Contemporary Culture in the Alps
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Kunst für die Dolomiten bei San Martin de Tor

Lissy Pernthaler, eine der Siegerinnen von SMACH, im Interview

05.05.2013
Kunigunde Weissenegger
Kunst für die Dolomiten bei San Martin de Tor

Es tut sich was. Langsam, langsam scheint sich die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vertragen, die Geschichte sucht die Nähe des Zeitgenössischen, Tradition setzt sich mit sich selbst und mit ihrer Zukunft auseinander. Derartiges geht gerade mitten in den Dolomiten vor sich: Der Gadertaler Künstlerbund hat in Zusammenarbeit mit dem Tourismusverein St. Martin in Thurn den internationalen Wettbewerb SMACH. Constellation of art, culture & history in the Dolomites ausgeschrieben. Bis Ende März durfte eingereicht werden und nun stehen die 12 Künstlerinnen und Künstler fest, die ebenso viele Gegenden, Orte, Siedlungen und Plätze von kulturellem und historischem Wert mit ihrer künstlerischen Idee und Installation bespielen ((dürfen)). Erreichbar sind sie zu Fuß über Wanderwege und liegen zwischen 1.100 und 2.800 Metern Höhe. Die Interventionen werden ab Anfang Juni bis Ende September 2013 zu sehen sein; die Eröffnung ist für Anfang Juli in St. Martin in Thurn geplant. Wir haben uns sofort nach Bekanntwerden der Gewinnerinnen und Gewinner mit einer von ihnen in Verbindung gesetzt und ein wenig nachgehakt: Lissy Pernthaler, vielseitige Autorin und Schauspielerin, Performerin und Nachforscherin,in Kaltern geboren, lebt und arbeitet sie in Berlin und Südtirol. Die weiteren Arbeiten kommen von: Max & Carlo Castlunger, Andrea Salvetti, Francesco Begna, Hubert Kostner, Olga Schäfer, Patricija Gilyte, Philipp Schraut, Lorena Munforti, Hans Martin Lüstzenburg, Paul Feichter, Kei Nakamura.

Lissy Pernthaler, warum hast du am Wettbewerb teilgenommen? Was war für dich das Ausschlaggebende, der Anlass, um mitzumachen?

Als ich das Bild von der Antersasc Alm in der Wettbewerbsausschreibung gesehen habe, war ich sofort magisch von diesem Ort angezogen. Mich hat es gereizt, ein Projekt für diese doch in letzter Zeit immer wieder viel diskutierte Alm zu machen. Und es sollte dabei eben um das gehen, was sie ist: Natur. Raum zum Sein und für Entfaltung. Ich hatte sofort ein Bild im Kopf und das Konzept stand relativ schnell, also war es klar, dass ich mit mache und alles in einem Konzept zu Papier bringe. Außerdem war natürlich das Preisgeld ein Ansporn. Dass es für eine Kunstausstellung und ihre Projekte Geld gibt, ist leider keine Selbstverständlichkeit. Ich hoffe, dass solche Ausschreibungen Nachahmung finden.

Wie bedeutend sind deiner Meinung nach Projekte wie dieses, die das Zeitgenössische mit der Natur und der Geschichte in Verbindung bringen? 

Ich finde die Schnittstelle zwischen Natur, Kultur und Mensch sehr spannend. Denn zu aller erst gibt es den Raum: Die Natur, der Mensch macht ihn zu einem Ort, bewirtschaftet ihn und kultiviert ihn und bewegt sich in ihm und interagiert in ihm, verändert ihn. Kultur entsteht. Das Spannende für mich ist, wenn der zeitgenössische Mensch sich wieder mehr von der Natur beeindrucken lässt und sich von der Natur bewegen lässt. Oft ist es wirklich sehr einfach: Wenn ich mich von verkopften Schreibtischkonzeptdenkprozessen los reiße und einen Spaziergang in der Natur und im besten Fall in der Sonne mache, werde ich aufgeladen. Wir haben solche Räume/Nicht-Räume in Südtirol quasi vor der Haustür: die Natur. Wenn ich in Berlin bin, ist das schon schwieriger. Es geht mir um Sensibilisierungsarbeit und Achtsamkeitsschulung. Denn dann kann ein Individuum Geschichte schreiben, wenn es Prozesse durchläuft, mit Mitmenschen und mit der Natur. Alles ist ein Spiegel für einen.

