“Rita” von Toni Bernhart – “Amol eppes ondrsch wia Eartepfl und Kia”

Rita - Toni Bernhart

Rita hat als Kind das Dorf verlassen. Nun, Jahre später, da ihre Großmutter tot ist, erwarten sich alle, sie kehre dorthin zurück und trete ihre Erbschaft an. Doch, wie so oft, kommt alles anders… Gespielt wird das Stück von der Heimatbühne Prad von 1. bis 16. Februar 2014, samstags um 20.00 und sonntags um 17.00 Uhr, im Raiffeisensaal im Aqua Prad (Premiere und Uraufführung am 1.2.2014 – mehr Infos hier). Geschrieben hat es Toni Bernhart, mit dem wir via Mail ein Interview gemacht haben: “Das ist wie ein kleines Stück zu schreiben,” meint der Wahlberliner, Jahrgang 1971 und in Prad aufgewachsen. Toni Bernhart ist Theaterautor und Literaturwissenschaftler an der Freien Universität Berlin; weitere Stücke von ihm sind “Lasamarmo”, “Langes afn Zirblhouf”, “Martinisommer” und “Gschmugglt weart nicht mea”. Die Regie führt der Autor, Schauspieler und Kabarettist Dietmar Gamper, Jahrgang 1972; bekannt auch durch seine Bearbeitung des “Brandner Kaspar” mit Herbert Pixner. Erstmals “Vorhang auf” heißt es für Valentin Wallnöfer und Daniel Angerer – das Prader Hip-Hop-Duo sorgte vor gut einem Jahr als Kravatte & Kravalle für Aufsehen und sogar Aufregung in unserem chefsachengeordneten Landl… – Wir sind gespannt, was sie auf der Bühne aufführen werden… Aber nun zunächst zu Toni Bernhart und am Ende auch eine Frage an Kravatte & Kravalle.

Toni Bernhart – Foto Hans MierschToni Bernhart – (c) Hans Miersch

Toni Bernhart, dein Stück ist auf Proderisch geschrieben. Du hast den Dialekt in der Ferne also nicht verlernt? – Und du schreibst des öfteren im Dialekt. – Warum?  Wann oder warum schreibst du hingegen auf Hochdeutsch?

Toni Bernhart: Lustige Frage. Nein, ich habe den Dialekt nicht verlernt. Was das angeht, bin ich sehr resistent. Ich bin seit über 25 Jahren nur mehr vorübergehend in Südtirol, ich gebrauche meinen Dialekt also nur sehr selten, nur wenn ich im Vinschgau bin. In Berlin würde mich ja niemand verstehen, wenn ich meinen Dialekt sprechen würde. Hier ist das Hochdeutsche meine Sprache im Alltag, mündlich und schriftlich. Das hat auch die eigentümliche Folge, dass in mir ein Vinschger Dialekt überwintert hat, den heute niemand mehr spricht. Wenn ich mit anderen Vinschgern Dialekt spreche, merke ich immer wieder, wie altertümlich mein Dialekt eigentlich klingt. Im Dialekt schreibe ich nur hin und wieder ein Stück, einerseits mit großer Lust, weil es mich als Sprachexperiment interessiert, andererseits aus der pragmatischen Überlegung, dass ein Stück im Dialekt leichter spielbar ist, wenn von vornherein feststeht, dass eine Südtiroler Theatergruppe es spielt. Alles andere schreibe ich in Hochdeutsch, weil ich generell verstanden werden möchte und weil die Standardsprache eine hoch entwickelte Varietät ist und mir geläufig und vertraut. Auch wenn man das vielleicht von mir erwarten würde: Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine einzige SMS im Dialekt geschrieben.Rita - Toni BernhartDu stammst selbst aus Prad, lebst aber seit fast 15 Jahren in Berlin. Inwiefern hat dir die Distanz zu deinem Heimatdorf beim Schreiben geholfen? (…musstest du weg gehen, um aus der Ferne einen klareren Blick zu haben/bekommen…?)

Für die Tatsache, dass ich schreibe, ist diese Distanz vermutlich unmaßgeblich. Wenn ich diese ganze Zeit über woanders oder eben in Südtirol gewesen wäre, wäre etwas in meinem Schreiben wahrscheinlich anders. Was genau, weiß ich nicht.  

Dein Theaterstück heißt “Rita”. Wer ist diese Frau? Und weshalb hast du das gesamte Stück nach ihr benannt?

Ritas Wesen ist sehr schwer zu fassen. Rita ist jung und schön, gleichzeitig auch sehr geheimnisvoll. Sie entzieht sich konsequent und kategorisch jedem tieferen Verständnis. Das macht sie so attraktiv und setzt die unerdenklichsten Phantasien frei. Bei ihrer großen Wirkung auf alles und jeden im Stück war es auch nur logisch, das Stück nach ihr zu benennen. Vier Buchstaben für den Titel: das ist kurz und fand ich schön.

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Wie geht das zusammen: Heimatbühne Prad + Stück von Toni Bernhart + Regisseur Dietmar Gamper + die rebellischen Hip-Hopper Kravatte&Kravalle?

Das passt wunderbar zusammen und ist hoffentlich leicht explosiv!

