Music

October 9, 2015

Bye-bye Halle 28.
Die Szene ist tot!? Lang lebe die Szene?!

Kunigunde Weissenegger

Wie ein Hoax verbreitete sich die Nachricht am Mittwoch, 7.10.2015 auf Facebook, doch es war keine Falschmeldung: ”Nun ist es traurige Gewissheit, die Halle 28 ist Geschichte.” Fünf Jahre hat das wohl größte Veranstaltungszentrum für Clubbings der Subkultur überlebt – für Südtirol eh ein Rekord, Gratulation zum eben nur Beinah-Erreichen des Schulalters – gerade in diesem Alter würden Heranwachsende laut PsychologInnen einen enormen Bewegungsdrang verspüren… Naja, zurück in die Tristesse nach Bozen: Ab Mitte Oktober 2015 werden Bagger mit Abrissabsichten anrollen und ein Loch in die Bozner Schlachthofstraße 28 [daher auch der Name des Veranstaltungsschmelztiegels] und in die hiesige, eben auch durch die Halle 28 gespannte, aufgepeitschte und bewegte Musik- und Kulturszene reißen. [...auf Tauchgang ließen sich dort dank der phantasievollen Veranstalter mit ihren mannigfaltigen Veranstaltungen andere Atmosphären atmen...] Peter Kruder - franzmagazinePeter Kruder 2013 am Werk in der Halle 28 

Eine Abrissfete wäre also naheliegend, bleibt FreundInnen, Gästen, Fans, OrganisatorInnen und HelferInnen der legendären Halle jedoch vom Eigentümer grundlos verwehrt. Mehr zur Geschichte der Halle 28 inklusive Meinungen von hie + da könnt ihr auf salto.bz nachlesen. Wir wollten wissen, was sich der nunmehr ehemalige Pächter, Haus- und Eventmeister [er hat die Geschicke von Haus, Hof und Festen gedeichselt] und selbst Veranstalter und DJ Werner Gutgsell [auf dem Foto oben mit "Bruder" Peter Kruder] denkt. Er hat sich in den letzten fünf Jahren nicht nur mit Stars verschiedenster Musik- und Klangwelten herumgeschlagen und abgegeben, sondern von Anfang an und konstant auch mit Genehmigungen, Beschwerden, Renovierungen, Notausgängen, Security-Dienst-Auflagen, schreckhaften Beamten, hibbeligen Anrainern und anderen Schikanen…
Viel wüsste er zu erzählen, vielleicht schreibt er mal ein Buch darüber… Vorerst wollen wir uns mit diesen Antworten zufrieden geben und sind natürlich neugierig, wo denn das nächste Clubbing steigen wird…? 

Werner Gutgsell, Ende mit Schmerzen oder Scherzen? Wie traurig bist du?  

Natürlich schaue ich mit einem weinenden Auge in die Zukunft, aber mit einem lachenden blicke ich zurück: Wer hätte anfangs gedacht, dass wir über 5 Jahre bleiben konnten! Der Plan war die Halle bereits 3 Monate nach Eröffnung  abzureißen. Wir hatten nie eine Garantie länger als 6 Monate weitermachen zu dürfen. Die Wirtschaftskrise spielte uns die Halle in die Hände, denn es fehlte an Investoren und Geld für den geplanten Neubau. Das jetzige Ende war seit Dezember 2014 absehbar, kam also nicht überraschend. Realisiert haben wir es erst richtig, als wir gestern, 7.10.2015, die Bühne abgebaut haben. Das haben wir uns als letztes aufgehoben, immer noch in der Hoffnung an eine weitere Saison. Da war schon eine gewisse Wehmut und ein Stimmungstief zu spüren. Traurig sind vor allem all die vielen Fans und Gäste, die nun “heimatlos” sind. Die unzähligen Kommentare und Gratulationen auf FB haben mich schon gerührt.Halle28 Ralph CieliRalph Cieli beim vorletzten Clubbing in der Halle 28Foto Elysium/Dalge PH

Erinnerst du dich noch an die erste Veranstaltung in der Halle 28 vor 5 Jahren? 

