht’s erst richtig an die Arbeit. Dann wird sich zeigen, inwieweit das Projekt sich umsetzen lässt.
Wer sind deine Literarischen Vorbilder?
Es gibt viele Autoren und Autorinnen, die mich in verschiedenen Situationen oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten inspirieren und motivieren. In der letzten Zeit habe ich Alois Hotschnig, Christoph W. Bauer, Robert Seethaler, Anita Pichler, Otto de Kat, Peter Handke, Norbert C. Kaser gelesen.
Warum bist du nach Innsbruck gezogen? Gibt es in Österreich mehr Möglichkeiten sich als Autor zu etablieren als hierzulande?
Ich bin für mein Studium nach Innsbruck gezogen und danach geblieben. Zum einen ist Innsbruck seit der Kindheit zweite Heimat für mich. Meine Schwestern und ich waren bereits als Kinder einmal wöchentlich dort. In Innsbruck gibt es eine bunte Kulturszene. Es tut sich was. Große Veranstaltungen reihen sich an ganz kleine. Landestheater und mehrere bereits etablierte Off-Theater existieren nebeneinander und ergänzen sich. Das Literaturhaus bietet Lesungen an, Autoren und Autorinnen kommen in die Buchhandlungen, aber auch eine lebendige und junge Poetry-Slam-Szene erweckt Interesse an Literatur. Diese kulturelle Vielfalt würde mir in Sterzing abgehen. In Bruneck und Bozen sieht es diesbezüglich besser aus. Ich glaube, dass Südtirol auf einem guten Weg ist. Ich selbst habe in Glurns, Bruneck und Sterzing gelesen und bin zuversichtlich, dass sich noch einige Lesungen in Südtirol ergeben werden.
Was gefällt dir ganz allgemein an Literatur?
Literatur ist für mich Leidenschaft und Faszination. Literatur kann berühren und verstören. Sie kann vielleicht nicht viel verändern, aber sie kann aufzeigen und sensibilisieren. Ich glaube, dass Literatur Ausgleich und Entspannung ist. Mit einem guten Buch ist man nie allein. Außerdem sind Bücher geduldige Lehrer. An meine Texte stelle ich persönlich den Anspruch, zugänglich zu sein – verständlich und nachvollziehbar. Glücklich bin ich, wenn meine Texte jemanden berühren, etwas anrühren oder Erinnerungen hervorrufen.
Dein größter Traum für die Zukunft ist…
Was die Literatur betrifft: an einem längeren Projekt zu arbeiten, dranzubleiben und schließlich eine Möglichkeit zu finden, es zu veröffentlichen. Ansonsten kann es gerne so weitergehen. Ich habe bereits Möglichkeiten, aufzutreten und vor Menschen über Literatur zu sprechen, ihnen Literatur näherzubringen sozusagen und sie dazu anzuregen, sich mit Lesen zu beschäftigen. Wenn dies auch in kleinem Rahmen geschieht, so freut es mich doch.
Barbara Zelger, geboren 1982 in Sterzing, lebt in Innsbruck. Matura mit Abschluss Kindergartenpädagogik in Brixen. Theaterpädagogik-Lehrgang in Brixen. Germanistik-Studium in Innsbruck und Maribor. Mitarbeiterin bei Sozialprojekten und Referentin in den Bereichen Sprachförderung, Deutsch als Zweitsprache und Literatur. Veröffentlichungen in den Literaturmagazinen Cognac & Biskotten und Uhura, in mehreren kleinen Anthologien und Online-Medien (v. a. www.provinnsbruck.at). Lesungen in Süd-, Nord- und Osttirol, Kärnten, Wien und Zug (Schweiz).
“Du und Ich sind Wir” von Barbara Zelger
Du und Ich sind Wir, in der sanften Sommernacht ein Glas Wein, Du ohne mich, ein Du, Ich ohne dich bin ich, allein. Kann es schön sein, einsam allein? Dann trinke nur ich ein Glas Wein, sitze da im lauen Sommerwind und schaue all den Ihrs oder Wirs zu, die herumflanieren, spazieren, Hand in Hand in der Welt agieren, aufeinander reagieren, im Guten, im Bösen, das Ich im Du manchmal auflösen. Sie haben ein Wir sich zu eigen gemacht, gemeinsam wird gelacht, alleine an den Andern gedacht, doch nur ein Ich zu sein, kann auch schön sein, Zeit für sich, für die Freunde, mal allein sein daheim. Lieber als den Mittelweg hinzunehmen, ist es doch, allein dazustehen, im Leben fest auf zwei Beinen zu gehen und dem noch entgegenzusehen, was ich mir immer erträumt. (Veröffentlicht in Uhura 2015)
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