Im Stück sagt jemand: “Isch amol eppes ondrsch wia Eartepfl und  Kia” und später noch: “It ollm lai Trochtn und sella Zuig”. – Laufen in Südtirol nur Kühe und Leute in Trachten rum und essen Kartoffeln oder gibt es auch noch etwas anderes hier zwischen hohem Berg und tiefem Tal?

Nein, so ist es zum Glück ja wirklich nicht. Diese Sätze sagt jemand an der Stelle, wo es darum geht, mit welcher Musik Rita empfangen werden soll. Logischerweise fällt dann die Entscheidung auf Kravatte & Kravalle.Rita - Toni BernhartEin Theaterstück im Dialekt – das scheint mir doch sehr nahe an der alpenländischen Volksschauspieltradition zu sein. Inwiefern unterscheidet sich “Rita” jedoch von den Volksschauspielen und wie bindest du zeitgenössische Dramatik ein? – Was erwartest du dir – beispielsweise vom Publikum…?

Bis jetzt waren meine Dialektstücke wie “Langes afn Zirblhouf” oder “Gschmugglt wert nicht mea” Klone oder Imitate sogenannter Volksschauspiele, bei denen ich ein paar Schrauben leicht überdreht habe. Diesmal wollte ich etwas anderes versuchen: Die Sprechtexte sollten im Dialekt sein, dramaturgisch aber wollte ich Elemente verwenden, die man in einem Dialektstück nicht unbedingt erwarten würde: Die Handlung entwickelt sich weniger aus einer intrinsischen Logik als vielmehr aus der Sprache selbst, aus Gesprochenem eben, letztlich aus Gerüchten und Gehörtem, wie in einem Stille-Post-Spiel. Szenisches Sprechen habe ich mit chorischem und lyrischem Sprechen kombiniert. Dann war mir wichtig die sehr starke Zerdehnung zwischen Aktion und Reaktion, was zur Folge hat, dass ganz andere Reaktionen als die, die man erwarten würde, sehr schnell dazwischenschießen können. Welche Gestalt das Ganze am Ende haben wird, liegt aber vor allem an der Regie von Dietmar Gamper, der virtuos mit Raum umgehen kann und die Schauspielerinnen und Schauspieler darin ausgestellt im wahrsten Sinne des Wortes in Szene setzt. Und nicht zuletzt natürlich die Musik: In einem Dialektstück würde man eher den Auftritt von Volksmusikanten in Tracht erwarten als eben die Jungs von Kravatte & Kravalle. Wie das Publikum dies alles aufnehmen wird, weiß ich nicht. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf die Premiere!  

Rita – Toni Bernhart

Und letzte Frage: Wie viel Rita steckt in dir oder in uns? Und wie viel “Dorfraber” steckt in dir bzw. auch uns allen?

Gute Frage. Hab’ aber keine Antwort. Das Stück selbst hat aber bestimmt eine Antwort darauf, da bin ich mir ganz sicher.Und abschließend auch eine Frage an Kravatte & Kravalle: Wie ist es für euch, das erste Mal auf einer Theaterbühne zu stehen? 

Kravatte & Kravalle: Als Toni Bernhart uns im Frühjahr 2013 zum ersten Mal kontaktierte, war für uns sofort klar, dass wir mit am Start sein werden. Es hat dann ein Treffen mit der Heimatbühne und allen interessierten Prader Schauspielern gegeben. Daraufhin hat Toni begonnen das Stück zu schreiben und schon sehr bald wurde Ihm klar, welche Rolle wir spielen sollten. “Rita” war für uns eine durchwegs positive Erfahrung da uns Toni an der Entstehung des Stücks, quasi von den ersten Wörtern an immer auf dem Laufenden hielt. 
Es war dann im Oktober oder November 2013, als wir zum ersten Mal das Stück lesen konnten und plötzlich wurde uns klar, dass nun eine schwere Bürde auf uns lastet. Uns persönlich hat das Stück sehr gefallen, jedoch war es natürlich schwierig, sich etwas darunter vorzustellen. Normalerweise schreiben wir Lieder aus persönlichen Gedanken oder Beweggründen heraus. Doch diesmal waren sozusagen die Grenzen abgesteckt und das war für uns eine ganz neue Erfahrung. Irgendwann im Dezember haben wir uns dann entschieden, dass unser “Rita Song” keinen klassischen HipHop-Beat bekommt, sondern einen aus der Elektro-Ecke und schon hat das Texten begonnen. Ich glaube, wir haben noch nie soviel an einem Text hin- und hergeschrieben, denn mittlerweile finden sich auf unseren Laptops sicher 10 Versionen – die endgültige wurde vorgestern gespeichert.Rita - Toni BernhartAuch die Arbeit mit Dietmar Gamper ist äußerst interessant und spannend, denn was wir in der letzten Probe gesehen haben, war allererste Sahne. Er ist neben Toni der zweite Meister seines Fachs. Natürlich ist dies eine für uns ungewohnte Atmosphäre, aber die Professionalität und Lockerheit von Toni, Dietmar und allen Mitwirkenden machen “Rita” zu einer Erfahrung, die wir nicht missen möchten. Die Tatsache, dass sich diesmal nicht das Publikum uns aussucht und zu unserem Konzert kommt, sondern wir uns das Publikum, indem wir an einem Theaterstück teilnehmen, verleiht uns den Vorteil, auch Leuten, die uns nicht hören wollen, unsere Musik aufzuzwingen.

Alle Aufführungsfotos: Kunigunde Weissenegger

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