Bei der ersten Veranstaltung imponierte mir, wie respektvoll die Besucher in die Halle kamen. Vielleicht lag es an der Unsicherheit  eine neue, unbekannte Location zu betreten. Die Schlange am Eingang verlief in Zweier-Reihen entlang der Hausmauern, so wie man es in England gewohnt ist, und alles ging sehr ruhig und zivilisiert zu. Nach der offiziellen Sperrstunde spielte Rainer Trüby noch eine längere Zugabe. Prompt war die Polizei zur Stelle. Daran wäre beinahe die Zukunft der Halle gescheitert. Das war laut Landesbeamten nicht so klug, gleich bei der ersten Veranstaltung 12 Minuten zu überziehen. Es war uns eine Lehre und alle folgenden Veranstaltungen endeten pünktlich auf die Minute. Dem einzigen Nachbarn wäre es trotzdem Recht gewesen, wenn wir doch auch mal 5 Minuten vor Sperrstunde geschlossen hätten.

Was war der denkwürdigste Moment in der Halle?

Der denkwürdigste Moment wäre wohl eine Abschluss- bzw. Abrissparty geworden. Jeder hätte ein letztes Mal dabei sein wollen, die Stimmung und Energie wären wohl unbeschreiblich geworden. Wir hätten uns bei allen bedanken können, anstatt einen sang- und klanglosen Abgang zu machen. Der Post auf FB hat innerhalb eines Tages fast 50.000 Personen erreicht, wurde mehr als 120 mal geteilt und alle Kommentare zeigen, wie sehr die Halle 28 den BesucherInnen ans Herz gewachsen ist und wie sehr wir so etwas in Bozen vermissen werden.Kannst du abschätzen, wie viele Stars + Acts in den 5 Jahren aufgetreten sind? – Die bekanntesten…? 

In dieser Zeit sind immerhin ca. 300 Künstler aufgetreten. Davon waren um die 120 internationale Acts dabei, von denen einige mittlerweile unbezahlbare Stars geworden sind, wie beispielsweise Fritz Kalkbrenner, aber auch alte Hasen wie DJ Hell, Peter Kruder, Ralf; Bands wie Planetfunk; TV-Lieblinge wie Markus Kavka; Musik-Nerds wie Dominik Eulberg, Oliver Huntemann; Größen der EDM Szene wie Vinai oder Will Sparks; Underground-DJs wie Format:B, Lucy, Fabrizio Maurizi oder Publikumsmagneten der Tekszene wie Vandal, Gonzi.  Halle 28 Will SparksWill Sparks beim vorletzten Clubbing in der Halle 28, Foto Elysium/Dalge PH

Chicks on Speed waren auch mal da… – Und nun? Was hast du vor? Übernimmst du eine Halle in der Industriezone?

Auch wenn die Situation nicht gerade vielversprechend ist, klammere ich mich an jeden Strohhalm und hoffe, dass sich eine neue Gelegenheit auftut, um weitermachen zu können. Es wird schwierig werden, eine geeignete Location zu finden: Sie darf nicht zu abgelegen sein und auch nicht in der Nähe eines Wohngebietes. So gesehen konnte die Halle 28 nicht besser gelegen haben. Sie befindet sich genau an der Grenze vom Gewerbe- zum Wohngebiet. Dem klassischen Discogänger war zwar bereits diese Entfernung von der City zu weit. Aber wir haben es geschafft, ein Publikum anzuziehen, das mit dem Fahrrad, dem Zug, zu Fuß oder mit dem Auto von auswärts kam.
Leere Hallen in der Industriezone soll es geben. Eine solche Halle aber wieder zu adaptieren, um die nötigen Voraussetzungen für öffentliche Veranstaltungen zu erlangen, ist eine aufwendige und kostspielige Angelegenheit, die gut durchdacht werden muss.

Foto ganz oben: Werner Gutgsell + Peter Kruder [c] Werner Gutgsell

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