Rotes Märchen – R.A.F. Rebelliert, was das Zeug hält!

“Und erst dann war mir klar. Jetzt ist es vorbei. Jetzt bist du drin. Jetzt gibt’s nur noch die Gruppe. Leben. Atmen. Freiheit.”

Rotes Märchen RAF – Rotierendes Theater

Das Stichwort lautet: Revolution. Ich habe versucht die Gruppe zu erreichen… …und sie hat mir geantwortet…

Liebe Gruppe, 

ich versuche ständig euch zu erreichen… weiss nicht, ob dieses Schreiben bei euch ankommt… ständig wechselt ihr Orte, Adressen, Städte, Kontinente… – Ist das echt notwendig? Und wie macht ihr das, ständig unsichtbar zu sein? Aber mir ist das sowieso egal. Ich muss euch nicht treffen. Hauptsache mein Schreiben kommt dann endlich zu euch durch. Ich will hier auch keine Orte oder Anhaltspunkte nennen, zu gefährlich, denke ich. Für euch, für mich… 

Warum ich trotzdem versuche, euch zu erreichen: Ich möchte euer Handeln verstehen. Ich stellvertretend für viele, denke ich… Warum muss alles brennen? Warum krankt das System? Läuft nicht alles bestens? Radikal sagen sie, die anderen – was meint denn ihr dazu? Auch bei euch gab es Opfer, aber die reden immer nur von “ihren” Opfern. – Wer etwas erreichen will, muss Opfer bringen, ist doch so, oder?! 

Meint ihr eigentlich zu träumen oder in einem Märchen zu leben? Ihr, die Guten, und die anderen, die Bösen…? Und wenn es dann diese bessere Welt endlich gibt, was macht ihr dann? Werdet ihr dann so wie die? Und dann kommen andere und das Ganze fängt wieder von vorne an? Nicht ermüdend!? Wie viele seid ihr eigentlich? Frauen und Männer? Habt ihr auch Verbindungen zu anderen Gleichgesinnten in anderen Ländern? 

Und was kommt als Nächstes?
Bis dann…

 

Liebe Kunigunde,

ob das echt notwenig ist, wird doch nicht eine ernsthafte Frage sein sollen. Dass wir alle in der Scheiße rum wühlen, wird klar sein! Wenn du auf der selben Oberfläche wie die Mitmenschen spielst, mit denselben Verhaltensweisen, wirst du kaum etwas verändern können. Die Sache verändert dich. Ganz schön naiv so eine Sichtweise. 
Radikal sind wir nicht – nicht radikaler als ihr oder sie. Die Gewalt, die ihr ausübt – sei es mit euren unterdrückenden Systemen und euren gewaltsamen Maßnahmen gegen jedes freie Leben – beantworten wir nur mit derselben. Dass unsere Worte nur als lächerliche Schriften angenommen werden, reicht uns – wie es scheint, müssen Taten folgen. -– Und sobald wir dann die Waffen in die Hand nehmen,  sind wir dann sofort wieder radikal. – Ach komm, es gibt wiedermal nichts über die Kriminalität der Tat. Aber dass ihr zuschaut, wie Völkermorde passieren und sich Menschen in einem aufgezwängten System selbst verlieren, das seht ihr nicht. Opfer. Wer Opfer ist und wer nicht, ist doch auch eine Sache des Blickwinkels.
Wenn ihr meint, unsere Geschichte ist ein Traum oder ein Märchen, bezeichnet es ruhig als solches; es wird uns nicht hindern euch zu zeigen, dass es für uns weder Traum noch Märchen ist. 
Gut und Böse gibt es nicht. Wir dienen dem Volk. Ihr dem System.

Ja, was danach passiert, wird sich zeigen. Dass es so nicht funktionieren kann, ist doch klar. Wir sind mit unserem Standpunkt nicht allein – Verbindungen haben wir genug. Leute auch.

Was kommt als Nächstes? So schnell wird eine Revolution nicht untergehen. 

Und diese Heimlichtuerei bringt einen Dreck.
Wenn du was verändern willst, steh dazu und kämpf im Untergrund.
Ändere die Welt. Sie hat es noch nie so gebraucht!!Rotes Märchen RAF - Rotierendes Theater

Zur Erklärung:

Die RAF Rote Armee Fraktion war eine Gruppe von Terroristen, Anarchisten, Linksaktivisten, geführt von Andreas Baader und Ulrike Meinhof, die in den 70ern und darüber hinaus die Bundesrepublik Deutschland in Atem hielten. Von 1. bis 8. Juni 2013, jeweils um 20.30 Uhr bringt das Rotierende Theater in der Dekadenz Brixen die Textmontage Rotes Märchen – R.A.F. des jungen Autors und Regisseurs Joachim Goller auf die Bühne: Die Charakterköpfe, der Hype um Helden einer Revolution und die Idee von einer besseren Welt sowie die Aufs und Abs der Gruppe, ihre Opfer und Verluste, ihre Aufrüttler und Monster, ihre Theorie und ihre Praxis, ihre Visionen aus und in einer anderen Welt sind Thema des Abends. Damit soll nicht politische Bildung, sondern vielmehr eine politische Welle beleuchtet werden, die in vielen Köpfen allzu schnell verdrängt wurde.

Fotos: Christian Mantinger

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