Bist du glücklich über den Sieg? Wirst du Freunde und Verwandte einladen, deinen umgestalteten Ort zu besuchen?

Ich bin sehr glücklich über meinen Sieg. Ich werde alle einladen, die ich kenne oder die mich kennen, denn Erlebnisse sind noch wertvoller, wenn man sie mit anderen teilen kann. Und wann kann man sich schon mal in der Natur, abgeschnitten von jeglichem Alltagsgehabe, mit Kunst und mit sich beschäftigen? Die Macher von SMACH haben eine großartige Idee ins Leben skizziert. Wir Künstler dürfen sie nun zum Leben erwecken. Wandern ist wie meditieren, ich freue mich auf einen Sommer, in dem ich die Berge neu für mich entdecken kann. Nach 10 Jahren Berliner Häuserwänden tut sich mein Herz zu den Bergen auf.

Lissy Pernthaler Seelenpost – Antersasc Alm – Foto: Gustav Willeit – franzmagazine

Wo wirst du deine Intervention machen und wie sieht dein Projekt aus – was hast du vor?

Wie schon erwähnt, habe ich mir die Antersasc Alm ausgesucht. Die Intervention, die ich auf der Alm mache, fügt sich mit ihren naturnahen Materialien fast harmonisch ins Bild der Landschaft ein. Naturgetarnt erwartet die Besucher ein kultureller, also vom Menschen (in dem Fall von mir) geschaffener Ort mitten in der Natur zum Verweilen und Atmen. Ich lade die (Kunst-)Wanderer ein, sich in einen Klappliegestuhl aus Holz zu setzen und erst einmal auszuruhen und anzukommen. Auf der Alm, in der Natur, bei sich.

In einem zweiten Moment soll dann ein innerer Prozess zugelassen werden, der die Besucher einfach SEIN lässt. Es gibt an meinem Platz einen Briefkasten und Postkarten. Hier können sich die Menschen selbst eine Botschaft an ihr zukünftiges Ich schreiben. Wie fühlt man sich in so einem naturüberfluteten Moment? Hat man eine Erkenntnis? Gibt es eine vorherrschende Emotion? Hat man einen schönen Gedanken, den man bewahren möchte? Oder will man sich einfach daran erinnern, öfters zu lächeln? Es geht also nicht darum, jemand anderem zu schreiben, sondern wirklich sich SELBST. Dies vollbracht und mit seiner eigenen Adresse versehen, wirft man die Postkarte in den aufgestellten Briefkasten und gibt eine kleine Briefmarkenspende dazu. Der Tag geht vorüber, die Wanderung gerät vielleicht immer mehr in Vergessenheit. Und dann, nach einiger Zeit, nach Monaten, bekommt man plötzlich Post aus der Vergangenheit von sich selbst. Vorne sieht man noch einmal die Antersasc Alm, hinten die eigene Botschaft an sich. Ich werde nach Beendigung der Ausstellung im September 2013 alle Postkarten zu ihren Verfassern schicken. Ich arbeite immer schon mit performativen Prozessen. Spannend finde ich es hier zu sehen, welche Prozesse verlaufen im Inneren? Wie kann ich einen intimen Vorgang dennoch sichtbar machen?

Kann Kunst zu (auch sozialer) Veränderung von stark traditionell beeinflussten Orten, wie dem Gadertal beispielsweise, beitragen?

Tradition und Innovation sind gerade in Südtirol große und wichtige Schlagworte. Kunst kann dabei als Vermittler fungieren oder einfach als Brücke. Darüber gehen muss man selbst, um beide Seiten kennenzulernen, anzunehmen und zu verstehen. Und solche Täler wie das Gardertal sind noch einmal geschlossener und haben eine ganz eigene Raum–Zeit–Wahrnehmung. Dies ist ein sehr spannender Prozess, der hier mittels 12 Kunstwerken angestoßen wird. Wir dürfen alle gespannt sein, was es mit uns macht.

Denkst du, dass SMACH auch Auswirkungen auf den Tourismus haben wird und ein anderes Publikum als die bisherigen Bergtouristen anziehen wird?

Das hoffe ich doch. Natur und Kunst können und sollen durchaus befreundet sein. Also, raus aus den Wänden und aus oft zu engen Gedanken und hinein in die (eigene) Natur.

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lissy pernthaler, San Martin de Tor, san martino in badia, smach, St. Martin in Thurn
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