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March 13, 2014
Lust auf’s Auswandern – kein Wunder!
Christine Kofler
Zu den enormen Summen, die an Politikerrenten ausbezahlt werden, ist bereits alles gesagt. Ein Hohn für jene Südtiroler Pensionisten, die mit ein paar hundert Euro im Monat (über-)leben müssen. Für Familien, die Ihre Heizrechnung nicht zahlen können. Für junge Leute, die sich von einem Praktikum zum nächsten hangeln. Verteidigungsreden in Richtung “Das Geld steht uns rechtmäßig zu” zeigen, wie abgehoben “la casta” auch hier in Südtirol ist. Nicht Kilometer, sondern Lichtjahre vom Volk entfernt.
Es wurde geschwiegen, um den Sessel und künftige Sextoys zu retten
Unglaublich ist allerdings auch etwas anderes: Seit September sind die Zahlen bekannt, wahrscheinlich länger. Ulli Mair sprach bei der Protestkundgebung davon, dass Sie die „Bombe nicht einen Monat vor den Wahlen“ hätte platzen lassen wollen. Somit waren sich also sowohl die SVP als auch die Opposition über die Brisanz der Zahlen bewusst. Ich nehme an, es wurde geschwiegen, um den eigenen Sessel zu retten und auch künftig lustige Sextoys zum Geburtstag zu bekommen.
Wie hätten die Wahlergebnisse ausgeschaut, wenn diese Informationen bereits vor dem “Kreuzerltag” im Tagblatt positioniert worden wären? Warum ist die “Bombe” gerade jetzt “geplatzt”? Wer hat etwas davon, dass Kompatscher jetzt geschwächt ist? Wer lässt hier die Muskeln spielen um zu zeigen, dass es ohne ihn nicht geht?
Es sind diese Intrigen- und Strategiespielchen, diese ewigen Seilschaften und Machtkämpfe der üblichen Verdächtigen, die Lust auf’s Auswandern machen. Schon klar, so leicht entkommt man dem nicht: Von Shakespeares “King Lear” bis zu HBO’s “House of Cards” – Macht, Macht, Macht. Sie ist überall da, wo es Gesellschaft gibt. Aber nur bei uns hat es bis vor kurzem noch Audienzen gegeben, obwohl die Monarchie ja schon lange tot ist. Eigentlich. Die Staatsgewalt geht vom Volke aus, heißt es. Das Netz, Wikileaks & Co. steigert die Macht des Volkes – die Hürden für die Verbreitung unliebsamer Informationen sinken. Und wenn wir schon dabei sind: Lieber Herr Pahl, wenn Sie gern ein zensiertes Internet hätten, dann lassen Sie sich doch in Nordkorea einbürgern.
“Wir Südtiroler” – das gibt es nicht
Besonders bitter ist, dass die Politiker durch diesen Vertrauensbruch gegenüber dem Volk die Verfassung als politisch-rechtliche Grundlage des Staates als Ganzes infrage stellen und für Instabilität sorgen, in Zeiten, in denen Stabilität nötig wäre. O-Ton dazu aus dem Gasthaus: “I zohl kuan Cent Stuiern mehr für de Bonzen.” Bitter auch die neoliberalistische Botschaft: Jeder kämpft für sich allein. “Wir Südtiroler” – das gibt es nicht.
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