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July 17, 2015
MOUNTAIN SOUL Auf den Pfaden des Hahnenkamms
Anna Luther
Endlich nur noch Fauna und Flora um mich – die Natur präsentiert sich in geballter Kraft als Erlöser aus Stadtluft und Straßenlärm. Der radikale Wechsel meines Umfelds lässt mich auf eine mehr ausgeglichene Version meines Selbst hoffen. Die Sehnsucht, sich Bergschuhe zuzulegen und das Risiko einzugehen, damit Blasen an den Füßen zu bekommen, hat begonnen, als aus den ersten Fabrikschornsteinen Qualm dampfte… Als die Industrialisierung begann, wurde die Idee der Romantik geboren. Der Fortschritt ließ die Natur zerbrechlich und unschuldig erscheinen, als Ort der Besinnung und Lebensquelle. Berge besteigen wurde Ausdruck der Romantik wie Literatur, Gemälde und Komposition. Bis heute erfreuen sich Murmeltiere in schwindelnden Höhen einer regen BesucherInnenzahl.Oberhalb von Kuens in Passeier beginnt meine eintägige Entschlackung von schnellen Gefühlen und Verkehrsmitteln. Die Begehung über den Grat zur Hochwarth und dem Spitzhorn, auch Hahnenkamm genannt, lässt mein Gehirn langsam auf Stand-By schalten und Alltagssorgen scheinen so banal zu sein wie festgeklebte Kaugummi auf Asphalt; meine Sorgen gehören im Augenblick zu meinem Seelenbild wie die grauen, abgetreten Kaugummis zum Stadtbild. Nicht der Beachtung wert, Bühne frei für Mountainsoul.Nach einigen Stunden auf verschlungenen Pfaden durch Blumendickicht und Steingeröll hebt sich von der Landschaft die Untere Obesell Alm mit ihrem Wellblechdach ab. Auch die bunten Kleider der Zugekehrten stechen ins Auge. Hier ober der Waldgrenze gibt es keine Termine oder Busse in Reichweite, die verpasst werden könnten, nur die Nacht steht irgendwann vor der Tür. Demnach ist die Stimmung auf der Alm entspannt, Wäscheklammern laden dazu ein, verschwitzte Socken aufzuhängen und den Füßen Freiluft zu gönnen. Kühe inspirieren in einem kleinen See nahe der Alm schwimmen zu gehen.
Fotos: Heinz Luther
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